Geschichte – aus der Sicht der damaligen Gegenwart
Anhand von Zeitungsartikeln, Reisebeschreibungen, Briefen u.a. Zeitzeugnissen zeichnet der Autor ein so ganz anderes Bild der deutsch-russischen Sicht auf einander, als man es aus der Schule, speziell ...
Anhand von Zeitungsartikeln, Reisebeschreibungen, Briefen u.a. Zeitzeugnissen zeichnet der Autor ein so ganz anderes Bild der deutsch-russischen Sicht auf einander, als man es aus der Schule, speziell der DDR-Schulbildung, und Jubiläumsreden allgemein kennt. Nicht von dem, was später daraus wurde bzw. welche Entwicklung die damals Handelnden einschlugen, bestimmt die Auswahl der vorgestellten Personen und ihrer Ansichten, sondern in wieweit sie durch Kontakte und Reisen Bescheid wussten, es damals ziemlich zeitnah veröffentlichten bzw. versuchten, Einfluss zu nehmen. So begegneten mir viele mir bis dahin Unbekannte, aber auch berühmte Namen in erstaunlich anderem Zusammenhang wie Thomas Mann, Max Weber, Egon-Erwin Kisch... Im Personenverzeichnis werden ca. 700 Namen aufgelistet.
Dabei zeigt sich, dass Menschen ihre Meinungen und Standpunkte mehrfach ändern können – zumal in Kriegs- und Revolutionszeiten, in denen so viel Unvorhergesehenes passiert. Dadurch entsteht kein Bild von den Guten / Helden / Heiligen auf der einen Seite und den Bösen / Unmenschen auf der anderen. Sie alle bleiben Menschen – voller Energie, Tatendrang, die Welt zu verbessern und zu (fast) allem bereit, dies zu erreichen. Der Größenwahn in seinen verschiedenen politischen Ausformungen, das „Wie“ zum Ziel zu wissen, wird klar benannt.
Dargestellt wird, wie in dieser Zeit in allen politischen Lagern, der Hang bestand, das gesellschaftliche Problem im Judentum des jeweiligen Gegenüber zu sehen, auch wenn derjenige selber als Atheist keinerlei Beziehung dazu hatte. Diese Diffamierungen werden immer wieder angesprochen und ihnen mehrere Kapitel gewidmet.
Das Wissen um zentrale Ereignisse der Zeit wird im Buch vorausgesetzt. Deutlich stehen die russischen und deutschen einzelnen Menschen und ihr Denken im Mittelpunkt,
Schon in der Antike war es so, dass Großmächte einander im Blick hatten und versuchten mit einander die Kräfte zu messen und von einander „zu erben“. Dass die kleinen Länder und Völker zwischen ihnen dabei übersehen wurden, so wie Polen in der hier behandelten Zeit, wird leicht übersehen. Andererseits bot sich die Chance, dass gerade aus ihnen Führungspersönlichkeiten entstammten, wie Rosa Luxemburg, Karl Radek und so mancher andere von den Balten-Deutschen.
Danke für dieses Eintauchen in eine so unerwartet fremde Welt Deutschlands, Russlands und des „Westens“ (der damaligen Welt) zwischen 1900 bis Ende der 30er Jahre! 2005 in 1. Auflage erschienen folgen 40 Seiten zur Geschichte nach 1945, vor allem aus der Zeit der Entspannung. Es war gut, auch da an so manches noch mal erinnert zu werden.