Der Dichter der Familie - absolut lesens- und empfehlenswert!
"Der Dichter der Familie" von Grégoire Delacourt erschien 2017 (HC, gebunden) im Atlantik-Verlag und hat durch seine packende, ehrliche und pointierte Sprache mein Leserherz persönlich sehr gut erreichen ...
"Der Dichter der Familie" von Grégoire Delacourt erschien 2017 (HC, gebunden) im Atlantik-Verlag und hat durch seine packende, ehrliche und pointierte Sprache mein Leserherz persönlich sehr gut erreichen und auch begeistern können....
"Èdouard schreibt mit sieben Jahren sein erstes Gedicht. Die Familie ist begeistert, lobt und applaudiert ihm: welch eine Begabung! Von nun an ist er der Dichter der Familie. Doch es sollte anders kommen. Mit neun muss er die Klasse wiederholen, mit zehn stecken ihn die Eltern ins Internat in Amiens. Er studiert, wird statt Dichter Werbetexter, heiratet Monique, bekommt eine Tochter, dann eine zweite... Die Jahre ziehen ins Land, die Familie zerbricht, das Leben geht weiter. Èdouard gelingt es nicht, den einen Moment der allgemeinen Liebe und Bewunderung wieder entstehen zu lassen. Und trotz großer Erfolge als Werber fühlt er sich als Versager. Doch wie hatte sein Vater gesagt: "Schreiben heilt!" (Quelle Buchinhalt: Stories Magazin)
Meine Meinung:
Die ersten Strecken dieses Débutromans von Delacourt lesen sich wie ein Rückblick eines 18Jährigen auf sein Leben ab 9 Jahren auf das Familienleben einer nordfranzösischen Familie, der sich selbst auf dem Weg ins Erwachsenenalter stets in Beziehung zu den Erwartungen der Eltern setzt. Obwohl Èdouard nach dem Internat und dem Studium in der Buchhaltung landet, denkt er immer wieder an die Worte des Vaters und die Geschichte eines Amoklaufs im früheren Internat inspiriert ihn dazu, zu schreiben, er will - er muss Schriftsteller werden!
Die 'falsche', aber sehr dominante Frau, die er heiratet, Monique, wird ebenfalls eine Weile brauchen, um zu erkennen, dass es nicht um 'unsere' Bücher, sondern um ein Buch von Èdouard geht und immer wieder um Wörter, deren Bedeutung, deren Kraft und zuweilen auch deren Zerstörungswut...
Um Wörter, die ungesagt bleiben, um unausgesprochene Wörter, um letzte Wörter und vor allen Dingen darum, dass "das Leben noch ein Wörtchen mitzureden hatte".
Der Protagonist, gewissermaßen ein Antiheld, dafür jedoch mit einem sehr ehrlichen Blick nach innen wie auch nach außen, erhält einen Vertrag in der Werbebranche, stellt jedoch (auch wenn sein Verdienst enorm ist und ein luxuriöses Leben sowohl ihm als auch Monique ermöglicht) folgendes für sich fest:
"Mit 29 konnte ich von meiner Feder leben. Aber ich hatte mich im Tintenfass geirrt ".
Solche Passagen kennzeichnen den Stil des Autors, wie er auch seine Emotionen sehr stark, fast mit brutaler Klarheit, absoluter Authentizität formuliert, was mir persönlich sehr gut an seinen Romanen gefällt und auch hier im Dèbut zu finden sind.
Unglücklich mit der Frau, die dafür sorgt, ein feudables großes Haus weit entfernt von Paris zu kaufen und sich einem mondänen Lebensstil hingibt, entflieht Èdouard zuweilen zu seiner Mutter, Claire seiner Schwester und dem kleinen Alexandre, "um jene Zeit zurückzuholen in der blassgelben Küche, in der jeder von uns einem schönen Leben entgegensah".
Doch leider sieht die Realität anders aus; sein Vater, der inzwischen von der Mutter geschieden ist, fällt mehr und mehr in die Demenz und wird der jetzigen Frau an seiner Seite zur Last... Auch hier ist die harte Realität in kurzen Sätzen zu lesen, die mein Leserherz sehr berühren, da diese Beschreibungen Delacourts in packenden, pointierten Sätzen sehr authentisch sind - und gesellschaftlich real. So empfindet man auch mit Èdouard, der leider allzu oft in seinem Leben nichts sagte, jedoch sehr gut weiß, dass er hätte etwas sagen sollen, eine große Sympathie, als er weinend auf dem Parkplatz des Seniorenheims steht, die seinen verstummten Vater aufnahm...
Genau dort geschieht das Wunder, eine junge Frau sitzt auf der Motorhaube eines Wagens und die beiden kommen ins Gespräch. Endlich. Endlich beginnt Èdouard, das zu tun, was er selbst tun will: Das Mädchen auf der Motorhaube wiederzusehen...
Fazit:
Ein außergewöhnlicher Roman in einer intensiven, sensiblen und dabei auch schonungslos offenen Sprache, wie sie dem Autor zu eigen ist. Eine Geschichte zum Nachdenken, die auch zum Verstehen des Hauptprotagonisten anregt, indem er 3 Jahrzehnte Èdouards beschreibt (1960er bis in die frühen 1990er Jahre), die 'mitten aus dem Leben' stammen, das immer ein Wörtchen mitredet und einen emotionalen, zeitweise melancholischen, aber immer äußerst aufrichtigen Blick in das "Karussell des Lebens" schildert. Mich erfrischen solche prägnanten Sätze, besonders dieses 'zwischen den Zeilen' zu Lesende wie ein Quellwasser. Delacourt schafft es, den Leser zuweilen schmunzeln zu lassen, auch zu erschrecken, ihn staunen und hoffen zu lassen. Hier findet sich die gesamte Bandbreite menschlicher Gefühle und das untrügliche Gefühl, dass wir alle dazu tendieren, uns den Erwartungen anderer zu unterwerfen - oft widerspruchslos, wenn auch ungewollt - einzig um geliebt zu werden.
Von mir eine absolute Leseempfehlung, die volle Punktzahl auf der 'Belletristik-Couch' und 5 Sterne. Ich werde auch die anderen Romane (Alle meine Wünsche) des Autors noch lesen und sage merci für sehr interessante und berührende Lesestunden!