Ein großes Waldgebiet, eine einsam gelegene Hütte und in ihr: ein Naturbanause aus der Stadt. H. D. Waldens Bericht über seinen unverhofften Neuanfang mit der Natur.
Ein Schriftsteller zieht sich allein in eine Hütte zurück, irgendwo im Ruppiner Waldgebiet. Die Gegend ist so verlassen, dass seine Freundin behauptet, die Waldtiere wüssten nicht, was Menschen sind und würden meinen, es handele sich um verrückte Kühe.
Doch auch der Schriftsteller muss sich eingestehen, dass er nicht besser Bescheid weiß als die Tiere: Vögel beispielsweise sehen für ihn alle gleich aus. Ein Stadtmensch eben. Da er sonst nichts zu tun hat, beginnt er mit Hilfe einer Vogelbestimmungs-App und Vogelfutter sich der Angelegenheit zu nähern. Und tatsächlich, sie kommen alle angeschwirrt: Kohlmeisen, Kleiber, Dompfaffen – wie er nun lernt. Und sie unterscheiden sich charakterlich stark: die Mönchsgrasmücke benimmt sich draufgängerisch wie Tom Cruise, während die Kleiber so überdreht wie Kokainisten wirken.
Überhaupt: Von wegen nicht viel los im Wald. Jede Nacht, exakt um dieselbe Uhrzeit, knackt ein Waschbär sehr geschickt die Vogelfutterkiste auf, und ist auch sonst ziemlich dreist. Eine Maus macht Lärm für zehn. Und ein Fuchs hat ein echtes Problem. Und dann ist da noch der Igel-Hüne.
Je länger der Autor die Tiere beobachtet und das wilde Fremde wie das nahe Vertraute in ihnen erkennt, desto stärker verändert sich seine ganze Wahrnehmung, sein Gefühl für Zeit, ja sogar das für Geborgenheit.
»Während andere Home Office machten, machte ich Wood Office, und dazu gehörte das Vertreiben von Nebelkrähen mit Besenstielen.«
W.H.Walden ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Schriftstellers. Wer das ist wird ganz am Ende des Buches verraten.
Das autobiografische Buch ist sehr zeitgenössisch, denn der Protagonist und Icherzähler ...
W.H.Walden ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Schriftstellers. Wer das ist wird ganz am Ende des Buches verraten.
Das autobiografische Buch ist sehr zeitgenössisch, denn der Protagonist und Icherzähler entflieht der Corona-Gefahr indem er eine einsame Hütte im Wald aufsucht und da einige Wochen verbringt. Alleine mit den Tieren. Nur an einem Wochenende besucht ihn mal seine Freundin, aber insgeheim ist er froh, dann wieder alleine zu sein. Zu seinen engsten Vertrauten werden die Tiere, insbesondere ein Waschbär, den er füttert und ein großer Igel. Dann gibt es noch einen räudigen Fuchs, die Vögel der Umgebung und Rehe.
Es ist eine leicht kuriose Art des Nature Writing, da der Stadtmensch so naiv und unvertraut mit dem Leben im Wald ist. So hat er viel zu lernen und wir Leser begleiten ihn dabei. Die Zuneigung für die Umgebung und die Tiere ist leicht zu teilen.
Die Kunst des Buches ist es, die Gefühlslage des Erzählers nachvollziehbar zu machen und dass man seine Erfahrungen so hautnah teilen kann. Daher halte ich das Buch für sehr gelungen und es hat viel Spaß gemacht, es zu lesen.
Ein Schriftsteller flüchtet vor der Pandemie in die Einsamkeit des Waldes, denn Schreiben kann man überall. In Brandenburg, im Ruppiner Wald, findet er mehr als nur Ruhe. Seine unbestrittene Unwissenheit, ...
Ein Schriftsteller flüchtet vor der Pandemie in die Einsamkeit des Waldes, denn Schreiben kann man überall. In Brandenburg, im Ruppiner Wald, findet er mehr als nur Ruhe. Seine unbestrittene Unwissenheit, was Flora und Fauna angeht, bietet ihm die Möglichkeit, sich völlig unbefangen der Natur zu nähern. Seine kleinen Wald-Erlebnisse laden zum Innehalten ein. Tierportrait-Zeichnungen von Elisa Rodriguez unterstreichen die Schilderungen.
H.D. Walden hat sich einem aktuellen Thema gewidmet. Nicht jeder hat die Möglichkeit, sich den Corona-Hotspots fernzuhalten. Ein Autor hat diese Chance natürlich und so zieht es ihn in eine Waldhütte, fern von Abstandsregeln und Hygienekonzepten. Als Leserin, die direkt am Wald lebt, habe ich dieses Buch mit einem Schmunzeln und Aha-Erlebnissen gelesen. Für mich alltägliche Situationen werden auf amüsante Art beschrieben und laden zum Neubetrachten ein.
Aufgetragen von der Freundin, soll der Schriftsteller die Waldtiere füttern, was anfänglich eher eine Pflicht als Freude ist. Diese Vögel scheinen alle gleich. Doch durch die neu gewonnene Zeit und Muße zum Beobachten werden diese Tiere eigenständige Wesen mit Eigenarten, verhaltenstypischen Bewegungen und Charakterzügen.
Diese Stelle hat mir besonders gefallen:
"Wenn die Kleiber sich Futter holten, hieß es 'Alle runter auf den Boden! Keiner bewegt sich, oder es knallt! Her mit den großen Scheinen, na los hört ihr schlecht, ihr habt genau vier Sekunden Zeit!' Die Dompfaffen hingegen wirkten wie Leute, die an einem heißen Sommertag im Garten grillen und eigentlich keinen großen Appetit haben, weil es so warm ist."
Ein Waschbär hat es ihm dann besonders angetan. Jede Nacht plündert der schlaue Kerl die Meisenknödel und lässt sich auch nicht von verschiedenen Abschreckungsversuchen davon abhalten. Mann und Tier arrangieren sich, der eine füttert den Waschbären und das Tier lässt Vogelhaus Vogelhaus sein. Man bekommt den Eindruck, dass sich der Mensch den Tieren annähert, seinen Tagesablauf danach ausrichtet und sich vom städtischen Verhalten immer mehr entfernt.
Einige Passagen waren mir etwas zu fremd. Dialoge zwischen Waschbär und Mensch sind wohl der Einsamkeit und Stille geschuldet. Wiederkehrende nächtliche Wanderungen zu einem Hochsitz, um zu überprüfen, ob eine Jägerin diesen besucht hat, konnte ich nicht so ganz verstehen. Auch wenn eine gewisse Zuneigung zu einem Wildtier besteht, bleibt es doch ein Wildtier und die Rettung vor einer vermeintlichen Kugel wäre auch mit nächtlichen Wanderungen nicht zu verhindern gewesen.
Für mich ist es eine Empfehlung, sich ab und zu vom menschlichen Getümmel zu entfernen, um den Blick für die Natur und das Sein zurückzugewinnen. Auf jeden Fall eine Entschleunigungsleseempfehlung.
Eine Begebenheit im Buch hat der Auto im Video festgehalten: