Zwölf Schicksale zwischen zwei Kulturen
In zwölf Kurzgeschichten zeigt Ha Jin verschiedene Schicksale chinesischer Einwanderer im New Yorker Stadtteil Flushing auf. Nicht nur die kulturellen Unterschiede stellen die Menschen vor diverse Probleme ...
In zwölf Kurzgeschichten zeigt Ha Jin verschiedene Schicksale chinesischer Einwanderer im New Yorker Stadtteil Flushing auf. Nicht nur die kulturellen Unterschiede stellen die Menschen vor diverse Probleme - auch Geldsorgen, Zukunftsängste und die Frage nach dem eigenen Ich bestimmen den Alltag.
Die Themen, die innerhalb dieser zwölf Geschichten behandelt werden, sind sehr vielfältig. Die Geschichten sind dabei zwischen vier und vierzig Seiten lang. Zumeist gibt es einen Ich-Erzähler, nur ein paar wenige Geschichten sind aus der dritten Person geschrieben. Daher war es am Anfang immer etwas schwierig, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer der Ich-Erzähler überhaupt ist, aber wenn man etwas Geduld hat, erfährt man es immer früh genug.
Ein Opernkomponist wird von seiner Freundin vorübergehend mit deren Papagei allein zurückgelassen und erst allmählich entwickelt er eine Bindung zu ihm; die in Amerika geborenen Enkelkinder wollen ihre chinesischen Namen ind englischsprachige ändern; eine junge Frau beendet eine Affäre als ihr Ehemann seine Einreiseerlaubnis erhält; ein Professor für amerikanische Literatur reist illegal ein unter völlig falschen Vorstellungen wie er in Amerika Geld verdienen könnte, …
Die Probleme sind einerseits kultureller Art, häufig aber auch familiärer. So hat die Verwandschaft zuhause in China häufig eine völlig falsche Vorstellung vom Leben in Amerika und hat nicht nur kein Verständnis für die Probleme der Auswanderer sondern bedrängt diese regelmäßig mit Wünschen und Bitten. Nicht selten schicken die Auswanderer fast all ihr Gehalt nach Hause an die Familie und behalten von ihrem hart verdienten und dennoch wenigen Geld fast nichts für sich. Gute Jobs sind nur für wenige erreichbar, denn die meisten sprechen kein oder nur schlecht Englisch, manche sind illegal eingewandert und viele verfügen auch über keine Ausbildung, die einen besser bezahlten Beruf ermöglichen würde.
Besonders aufgefallen ist mir das Thema Ehe. Heiraten scheint für Chinesen noch immer ein wichtiges Ziel im Leben zu sein und auch einen gewissen gesellschaftlichen Status mit sich zu bringen, gleichzeitig aber auch viele Verpflichtungen. Die Ehe hat dort anscheinend noch einen viel höheren Stellenwert als heutzutage in den meisten westlichen Ländern, wobei das hier ja auch nur wenige Jahrzehnte zurückliegend noch ähnlich war.
In fast jeder Geschichte wird auch recht detailiert über das Essen geschrieben, was mich sehr interessiert hat, aber ich habe beim Lesen deshalb immer Hunger auf asiatisches Essen bekommen.
Allgemein bietet dieses Buch sehr viele Ansätze zum Analysieren und Interpretieren und ich behaupte mal, dass man auch genau das tun muss, um dieses Buch wirklich verstehen und erfassen zu können. Wer sowas mag, wird dieses Buch lieben. Wer sowas nicht kann und nicht mag, der wird hierin vermutlich nur einen trockenen Schreibstil ohne Tiefe sehen. Man in der Lage sein, zu sehen, was dahinter liegt.
Ein gelungenes Werk, das einen interessanten Einblick in die chinesische Kultur gibt und auch die Probleme der Auswanderer verständlich machen. Der Schreibstil mag für manch einen gewöhnungsbedürftig sein, für mich war er jedoch sehr passend und gut zu lesen. Manche Geschichten hätte ich gerne noch länger verfolgt und werde mich definitiv noch nach anderen Büchern von Ha Jin umsehen.