Vielschichtiger Roman, der ein Spiegelbild der Zeit darstellt
Der Roman "Die Buchhändlerin - Die Macht der Worte" aus dem Rowohlt Verlag ist der zweite Teil der Buchhändler-Reihe von Ines Thorn.
Frankfurt, 1950. Christa hat sich in ihrer Ehe mit Werner arrangiert, ...
Der Roman "Die Buchhändlerin - Die Macht der Worte" aus dem Rowohlt Verlag ist der zweite Teil der Buchhändler-Reihe von Ines Thorn.
Frankfurt, 1950. Christa hat sich in ihrer Ehe mit Werner arrangiert, doch ihre Liebe zu Jago ist ungebrochen. Leider kann Christa nicht ihrem Herzen ohne weiteres folgen und dieser Umstand begleitet sie auch bei ihrer Doktorarbeit und beim Wunsch, den Menschen mit den Buchverkäufen neue Freude zu schenken. Ständig ist die Vergangenheit sichtbar und noch in den Köpfen der Menschen vorhanden. Dabei wollen alle eine heile Welt und vor allem auch Christa, denn die Scheinehe bringt sie ihren Wünschen nach einer eigenen Familie nicht näher.
In diesem Roman erzählt Ines Thorn vor dem damaligen Wandel in der Nachkriegszeit Christas Geschichte der Jahre 1951 bis 1968 weiter. Christa führt nach außen eine Ehe mit Werner und ihren Adoptivsohn Heinz. Diese Ehe dient als Scheinehe, denn Werner lebt die meisten Zeit zusammen mit seinem Lebensgefährten, Christas Onkel Martin in der Schweiz. Christa führt weiterhin die Buchhandlung und schreibt gleichzeitig an ihrer Doktorarbeit. Glücklich ist sie nur mit dem Lyriker Jago und muss sich darüber klar werden, ob sie für das besondere Arrangement mit Werner auch ihr Glück mit Jago und eigenen Kindern aufs Spiel setzen will.
Christa ist immer noch der Mittelpunkt der Familie und fühlt sich für alle verantwortlich, dabei wünscht sie sich eine Ehe mit Jago und mit ihm eigene Kinder. Aber ihr fehlt es an Selbstbewusstsein, um diesen Schritt zu wagen. Und als sie von der nationalsozialistischen Vergangenheit von Jagos Vater erfährt, ist sie äußerst betroffen und möchte keinen Kontakt mehr. Aber wie kann sie ihre eigenen Sehnsüchte und Wünsche umsetzen, ohne ihrer eigenen Familie zu schaden?
Ines Thorn ist es gut gelungen, die vielen Facetten dieser Zeit lebendig und umfangreich darzustellen. Dazu gehören nicht nur die gesellschaftlichen Konventionen und politischen Ereignisse, sondern auch die neu erwachsene Literaturszene, die Kinofilme und die Besonderheiten im Buch-Antiquariat dieser Tage. Besonderes Augenmerk wird auf die Nazivergangenheit gelegt, Onkel Martins Vergangenheit ist damit eng verknüpft. Wir beobachten die historischen Vorgänge der Zeit wie den Berliner Mauerbau und die Studentenunruhen mit und sehen wie Frauen in ihrer Ehe Gewalt angetan und der §175 streng durchgesetzt wurde.
An Christas Seite erlebt man ihr mutiges privates Arrangement der Scheinehe und wie sie sich bei allen Problemen mutig behauptet. Besonders ergreifend ist die herzzerreißende Szene, als Heinz von seinem Vater abgeholt wird und man leidet mit Christa, dass sie später trotz einer eigenen glücklichen Familie immer noch nicht alle ihre großen Wünsche in die Tat umsetzen kann.
Die beruflichen Träume kann Christa teilweise umsetzen, aber ihre Doktorabeit muss sie für die Familie ganz hinten anstellen. Doch sie bringt den nötigen Einsatz und kämpft weiter, das hat mir sehr imponiert und auch ihre ablehnende Haltung gegenüber speziellen Nazis. Die Schreiberfolge von Jago, die Situation auf dem Buchmarkt und das Antiquariat spielen in dem Buch eine große Rolle, die meiner Meinung nach etwas ausufert. Christas Lebensgeschichte hat mich viel mehr interessiert.
Ein vielschichtiger und zeitbeschreibender Roman, der die Themen Selbstverwirklichung von Frauen, Entwicklung des Buchhandels und den politischen Umbruch aufgreift!