Band 4 von 4: 1946/1947 – informativ, bildhaft, mit komplexen Charakteren und rotem Faden
Dies ist der finale Band einer historischen Familiensaga. Der Roman ist (wie auch Band 1 bis 3) so geschrieben, dass man ihn grundsätzlich eigenständig lesen kann. Jedoch muss man dann mit einer beachtlichen ...
Dies ist der finale Band einer historischen Familiensaga. Der Roman ist (wie auch Band 1 bis 3) so geschrieben, dass man ihn grundsätzlich eigenständig lesen kann. Jedoch muss man dann mit einer beachtlichen Figurenanzahl und vielen Querverweisen auf Vorangegangenes klarkommen. Zudem ist man dann gespoilert für die sehr empfehlenswerten Vorgängerbände.
Liebe, Vergangenheitsbewältigung, Familienzusammenführung, Heimat, Gewalt, Flüchtlingshilfe, Politik und Gesellschaft im Umbruch – viele aufregende Themen sind spannend und stimmig kombiniert. Es erfreuen Wendungen und Überraschungen. Der Roman liest sich atmosphärisch, sodass ich mir vor dem inneren Auge alles gut vorstellen konnte. Die Übersetzung hinterlässt gute Eindrücke.
Die Figuren bedeuten mir etwas und lassen mich mitfiebern. Es sind Charaktere mit Ecken und Kanten, mit Egoismen, Makeln und Sehnsüchten. Ghulam - exotisch, politisch engagiert, mit Hang zur Grenzüberschreitung - finde ich besonders reizvoll. Die prickelnde Chemie kommt gelungen rüber. Auch bei Nebenfiguren blitzt Tiefgründigkeit hervor.
Der Informationsgehalt ist hoch. Ich habe viel dazugelernt rund um die Unabhängigkeit und Teilung Indiens sowie um das Leben in Indien (Erscheinungsbild von ländlichen Gegenden und Städten, Fortbewegung, Kommunikation, Arbeiten, Wohnen, Armut, Hierarchien, Bildung, Essen, Kultur, Religion) und England (Essensrationierunen usw.) in der geschilderten Zeitspanne. Super finde ich auch die kursiv gedruckten anglo-indischen Begriffe, die im Anhang erklärt sind – es bildet und verleiht Flair.
Die Einzelbände sind mir jeweils gute 4 Sterne wert, wobei der Sternabzug vor allem daher rührt, dass ich mir manchmal mehr Tempo gewünscht hätte. Mit meiner letzten Rezension möchte ich auf 5 Sterne aufrunden, um den Gesamtprozess zu würdigen: Die familiären und freundschaftlichen Beziehungen werden im Laufe der Saga immer komplexer. Janet MacLeod Trotter schafft es, zwischen den Zeilen Brücken zu schlagen, sodass es einerseits eigenständige Werke sind, andererseits den Fans alle liebgewonnenen Haupt- und Nebenfiguren präsent bleiben. Dabei erlebe ich die Entwicklungen und Reifungsprozesse als absolut stimmig, realistisch und bereichernd. Ich bin vollkommen begeistert, dass anhand eines roten Fadens alle angemessen berücksichtigt werden und dass die Autorin am Ende sogar noch einen Bogen von der 61-jährigen zur 18-jährigen Clarrie aus Band 1 zurückschlägt. Toll ist zudem das Nachwort, in der Janet MacLeod Trotter Verbindungen zur eigenen Familiengeschichte aufzeigt.
Mit dem Ende bzw. den Ausblicken für alle Figuren bin ich sehr zufrieden.
Über weitere Werke in diesem Setting von Janet MacLeod Trotter in deutscher Übersetzung würde ich mich sehr freuen.