Cover-Bild Schizophrenie ist scheiße, Mama!
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16,00
inkl. MwSt
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Themenbereich: Gesundheit, Beziehungen und Persönlichkeitsentwicklung - Umgang mit persönlichen und gesundheitlichen Problemen
  • Genre: Ratgeber / Lebenshilfe
  • Seitenzahl: 266
  • Ersterscheinung: 20.06.2013
  • ISBN: 9783596189144
Janine Berg-Peer

Schizophrenie ist scheiße, Mama!

Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter
»Ihre Tochter hat Schizophrenie!«

Diesen Satz hört Janine Berg-Peer vor 16 Jahren das erste Mal. Von einem Tag auf den nächsten ist nichts in ihrem Leben so wie vorher. Der Kampf einer mutigen und starken Frau um das Wohl ihres Kindes beginnt.
Selbstkritisch und mit großer Offenheit beschreibt sie, wie sie gemeinsam mit ihrer Tochter, manchmal auch gegen sie, lernt, mit deren Krankheit umzugehen.

»Der Boden hat sich unter mir aufgetan. Schizophrenie? Meine Tochter? Das muss das Ende von unserem Leben sein. Die Unsicherheit über die Entwicklung der Krankheit erfasst alles, was ich tue, was ich denke und wie ich mit anderen Menschen kommuniziere. Es gibt keine Verhaltensanleitung für eine Angehörige. Es gibt kein Vorbild. Was darf ich, was mache ich richtig, was falsch? Darf ich überhaupt ein normales Leben weiterleben? Kann ich mich am Leben freuen?«

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2020

sollte Pflichtlektüre für alle in der Psychiatrie Arbeitenden werden

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Ein großartiges Buch. Großartig deswegen, weil es so wichtig ist.

Die Autorin bekommt einen Anruf aus dem Internat, sie möge bitte ihre Tochter abholen. Und damit beginnt ein Alptraum sowohl für die Mutter, ...

Ein großartiges Buch. Großartig deswegen, weil es so wichtig ist.

Die Autorin bekommt einen Anruf aus dem Internat, sie möge bitte ihre Tochter abholen. Und damit beginnt ein Alptraum sowohl für die Mutter, als auch natürlich für Lena, ihre Tochter. Ob es sich dabei um Schizophrenie handelt, oder um eine manisch-depressive Erkrankung mit psychotischen Episoden ist im Grunde nebensächlich (es existieren beide Diagnosen für Lena, was öfter vorkommen kann, wenn man bei verschiedenen Psychiatern ist).

Das Leid der Tochter, ihre Ungeduld, ihre Ängste, ihr Bemühen um Normalität und ihr Scheitern, ihr ausuferndes, lautes irrationales Verhalten, ihre Anschuldigungen (aus Verzweiflung, aus wahnhaftem Erleben heraus), ihr Geld ausgeben, ihre Verwahrlosung - das alles ist für die Mutter nur schwer zu ertragen und auszuhalten. Sie will helfen und unterstützen, sie will das Leid ihrer Tochter lindern und ihr beistehen. Aber wie ? Was kann sie tun ? Was braucht ihr Kind jetzt ? Was ist richtig, was ist falsch ? Völlig allein gelassen von Ärzten und Pflegekräften sucht sie nach Informationen über die Erkrankung und versucht ihr möglichstes, um Lena zu helfen. Sie sucht Wohnungen, wenn Lena wieder rausgeflogen ist, sie gibt ihr Arbeit, sie besucht sie täglich in der Klinik, sie putzt und räumt auf, wenn Lena es nicht schafft, sie versucht sie zu motivieren ihre Medikamente zu nehmen und sie moralisch zu unterstützen und aufzubauen. Sie gibt ihr Bestes. Aber das ist nicht leicht bei so einer Erkrankung.

Viel Zeit und Energie hätte sie sich sparen können, wenn sie von Ärzten und Pflege aufgeklärt worden wäre über die Erkrankung und was sie erwarten kann. Ich arbeite seit 25 Jahren in der Psychiatrie und weiß, dass Angehörige kaum wahrgenommen werden, dass sie in erster Linie gesehen werden, als die, die den Patienten die Sachen bringen (Zigaretten, Kleidung, Geld, Shampoo etc.), dass man sich zu wenig Zeit für sie nimmt und in ihrer Verzweiflung oft alleine lässt. Ich verweise meist auf Angehörigen Gruppen, die bei uns an der Klinik sehr gut sind und wo Angehörige die nötige Unterstützung bekommen, die der Autorin hier so dringend fehlt. In Angehörigen Gruppen erhalten die Eltern/Geschwister/Kinder/ Partner/Freunde nicht nur Psychoedukation, also Aufklärung und Infos über die Erkrankung, die Medikamente und deren Nebenwirkung und wie sie mit dem Patienten und dessen Verhalten umgehen können, sondern auch Unterstützung, Anteilnahme, Entlastung, das Gefühl, sie stehen nicht alleine da, andere machen die gleichen Erfahrungen, Trost Hoffnung und Zuversicht. In den Gruppen berichten Angehörige davon, was bei ihnen geholfen hat, was funktioniert hat und was nicht. Sie werden Schuldgefühle los (Hab ich was falsch gemacht, bin ich schuld, was hätte ich anders machen können, hätte ich sie besser auf der Schule gelassen trotz mobbing, hätte ich strenger sein müssen oder lascher, hätte ich mehr Zeit mit ihm verbringen sollen oder ihm mehr Freiraum gönnen sollen usw.) und können auch ihrem Ärger Luft machen. Manche Erkrankungen z.B. Depressionen können wütend machen und fast alle Erkrankungen lassen einen verzweifeln und lösen Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit aus. Hier kann man sagen, wie man sich fühlt ohne, dass man schief angesehen wird. Hier geht es um einen selbst, nicht um den Patienten, auch wenn über ihn, seine Erkrankung und sein Verhalten gesprochen wird. Es gibt Ratschläge und Infos bzgl. Betreuung, Einweisung oder was man macht, wenn der Sohn sich verbarrikadiert hat, wenn er aus Verfolgungswahn aggressiv wird, wenn er aufgrund von Vergiftungsideen nicht mehr ißt und trinkt, wenn der Mann in seiner Manie alles Geld verschenkt oder sonstwie ausgibt, wenn die Patienten sexuell völlig enthemmt sind und Job, Wohnung etc. verlieren, wenn sie Kontakt abbrechen und nur noch sich zurückziehen und verwahrlosen etc.

An dieser Stelle möchte ich auch auf den Trialog hinweisen, den es in vielen Städten gibt. Dort sitzen Angehörige, Patienten und Profis (Psychiater, Pflege, Sozialarbeiter, Therapeuten) zusammen, ohne miteinander zu tun zu haben . Es sind also nicht die Angehörigen der Patienten, die daran teilnehmen, sondern Fremde. Und dann schildert jeder wie er das Verhalten der Patienten, ihre Erkrankung etc. erlebt. Wären es die Angehörigen des Patienten, wären die Emotionen zu hoch, um informativ seine Sicht der Dinge darlegen zu können, aber auch so erfährt man viel von der Sicht der anderen und versteht so viel besser, warum sich jemand weigert, die Medikamente zu nehmen, warum in der Klinik auf Tagesstruktur Wert gelegt wird, warum die Eltern einen haben einweisen lassen, warum man Nachts alle Möbel auf die Straße räumt, um Angreifer abzuwehren, warum es in der Klinik nachts keinen Kaffee mehr gibt etc. etc. Alle 3 Teilnehmergruppen profitieren enorm von diesem Austausch, der ja auch völlig ohne Schuldzuweisungen abläuft, da die drei sonst nichts miteinander zu tun haben.

Für Profis : Ich finde, dieses Buch sollte jeder, der in der Psychiatrie arbeitet als Pflichtlektüre lesen, egal ob Arzt, Therapeut, Pflege oder Sozialarbeiter. Denn es ist so, wie die Autorin es schildert, die Angehörigen kommen oft zu kurz und werden mit ihren Fragen und Sorgen allein gelassen. Wir versuchen zwar uns Zeit für Angehörigengespräche zu nehmen, aber auf einer Akutstation ist dies nicht immer möglich und so verlieren wir die Angehörigen oft aus dem Blick. Dieses Buch würde uns wieder bewußtmachen, dass wir uns mehr Zeit nehmen (müssen).

Für Angehörige ist dieses Buch auch sehr hilfreich, da sie sich hier sicher wiederfinden werden und merken, sie stehen nicht alleine da. Auch sind im Anhang viele nützliche Adressen und Literatur aufgeführt.

Für Patienten kann dieses Buch auch hilfreich sein, damit sie -ähnlich wie beim Trialog- besser verstehen können, warum Angehörige oder Freunde sie in die Klinik gebracht oder eine Betreuung eingerichtet haben und wie ihre Erkrankung auf Außenstehende wirkt. Vielleicht ermöglicht dies Buch ihnen, mit ihrer Familie ins Gespräch zu kommen, was sie sich in einer Krankheitsphase für sich wünschen, was sie als hilfreich empfinden etc.

Für Nichtbetroffene : Psychische Erkrankungen sind immer noch mit einem großen Stigma behaftet, oft , weil es befremdlich wirkt und Angst macht. Was man nicht versteht, wird abgelehnt. Auch die Autorin stößt -selbst im Freundeskreis- auf Unverständnis, Ablehnung und völlig deplazierte "gute Ratschläge". Dieses Buch gibt einen guten EInblick in die Schwierigkeiten, mit denen es betroffene Familien zu tun haben und ich finde, es ist immer gut seinen Horizont zu erweitern, um mehr Verständnis für andere Menschen zu haben. Also, liebe Leute, lest dieses Buch.

Ich habe schon viel Literatur zu diesem Thema gelesen, sowohl von Patienten selbst, als auch von Angehörigen (auch die Bücher "Der Tag an dem meine Tochter verrückt wurde" und "Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen" sind sehr gut). Dieses hier finde ich aber besonders eindringlich, da es hier wirklich um die Erfahrungen als Angehörige geht und nicht die Erkrankung selbst im Mittelpunkt steht. Und wie gesagt, ich halte es für alle, die in der Psychiatrie arbeiten für ein Muß, damit die Angehörigen und ihre Bedürfnisse wieder mehr gesehen werden. Ich werde es jetzt nachkaufen und allen jungen Kolleginnen schenken.

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