Allgemeines:
Titel: Das Böse in deinen Augen
Autor: Jenny Balckhurst
Verlag: Bastei Lübbe (27. April 2018)
Genre: Psychothriller
ISBN-10: 3404176898
ISBN-13: 978-3404176892
ASIN: B0774RZ3HH
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren
Originaltitel: The Foster Child
Seitenzahl: 432 Seiten
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
11€ (Taschenbuch)
Inhalt:
Niemand hat Angst vor einem kleinen Mädchen, oder doch?
Als die Kinderpsychologin Imogen Reid den Fall der elfjährigen Ellie Atkinson übernimmt, weigert sie sich, den seltsamen Gerüchten um das Mädchen zu glauben. Ellie sei gefährlich, so heißt es. Wenn sie wütend wird, passieren schreckliche Dinge. Imogen hingegen sieht nur ein zutiefst verstörtes Kind, das seine Familie bei einem Brand verloren hat und ihre Hilfe benötigt. Doch je näher sie Ellie kommt, desto merkwürdiger erscheint ihr das Mädchen. Dann erleidet auch Imogen einen schrecklichen Verlust - und sie fürchtet, dass es ein Fehler war, Ellie zu vertrauen -
Bewertung:
Ich lese zurzeit sehr gerne Psychothriller, weil ich einfach fasziniert von dem Dunklen Gruseln der Atmosphäre bin und habe aus diesem Grund auch zum neusten Werk von Jenny Blackhurst gegriffen, von der ich schon viel Gutes gehört habe. Leider konnte mich das Buch nicht gänzlich überzeugen, gerade weil mir das zum Großteil gefehlt hat, was für mich einen Psychothriller ausmacht: der Gruselfaktor.
„Eins zwei, Ellie kommt vorbei.
Drei vier, verschließe deine Tür“
Schon das Cover ist eine Sache für sich. Auf den ersten Blick finde ich es auf schaurige Art wunderschön mit dem filigranen Metallkäfig, den blutroten Rosen und dem schillernden Schmetterling vor verblichener, grauer Tapete. Wunderbar wird hier die Diskrepanz zwischen süßer Unschuld und blutiger Grausamkeit dargestellt. Leider haben weder Blumen, noch ein Käfig noch ein Schmetterling etwas mit dem Buch zu tun. Eventuell könnten die Motive eine schlechte Anspielung auf Ellis in einem Glas gefangene Motte sein, aber ansonsten kann ich mir da keine Verbindung herleiten. Wenn man aber einfach nur die Optik und die atmosphärische Wirkung in Betracht zieht, ist die Gestaltung sehr gut gelungen. Den Titel finde ich gerade im Vergleich zum englischen Original auf den Punkt getroffen, genau wie der Klapptext, der Interesse weckt, ohne zu viel zu verraten. Zur inneren Gestaltung kann ich nur sagen, dass mich die unvollständigen Perspektiven Angaben über jedem Kapitel äußerst verwirrt haben. Über einigen Absätzen steht in kursiver Schrift der Name der erzählenden Person, bei anderen Abschnitten aber nicht. Ob das Absicht ist, weiß ich nicht.
Doch nun zur Geschichte. Nach einem meiner Meinung nach nicht besonders mitreißenden Prolog, der vor allem durch die vielen Namen verwirrt und einen wichtigen Teil der Handlung vorgreift, tauchen wir in das Leben von Imogen Reid ein, die nach 20 Jahren mit ihrem Mann zurück in ihr altes Heimatdorf Gaunt zieht. Die Kinderpsychologin hat dort die schlimmsten Jahre ihres Lebens verbracht und als sie nach dem Tod ihrer Mutter nach so langer Zeit wieder zurückkehrt, scheint das Dorf sie vergessen zu haben, es lauern jedoch immer noch dunkle Schatten in jeder Ecke. Als sie gleich am ersten Tag die 11jährige Ellie Atkinson, die einen Brand überlebt hat, bei der ihre Familie ums Leben gekommen ist, bei einem dubiosen Zwischenfall kennenlernt, erkennt sei sich in dem einsamen, traumatisierten Mädchen wieder und nimmt sich ab sofort ihrer an. Als Pflegekind findet sie zwar physisch ein neues Zuhause bei der Familie Jefferson, durch schreckliche Gerüchte verunsichert und für grausame Zufälle verantwortlich gemacht, steht sie jedoch bald am Rande der Gesellschaft, mit einem Fuß im Abgrund. Imogen ist von der beginnenden Anfeindung und der Hexenjagd entsetzt und versucht alles, um dem Mädchen zu helfen. Und doch kann auch sie nichts gegen ihr mieses Bauchgefühl tun, dass sie vor dem Bösen in den Augen des Mädchens warnt...
„Ellie fixiert Miss Gilbert mit ihren dunklen Augen und würzt ihre Worte mit jeder Unze Hass, die sie in diesem Moment empfindet: „Meinetwegen beobachten Sie mich ruhig, Miss Gilbert. Aber seien Sie vorsichtig, denn ich habe das Gefühl, dass ich noch sehr viel länger hier sein werde als Sie.“
Die Hauptquelle der Spannung der Geschichte ist die Tatsache, dass man bis fast zum Ende ständig hin und her schwankt was Ellies Schuld anbelangt. Zu Beginn erscheint die Angst der Bewohner Gaunts wie eine kleingeistige Überreaktion, denn einem jungen Mädchen vorzuwerfen, es könne mit der Kraft ihrer Gedanken schlimmer Dinge passieren lassen, wenn sie wütend ist, scheint absurd. So denkt auch Imogen, die alle für ihre Ängste verurteilt und eine engere Verbindung zu Ellie aufbaut. Doch mit laufender Handlung werden sowohl wir Leser als auch Imogen immer unsicherer, was ihre Unschuld anbelangt. Ebenso unheimlich wie berührend wird dargestellt, wie die Psychologin zwischen Bauchgefühl und klarem Verstand, Vertrauen und Zweifel, Zuneigung und Angst wankt und in Ellie mit jedem weiteren Menschen, der sie aufgibt, weiter in den Abgrund zu fallen scheint...
"Sie liegen da falsch, wenn Sie denken, dass ich mich Ihrer kleinen Hexenjagd auf ein Mädchen anschließe, das bereits durch die Hölle gegangen ist! Sie alle hier machen mich krank, und ich werde alles tun, was ich kann, damit Ellie vor euch Irren sicher ist!"
Besonders ist an dieser Geschichte auch die kritische Spitze mit der gezeigt wird, wie leicht sich eine ganze Gemeinschaft aufwiegeln, Weltbilder zerstören und Menschen manipulieren lassen und wie leicht Vertrauen durch grausige Zufälle erschüttert werden kann. Doch neben der Ellie-Frage klaffen in dieser Geschichte leider noch sehr viele Lücken auf. Gerade am Anfang werden wir mit lahmem Geplänkel zu unterhalten versucht und werden langsam an die einzelnen Charaktere herangeführt, was sich sehr bald als schwierig herausstellt, da Imogen fast noch mehr Geheimnisse umranken als Ellie und bald klar wird, dass die Psychologin selbst eine Therapie bitter nötig hätte. So stehen wir Leser zwischen unprofessionellen Entscheidungen Imogens, halbgaren Andeutungen über die beiden Hauptcharaktere und gemeinem Mobbing Ellies Mitschüler und werden mit der Frage konfrontiert, wo die Geschichte denn überhaupt hinführen soll.
"Ellie hat Angst: Angst vor den Schreien, die sie geweckt hatten, Schreie, von denen sie nun weiß, dass sie in ihrem Kopf waren, und sie hatte Angst davor, wo sie gewesen war und warum sie sich nicht erinnerte, ihr Bett verlassen zu haben. Und sie hatte Angst davor, was sie getan haben könnte."
Der Schreibstil war zwar flüssig und gut zu lesen, Szenen mit spannendem Gruselpotential werden aber nur mäßig bis gar nicht ausgenutzt um das Rätselraten um die seltsamen Vorfälle aufzupeppen. Die Autorin lässt ihre Charaktere selbst immer wieder Bezüge zu Stephen Kings "Carrie" ziehen, was in eine Mysterythriller Richtung weisen würde. Gerade aber neben einem solchen Kultthrillern fehlte hier einfach die Atmosphäre und auch wenn durchaus Spannung durch die kurzen Kapitel, Szenen- und Erzählerwechsel und hohem Erzähltempo aufkommt, bleiben ein Gruselfaktor und eine grundsätzliche Faszination für die Geschichte aus. Atmosphärisch hätte man hier meiner Meinung nach viel mehr machen können. Gerade auch da durch die psychische Labilität fast aller Protagonisten ein Sympathieträger fehlt und gegen Ende die Story sehr unrund wirkte, kam bei mir das Gefühl auf, als würde irgendetwas fehlen. Sehr schade!
"Man kann nicht immerzu die Welt retten. Manchmal muss man einfach sich selbst retten!"
Fazit:
Ein durchaus interessanter Psychothriller, dem jedoch Atmosphäre und Gruselfaktor fehlen. Schade, dass aus den vielen spannenden Elementen nicht mehr gemacht wurde!