Langweilige Story, flache Charaktere
„Die Täuferin“ ist Band 1 der Freiheitsbund-Saga von Jeremiah Pearson über eine Gruppe der Böhmischen Brüder zu Beginn der Reformation. Zu ihren Grundsätzen gehören die Ablehnung der Kindstaufe und die ...
„Die Täuferin“ ist Band 1 der Freiheitsbund-Saga von Jeremiah Pearson über eine Gruppe der Böhmischen Brüder zu Beginn der Reformation. Zu ihren Grundsätzen gehören die Ablehnung der Kindstaufe und die Glaubensfreiheit generell. Im Buch heißt es außerdem, dass sie vor allem den Menschen niederer Stände das Lesen beibringen, damit jeder selbst in der Bibel lesen kann. Für die katholische Kirche handelt es sich um Ketzerei, welche Verfolgung, Folter und den Tod durch den Scheiterhaufen nach sich zieht. Zu der Gruppe der Böhmischen Brüder gehört unter anderem Kristina, die eine der zwei Protagonisten des Buches ist.
Der andere ist Lud, ein Höriger, der, obwohl er Analphabet ist, einen wachen Verstand besitzt. Er ist seelisch und körperlich von den Pocken gezeichnet, verlor durch sie seine ganze Familie. Der einzige Mensch, der noch eine Bedeutung für ihn hat ist sein Ritter Dietrich Geyer, dem er mit einigen anderen Hörigen zu Beginn des Romans in den Krieg gegen das Osmanische Reich im Donautal folgt. Währenddessen verlässt Kristina mit einigen Glaubensbrüdern und –schwestern ihren Zufluchtsort in dieselbe Richtung, um der Bevölkerung ihre Glaubensgrundsätze näher zu bringen und sie im Lesen zu unterrichten. So kreuzen sich die Wege der beiden.
Zu Anfang möchte ich unbedingt folgende Passage hervorheben, die ich seitdem jedem Buchliebhaber unter die Nase halte:
„Sind Bücher teuer?“
„Ein gutes Buch kostet so viel wie ein guter Dolch.“
Lud blickte seinen Ritter überrascht an. „Nur dass ein Dolch ein Leben wert sein kann.“
„Oh, ein Buch kann viel mehr wert sein als ein Leben. Es kann ein Königreich wert sein. Oder eine neue Welt.“
Das war es dann leider auch schon mit den positiven Aspekten.
Zu Beginn wird der Leser direkt vom Personenverzeichnis erschlagen. Es ist absolut unnötig zum einen so viele Charaktere aufzuzählen, die für die Story insgesamt von untergeordneter Bedeutung sind und zum anderen dann noch für beinahe jeden das Alter und die Familienverhältnisse zu erläutern. Hier hätte sich der Autor gerne auf die wesentlichen Charaktere und ihre relevanten Merkmale beschränken können. Die Charaktere, die eine größere Rolle spielen, entfalten zudem keine wirklich einzigartige Persönlichkeit, sondern bleiben eher flach.
Selten habe ich mich bei einer Rezension bereits mit der Inhaltsangabe so schwer getan, denn es passiert sehr wenig in diesem Buch. Seitenweise werden hingegen die Vergangenheit, sowie die Gedanken der einzelnen Personen beleuchtet. Das geschieht aus kapitelweise wechselnden Perspektiven und nicht nur bei den beiden Protagonisten. Dieses Mittel ist sehr gut geeignet, Einblick in verschiedene Bevölkerungsschichten und deren Motive zu erlangen und daher durchaus gelungen. Es passiert allerdings mehr als einmal, dass ein Kapitel ausnahmsweise spannend endet, das neue Kapitel aber mit weitschweifigen Erinnerungen beginnt. Der zarte Spannungsbogen, der gerade im Entstehen begriffen war, stürzt dabei ins Bodenlose. Vielleicht hat der Autor gehofft, dass der Leser dann umso begieriger weiterlesen würde, um zur Auflösung zu gelangen – zumindest bei mir hat das allerdings gar nicht funktioniert. Als ich endlich erfuhr, wie es weiterging, habe ich mich nicht mehr wirklich gut in die Situation hineinversetzen können. Somit waren die wenigen spannenden Stellen vergeudet. Auf den letzten paar Seiten nimmt die Handlung noch einmal Fahrt auf, vor allem vermutlich um den Grundstein für den 2. Band zu legen. Allerdings reicht das nicht aus, um das Buch insgesamt positiv zu bewerten.
Eine kleine sachliche Anmerkung noch: entgegen des Buchtitels war „Täufer“ zur damaligen Zeit nicht die korrekte Bezeichnung, sondern „Wiedertäufer“. In einer anderen Rezension habe ich aber auch gelesen, dass die Gruppe um Kristina gar keine Täufer/Wiedertäufer sind. Bei dieser Beurteilung muss ich leider mangels Wissen passen.
Zusammenfassend fehlt es einfach an allem, was ich an einem historischen Roman schätze: historische Korrektheit, tolle Persönlichkeiten, eine mitreißende Story. Der Vergleich mit Ken Follett und Noah Gordon ist schlicht eine Frechheit! Eine persönliche Meinung soll natürlich jeder haben, aber wer darf so eine Aussage an so prominenter Stelle schreiben? Zu neu-deutsch würde ich das wohl „Clickbait“ nennen. Wäre das nicht gewesen, würde ich wohl noch 2 Sterne vergeben, jetzt ist es aber nur 1 von 5 Sternen. Ich werde Teil 2 auf keinen Fall kaufen.