Eine verstörend gute Mischung diverser Kurzgeschichten
Meine Meinung
An den fesselnden Erzählungen von Joe Hill, egal ob als Comic oder Buchausgabe, habe ich großen Gefallen gefunden und nachdem mir die vier Novellen in »Strange Weather« mit ihrem Abwechslungsreichtum ...
Meine Meinung
An den fesselnden Erzählungen von Joe Hill, egal ob als Comic oder Buchausgabe, habe ich großen Gefallen gefunden und nachdem mir die vier Novellen in »Strange Weather« mit ihrem Abwechslungsreichtum so sehr zusagten, musste ich unbedingt auch »Vollgas und andere Erzählungen«, die neueste Anthologie, unter die Lupe nehmen.
Das hochwertige Hardcover aus der ›Festa Must Read‹ Reihe enthält dreizehn Kurzgeschichten des talentierten Schriftstellers, sowie ein einführendes Vorwort, dass einem Hills Weg zu seiner Autorentätigkeit teilhaben lässt und einen kleinen familiären Einblick auf das Heranwachsen im Haushalt der Kings gewährt. Besonders toll ist auch das Nachwort, denn hier wird verraten, wie es zu den einzelnen Geschichten kam, von denen die zwei Titel ›Vollgas‹ und ›Im hohen Gras‹ in Zusammenarbeit mit seinem berühmten Vater Stephen King entstanden.
Die titelgebende Biker-Jagd ›Vollgas‹ mit ihrer horrormäßig guten Vater-Sohn-Thematik soll sogar von HBO verfilmt werden und liefert einen rasanten Einstieg in diesen äußerst abwechslungsreichen Erzählungsband, den man am besten in aller Ruhe mit einem Getränk seiner Wahl genießt.
Ein abgefahrener Trip über den Vergnügungsmarkt ist mit ›Das Karussell‹ sicher, in dem man sich zwischen moralischen Fragen in einer äußerst bizarren Geschichte wiederfindet. Aber genau solch kuriose Stories unterhalten mich ungemein und bleiben mir lange im Gedächtnis haften. Wie gut, dass Joe Hill gleich mehr davon auf Lager hat! Denn in ›Wolverton Station‹ wird die Bahnfahrt eines erfolgreichen Geschäftsmannes zu einem gefährlichen Spiel mit Wölfen, die ihn genauso gern zu fressen haben, wie er kleine Unternehmen, die er mit Leichtigkeit vom Markt drängt, oder es wird ein Dinosaurier in ›An den silbernen Wassern des Lake Champlain‹ an den Strand geschwemmt und in ›Faun‹ öffnet sich ein Türchen in eine Welt voller Fabelwesen, auf die reiche Leute gegen eine entsprechend hohe Bezahlung Jagd machen dürfen.
Mein Highlight dieser Sammlung ist das übersinnliche Erlebnis, welches einen in ›Überfällig‹ erwartet. Hier fährt ein besonderer Bibliotheksbus seine Runden, der ein Portal für Menschen ist, deren Ende naht und durch den sie im Gegenzug zu der Rückgabe eines überfälligen Buchs das einzigartige Geschenk erhalten, ein Buch auszuleihen welches erst in ihrer Zukunft erscheinen wird. Diese hat mich mit ihrer Magie unheimlich berührt und ist neben ›Meine Welt dreht sich nur um dich‹ eine der ruhigeren Stories.
Themen wie posttraumatische Belastungsstörungen nach einem Einsatz im Kriegsgebiet werden in (›Daumenabdruck‹) behandelt und die Fabel ›Der Teufel auf der Treppe‹ nimmt sich eine heiße Darstellung der Lebensleiter vor, bei der ein rasanter Aufstieg – quasi vom Tellerwäscher zum Millionär – ein rücksichtsloses Verhalten zugrunde liegt, das voraussetzt für den eigenen Machterhalt und Erfolg über Leichen zu gehen.
Mit erfrischendem Zombie-Horror beschert Joe Hill schließlich in ›Tweets aus dem Zirkus der Toten‹ eine Gänsehaut, welches vor allem durch den eigensinnigen Tweet-Stil hervorsticht und in ›Mums‹ kommt das subtile Grauen in einer sektenähnlichen Gemeinschaft daher, in Neid, Liebe und eine Sohn-Mutter-Beziehung mit kreativen Wendungen den Leser zum Erschaudern bringt.
Natürlich darf auch ein blutiges Horror-Szenario nicht fehlen, dass Hill & King mit der Erzählung ›Im hohen Gras‹ aus einer gewöhnlichen Situation entstehen lassen. Hilferufe aus einem Feld locken hilfsbereite Menschen auf der Durchreise an und werden so in ihr Verderben geführt. Hitze und Durst quellen aus den Zeilen mindestens ebenso erlebbar, wie die verzweifelte Suche nach einem Ausweg.
Lediglich die letzte Geschichte mit dem Titel ›Wir geben sie frei‹, die auf einen Flug mitnimmt während ein dritter Weltkrieg ausbricht, konnte mich nicht so ganz mit sich mitreißen. Hier hat sich die dramatische Spannung für mich in zu viele Kleinteile aufgelöst.
Mit abwechslungsreichen Themen und seinem bildlichen Schreibstil lässt Joe Hill mit seiner Kurzgeschichtensammlung »Vollgas und andere Erzählungen« keine Langeweile aufkommen. Obwohl die meisten Erzählungen gerade einmal zwischen 20 und 70 Seiten umfassen, vermag der Autor mit seiner eindringlichen Sprache zu fesseln. Lapidar gesagt könnte man durchaus behaupten, dass hier der Apfel nicht weit vom Stamm fällt und an Joe Hill ein ebenso meisterhafter Erzählkünstler verlorenen gegangen ist, wie an seinem Vater.
Fazit
Eine verstörend gute Mischung diverser Kurzgeschichten die mit ihrer unheimlichen Intensität zu fesseln wissen. Bizarre, gruselige, spannende, brutale und emotionale Geschichten, die unter die Haut gehen – hier wird für jeden Geschmack etwas geboten!
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 08.08.2021