Lauwarm trotz des guten Erzählers
In „Beste Jahre“ geht es darum wie ein Mann Anfang 40 das Thema Kinderwunsch und späte Schwangerschaft aufarbeitet – und außerdem seine eigene Biographie.
Der Protagonist ist Schauspieler (seinen Namen ...
In „Beste Jahre“ geht es darum wie ein Mann Anfang 40 das Thema Kinderwunsch und späte Schwangerschaft aufarbeitet – und außerdem seine eigene Biographie.
Der Protagonist ist Schauspieler (seinen Namen erfahren wir nicht), er ist an einem Theater in Hamburg engagiert und lebt schon seit vielen Jahren mit seiner Frau Lisa, die ebenfalls Schauspielerin ist, in einer glücklichen Zweierbeziehung. Während sie ihrem Beruf auf der Bühne mit voller Inbrunst nachgehen, ist das private Leben des Paares mittlerweile eher undramatisch – und das ist auch gut so bzw. war gut so. Denn seit sie an den Rand von Bremen gezogen sind haben ihnen ihre dortigen Nachbarn, späte Eltern von Zwillingen vorgemacht, dass ihnen im Leben etwas fehlt: ein Kind.
In Rückblenden erzählt der Schauspieler von seinem Leben und den jüngsten Ereignissen rund um die Entstehung von „Obsklappt“, der Name den sie ihrem ungeborenen Kind scherzhaft gegeben haben. Es wird deutlich wie fragil und artifiziell diese Kindeswerdung, die durch künstliche Befruchtung ermöglicht wurde, in diesem Alter ist. Ein Abenteuer und gleichzeitig eine schicksalhafte Notwendigkeit für diese beiden Menschen, die es sich schon in der Mitte ihres Lebens bequem gemacht haben.
Die Innensicht des Mannes, der immer von außen auf das „Projekt“ Kind schauen muss, er, der wahrscheinlich dafür verantwortlich ist dass es bisher eben nicht geklappt hat, ist das Interessante an diesem Roman. Das Gefühl der Unwirklichkeit und Machtlosigkeit, das durch die Erzählersicht gefiltert wird, kommt sehr gut rüber.
Die eigene bevorstehende Vaterschaft des Schauspielers wird durch zwei Figuren gespiegelt, die keine biologischen Väter sein können: da wäre zum einen der ehemalige Griechischlehrer des Erzählers, der homosexuell ist und durch ein Nahtoderlebnis eines seiner Schüler zu einem ideellen Vater wurde. Zum anderen gehört zu diesen Männerfiguren, die keine Väter sein können sein ehemals bester Freund HC, der ironischer Weise unfruchtbar ist, obwohl er doch als Staatsanwalt und Besitzer einer kindgerechten Immobilie von einem bürgerlichen Wohlstandsaspekt heraus der perfekte Vater wäre und er und seine Frau sich außerdem nichts sehnlicher wünschen.
Hier stellt sich beim Erzähler natürlich die Frage ob die vielfältigen Konstruktionen von Männlichkeit – Macht, Geld, schöne Frauen, (selbst)darstellerisches Talent – letztlich auf die Potenz und die Fähigkeit zum Zeugen herunter gebrochen werden.
In diesem geistigen Spannungsfeld bewegt sich der Ich-Erzähler, der zwischendrin immer wieder seine individuelle Geschichte reflektiert, die sich durch sein Kind gewissermaßen fortschreiben wird.
In diesem Roman ist vieles symbolisch ohne schwer oder unrealistisch zu werden. Der Schriftsteller John von Düffel ist ein Intellektueller und als solcher hat er seinen Roman auch mit kulturellen Referenzen gespickt. Besonders auffällig ist dabei die unglückliche Verliebtheit des Protagonisten in eine Frau aus Stendal, die er während seiner Zeit am dortigen Theater kennenlernt. Dies verweist auf die Biographie des Schriftstellers Stendhal, der sich sein Pseudonym nach einer Verliebtheit in eine Stendalerin zulegte. Mit seiner „Emigration“ in den Osten wird zudem das Thema geteiltes und wiedervereinigtes Deutschland anschnitten. Als „Westler“ im Osten betritt der junge Schauspieler eine exotische Welt, die schnell sein Zuhause wird – bis er wieder in den Westen abberufen wird.
Neben der starken Symbolkraft des Romans fällt auch die elaborierte gehobene Sprache des Buches auf, die aber von einem leicht ironischen Unterton durchzogen wird.
Das Buch ist über große Strecken aus der Ich-Perspektive erzählt, gelegentlich wechselt aber die Erzählweise ins Personale um zum Schluss sogar kurz in eine Du-Perspektive zu verfallen.
Vom (teil überraschenden-teils vorhersehbaren) Ende aus gesehen wirkt das Buch dann doch etwas konstruiert und bekommt durch die Handlungsentwicklung eine unrealistische, fast triviale Note. Ich glaube der Autor wollte den von ihm bisher heraufbeschworenen Realismus seiner Erzählung aufbrechen. Das ist schade, denn von Düffel ist ein toller Erzähler, dessen Sprache eine ganz eigene Kraft entwickelt.