Ein Buch voller Geheimnisse!
Katrin Bursegs „Unter dem Schnee“ hatte mich so beeindruckt, dass ich unbedingt auch ihr neues Werk lesen wollte. Ob die Geschichte wieder ähnlich spannend und geheimnisvoll sein würde wie der vorherige ...
Katrin Bursegs „Unter dem Schnee“ hatte mich so beeindruckt, dass ich unbedingt auch ihr neues Werk lesen wollte. Ob die Geschichte wieder ähnlich spannend und geheimnisvoll sein würde wie der vorherige Roman? Ja, definitiv. Auch wenn das Setting sich nicht mehr voneinander unterscheiden könnte.
Denn diesmal sind wir an der Küste Frankreichs, nahe Bordeaux, in Adas Sommerhaus. Ada und ihr Mann, der bekannte Maler Leo Kwant, hatten es vor vielen Jahren erworben und aus dem verfallenen Häuschen eine beeindruckende Sommerresidenz gemacht. Die jährlichen Feste in La Vague waren legendär. Mittlerweile ist Leo verstorben. Und das Haus droht Opfer des Meeres zu werden. Schon länger weiß Ada, dass sie das Haus aufgeben muss, wenn der Küstenstreifen gerettet werden soll. Und sie macht ihren Frieden damit. Doch vorher möchte sie noch einmal ein Fest dort feiern, so wie damals. Sie lädt ihre Kinder ein, die sogar weit vor dem Termin anreisen. Doch dann brechen nach und nach alte Geheimnisse auf und rütteln an den Grundfesten der gesamten Familie.
Die Grundstimmung in diesem Buch ist einerseits leicht melancholisch, andererseits voller freudiger Erwartung. Doch das ändert sich schnell, je mehr man von der Familie Kwant erfährt und je mehr sich die Geheimnisse Bahn brechen, die Ada jahrzehntelang für sich behalten hat. Ihre drei Töchter finden mit ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten unstimmige Details oder werden durch Einflüsse von außen dazu verleitet, in der Familiengeschichte zu graben. Während der Leser Stück für Stück einen Überblick bekommt, welche Unstimmigkeiten es in der Familiengeschichte gibt und ein Geheimnis nach dem anderen aufdeckt, bleibt den Schwestern vieles verborgen und sie sehen zunächst jeweils nur einen kleinen Teil des großen Ganzen. Doch dann merkt Ada, dass endlich ans Licht muss, was so viele Jahre verborgen war - Stück für Stück enthüllt sie das, was ihre Kinder damals nicht sahen oder nicht sehen wollten und rückt es in ein ganz neues Licht.
Als Fan von Familienromanen und Sagas habe ich Adas Töchter gern dabei begleitet, ihrer Familiengeschichte auf die Spur zu kommen. Die unterschiedlichen Blickwinkel und Lebenssituationen der Frauen haben dabei dazu geführt, dass das Buch und auch die Charaktere an Komplexität gewonnen haben. Während Stück für Stück die Fassade bröckelt, steht man als Leser fassungslos vor dem, was sich da auf einmal offenbart. Dabei spielt die Autorin auch mit moralischen Aspekten, mit der Zuweisung von Schuld, mit entschuldbaren oder auch unentschuldbaren Verhaltensweisen.
Dieses „Aufdröseln“ einer komplexen Familienstruktur war spannend, auch wenn das Buch meiner Meinung nach in der ersten Hälfte noch einige Längen aufwies. Dafür ging es dann in der zweiten Hälfte umso spannender weiter. Wer Familienromane mag und vielleicht auch ein Faible für Frankreichs Küste sowie das Thema Kunst hat, der kann mit diesem Roman nichts falsch machen.