Cover:
Die Frau auf dem Bild spiegelt in meinen Augen die Pandora wieder, die ich zu Beginn der Geschichte kennen gelernt habe. Auch wenn ihr Blick distanziert wirkt und kaum Deutungen ihrer Gefühlslage zulässt, so verrät ihre Körpersprache einiges mehr. Der Mann streicht in einer beschützenden Geste über Kinn und Wangenpartie, die ebenfalls fordernd wirkt. Das Türkis des Buchtitels setzt einen schönen Kontrast zu den verschiedenen Grauabstufungen, ebenso wie die geschwungene Schrift von "allein für dich" und das verblassende Tattoo des Mannes ein schönes Highlight setzt.
Meinung:
Hass ist ein großes Wort und wohl nur anwendbar, wenn man von jemandem verletzt wurde, den man so sehr geliebt hat, dass man alles für ihn getan hätte. Erstmals scheint offensichtlich, warum Pandora Kenna so negativ gegenüber steht, doch erst zum Ende wird offensichtlich, wie viel der damals 17-jährige Teenager durchmachen musste und wie sehr sie daran noch immer zu knabbern hat. Ihr Äußeres passt gar nicht zu dem Gefühlschaos, welches in ihr herrscht und einen verletzlichen Kern enthüllt. Es ist vielmehr eine Maske, die sie durch ihre flapsige Art aufrecht erhält und die Dunkelheit verkörpert, die sich nach ihrem Familiendrama und der plötzlichen Trennung Kennas, in ihr breit gemacht hat.
Es gibt Menschen, die Einfluss auf dein Leben haben. Und dann gibt es Menschen, die zu deinem Leben werden.
Durch Pandora haben wir einen ersten Eindruck von dem Sänger bekommen, welcher durch die Rückblicke durchaus positiv war. Ein aufmerksamer Teenager, der im Gegensatz zu vielen anderen Jungs seines Alters schon mit Reife und Größe beeindruckt, deshalb hat das zweite, negative, Bild so gar nicht zu dem jungen Mann gepasst. Wieso sollte er Pan große Versprechungen machen und dann einfach abhauen ohne sich zu melden, Jahre die verstreichen ohne eine Nachricht von ihm und was soll der Song, der Pan die Schuld an allem zuschiebt? Fragen die ich mir lange Zeit nicht beantworten konnte und seine Reaktionen teilweise überheblich haben wirken lassen, doch auch wenn die Lösung lange auf sich warten ließ, haben Kommentare seinerseits schon verraten, dass auch er Pan für das was geschehen ist, verantwortlich macht. Das Puzzelstück, welches letztendlich alle Teile zusammenfügt, war auf einer Seite ersichtlich und dennoch vollkommen überraschend.
Mit siebzehn hätte ich ihn gebraucht. Mit achtzehn vermisste ich ihn noch immer. Mit neunzehn wollte ich ihn noch immer. Mit zwanzig dachte ich noch immer an ihn. Und dann hörte ich ihn im Radio von mir singen, und von da an wünschte ich, ich wäre ihm nie begegnet.
Das Verhalten von Pandoras Mutter war für mich kaum nachvollziehbar. In ihr vereinen sich die nachvollziehbaren Wünsche einer Mutter und die Härte und Starrsinnigkeit einer Staatsanwältin, sowie die Kälte einer liebenden Ehefrau die allen Anschein nach, schon lange keine glückliche Ehe mehr geführt hat, zumindest keine, die auf Gegenseitigkeit beruht. Auch wenn sie als Staatsanwältin Tag täglich sieht, wie viel böses die Welt bereit hält, so war es doch glaube ich eher die Enthüllung von gleich zwei schrecklichen Nachrichten auf einmal, die sie so blind und abgebrüht gemacht haben. Letztendlich war es nicht nur sie, der das Herz gebrochen wurde, sondern ebenso Pan. Das, was ans Tageslicht gekommen ist, ist ohne Frage schrecklich, vor allem, weil man hier nur spekulieren kann, ob es wirklich so war, wie es ausgesehen hat, aber diese Wut auf andere zu projizieren und ihrer Tochter mit ihrer jungen und aufblühenden Liebe zu Kenna so sehr im Weg zu stehen, kann ich einfach nicht verstehen.
Songs machen Freunde überflüssig. Songs bringen mich dazu, an sie zu denken oder sie zu vergessen.
Kennas Vater hat weiß Gott keine reine Weste, doch heißt das noch lange nicht, dass man ein schlechter Mensch ist, nur weil man schlechte Entscheidungen getroffen hat. Die Frau ist so verbohrt, dass sie noch nicht einmal darüber nachdenkt, Mackenna und seinen Vater kennen zu lernen, geschweige denn ihre Abneigungen ihnen gegenüber zu verbergen. Schon allein Pandoras Angst, dass ihre Mutter erfahren könnte, dass sie mit Kenna eine Beziehung führt, hat der frischen Liebe einen großen Dämpfer verliehen, der insbesondere für Kenna einen immer währenden Schatten dargestellt hat.
Ebenso verwerflich finde ich es, dass sie gleich davon ausgegangen ist, dass Kenna als Sohn genauso "schlecht" ist wie sein Vater und ihrer Tochter nicht würdig. Wie kann man so etwas verallgemeinern? Hätte sie sich nur einmal die Mühe gegeben und offen auf ihre Tochter geblickt, wie fröhlich und ausgeglichen sie damals mit ihm war, dann hätte sie zum Wohle ihrer Tochter einfach mal über ihren Schatten springen sollen und ihr nicht das Glück verwehren, dass sie selber so schmerzlich verloren hat. Doch bleibt es nicht dabei, dass sie diese Verbindung zu unterdrücken versucht, sie nutzt in jederlei Hinsicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel um die Liebe zu boykottieren und jedes Zeichen dieser im Keim zu ersticken. Immer wieder lässt sich Pandora von ihrer Mutter beeinflussen und gibt ihr dadurch immer mehr Macht unter dieser sie eine Entscheidung trifft, deren weitreichende Folgen sie damals noch nicht einschätzen konnte.
>>Genau, was ich hören wollte, nur nicht der richtige Tonfall<<, murmelt er. >>Lass uns das korrigieren, Pink. Ich will, dass du es stöhnst.<<
Für Kenna ist die Musik nicht nur ein Hobby sondern gleichzeitig eine Flucht, ein Anker und ein Verarbeitungsprozess. Mit ihr kann er seine Gefühle ausdrücken, kann sich an die schöne, wenn auch schon damals nicht ganz unbeschwerte, Zeit mit Pandora erinnern und seine Wut, Angst, Trauer sowie Liebe in sie stecken um mit seinen Gefühlen besser zurecht zu kommen. Die Songs der Band 'Crack Bikini' erzählen nicht einfach irgendeine Geschichte, größtenteils berichtet sie über das Leben eines Rockstars, der das Gefühl von Liebe vermisst, welches er so selbstlos gegeben hat.
Mein Vater hat eine zweite Chance, und mir wird auf einmal klar, dass ich auch eine habe. Der Unterschied ist, dass ich meine nicht vermasseln werde.
Kenna und Pan waren damals noch relativ jung, doch auch wenn die beiden in gewisser Hinsicht die Rollen getauscht haben, als es darum ging, ihre Gefühle zueinander offen zu legen, so war doch ersichtlich, dass die beiden eine starke Verbindung zueinander hatten. Pan hat Mackenna zur Seite gestanden, als er damit zu kämpfen hatte, was seinem Vater bevorstand und er hat ihr teilweise distanziertes Verhalten ihm gegenüber toleriert, weil er sie liebt und weiß, wie sich ihre Mutter nach dem Vorfall ihres Vaters verändert hat. Trotz der langjährigen Trennung, bei der Wut auf beiden Seiten eine große Rolle gespielt hat, lassen sich die intensiven Gefühle von damals nicht einfach abschütteln und so kommt es, dass die beiden nicht nur wieder zu sich selbst finden, sondern auch nach und nach wieder Vertrauen zueinander fassen. Bleibt nur noch die Frage, ob sie gemeinsam bereits so stark sind, dass die Enthüllung von zwei Geheimnissen ihrer noch wackeligen Liebe standhält.
Charaktere:
Pandora war vor Kenna ein einsames und verschlossenes Mädchen, deren strenge Eltern beide Workaholic waren und große Erwartungen an sie gesetzt und versucht haben, sie von jeglicher Form schlechten Einfluss fernzuhalten - der Kenna in den Augen ihrer Mutter war. Nach dem Drama mit ihrem Vater, hat Pan damit begonnen, ihre Gefühle zu unterdrücken, bis sie es nach der plötzlichen Trennung von ihrem Freund vollkommen aufgegeben hat, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Sie hasst Mackenna, doch wie sieht es aus, wenn sie ihn nicht mehr nur im Stillen hassen kann, sondern ihm wieder gegenübersteht und die Vergangenheit erneut aufkocht?
Mackenna hat als Teenager alles geliebt, was ihn das schlechte in seinem Leben vergessen ließ - Gedichte, Songs, Klavier, Schlagzeug, Melodien und natürlich seine Pandora. Er hat sie aus zwei Gründen verlassen und dennoch haben seine Gefühle niemals an Intensität verloren. Wird es er schaffen, den Forderungen nachzukommen, die von mehreren Seiten an ihn gestellt werden oder wirft Pan all seine Vorsätze über Bord?
Schreibstil:
Katy Evans ist ein Naturtalent, wenn es darum geht, ihre Leser von der ersten Seite an in ihren Bann zu ziehen. Mit diesem Band hat uns die Autorin nochmals eine etwas andere Welt eröffnet, denn im Gegensatz zu den Vorgängern, herrscht hier keine Brutalität oder Gefahr. "Ripped" ist ein Kampf gegen die Vergangenheit und denjenigen zu trotzen, die das Leben eines anderen zu ihren Gunsten beeinflussen wollen.
Die Zeichnung der Charaktere, sowie die sprachliche Ausarbeitung ist ein fesselndes Spiel, ebenso wie das Wiedersehen mit Melanie, Brooke und Remy, vermittelt die besondere Atmosphäre gleich das Gefühl, wieder in eine vertraute Welt einzutauchen. "Ripped" ist ein Buch, welches ich mit Sicherheit noch oft lesen werde. So schön die Geschichte von Mackenna und Pandora auch ist, finde ich sie im Vergleich zu den anderen Bändern etwas schwächer. Bisher war das Markenzeichen von Katy Evans ein perfekter Mix aus Gefahr, Gefühlen & Erotik - während der Fokus hier auf der emotionalen Ebene liegt und der Entwicklung dieser. Die Verknüpfung von Hass, die auf Liebe beruht, war nicht minder eindrucksvoll, doch tanzt der "harmlose" Sänger im Gegensatz zu den vorherigen männlichen Protagonisten die die Gefahr nahezu angezogen haben, für mich ein wenig aus der Reihe.
Mit den Kapiteln wechselt auch die Sichtweise, sodass wir in die Köpfe und Gefühlswelt beider Protagonisten eintauchen können, besonders bei Mackenna hat mir das geholfen, meinen anfänglich leicht "negativen" Eindruck über ihn schnell zu zerstreuen. Die Kapitelüberschriften geben uns schon einmal einen kleinen Hinweis, was uns als nächstes erwarten wird, was mir sehr gefallen hat, denn aus ihnen konnte man ebenfalls erahnen, wie die Stimmung der Protagonisten ist und das uns wieder ein Schlagabtausch der besonderen Art bevorsteht ;)
Pans kleine Cousine Magnolia, hat hier eine wichtige Rolle eingenommen, die vielen Situationen den perfekten Schliff verliehen hat. Mit ihrer kindlichen Art, mit der sie noch alles positiv betrachtet, erinnert sie Pan an sich selbst und an ihre unbeschwerte Zeit damals. Diese kleine Persönlichkeit hat glaube ich dazu geführt, dass Pan es niemals ganz geschafft hat, ihre Gefühle abzuschalten und es dadurch erst ermöglicht, dass sie sich Kenna gegenüber wieder öffnen kann.