Weihnachtswunder
Das alteingesessene „Walthers“ ist der Inbegriff von Köstlichkeiten in Berlin– Leckereien, die schon liebevoll im Schaufenster platziert werden, verführen zu einem Besuch des Geschäftes ein. Hier arbeitet ...
Das alteingesessene „Walthers“ ist der Inbegriff von Köstlichkeiten in Berlin– Leckereien, die schon liebevoll im Schaufenster platziert werden, verführen zu einem Besuch des Geschäftes ein. Hier arbeitet die alleinerziehende Mutter Amelie als Zweitjob für einige Stunden, nachdem sie in der Nacht schon eine Stelle als Reinigungskraft erledigt hat und bevor sie ihren Sohn Elias zur Schule bringen kann. Und Elias‘ Brief an den Weihnachtsmann muss noch dringend versandt werden. Doch Amelie kann ihn nicht wiederfinden. - Der Musiker und Komponist Sasse lebt allein in einer riesigen Villa, in der er sich verschanzt, um für das Weihnachtskonzert ein Werk zu komponieren. Doch er hasst Weihnachten und vor allem den Weihnachtsmarkt vor seiner Haustür, bei dem Krach kann er nicht denken, geschweige denn Noten zu Papier bringen. Dabei wird es höchste Zeit, denn Weihnachten naht und Sasse hat noch keine Idee. Da helfen auch die Leckereien von Walthers nicht weiter, die er sich gönnt. - Agnes ist verwitwete Rentnerin, die nicht genügend Geld hat, um den Umzug in eine kleinere Wohnung zu finanzieren. Als sich ihre Freundin Marga das Bein bricht und ihre Stelle als Haushälterin bei Herrn Sasse für einige Zeit nicht ausführen kann, bekommt Agnes die Chance, Marga zu vertreten und sich so etwas dazu zu verdienen. Ob Weihnachten dieses Jahr ausfällt oder geschieht noch ein Wunder?
Kerstin Hohlfeldt hat mit ihrem Buch „Bevor die Stadt erwacht“ einen wunderschönen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser genau in die richtige Weihnachtsstimmung versetzt. Der Schreibstil ist flüssig, dabei warmherzig und leise, so dass er direkt mitten ins Herz trifft. Die Örtlichkeiten sind sehr bildhaft beschrieben, allein das Schaufenster von „Walthers“ beschwört Bilder von schokoladigen Köstlichkeiten herauf, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Die Autorin bedient sich zudem verschiedener Themen wie Migranten, Rentnerdasein, Alleinerziehende sowie Armut, die sie geschickt in ihrer Handlung unterbringt und miteinander verbindet.
Die Charaktere sind wunderschön ausgearbeitet und in Szene gesetzt worden. Sie wirken alle wie aus dem realen Leben aufgrund ihrer verschiedenen Lebenssituationen und gerade das macht sie so authentisch. Amelie ist eine sympathische Frau mit positiver Ausstrahlung. Sie vermittelt Wärme und Zuversicht, obwohl sie vor allen etwas verbirgt, sogar vor ihrem Sohn. Elias ist ein aufgeweckter Junge, der für sein Alter schon recht selbständig ist und sich auch an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen kann. Agnes ist eine echte Berliner Pflanze mit dem Herz am rechten Fleck und einer frechen Schnauze, die jedoch nie verletzt, sondern die Wahrheit offen ausspricht ohne jegliche Schnörkel. Sasse ist ein gesetzter Herr, der von Kindheit an Luxus gewöhnt ist. Er ist sehr eigen und hat nur wenig Verständnis für die Menschen in seinem Umfeld, wähnt er sich doch in anderen Sphären. Doch gerade bei ihm erlebt der Leser eine große Entwicklung innerhalb der Geschichte. Manchmal braucht es einfach Menschen, die einen daran erinnern, was die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind. Auch die anderen Protagonisten wie Agnes‘ Freundinnen, Amelies Arbeitskolleginnen oder die jungen Migranten Moses und Kofi geben der Handlung einen bunten Strauß voller schöner Nebengeschichten, die am Ende zu einem wunderschönen großen Ganzen führen.
„Bevor die Stadt erwacht“ ist ein modernes und warmherzig erzähltes Weihnachtsmärchen, das keines bleiben muss, denn überall könnte es sich zu dieser Zeit so zutragen. Es wäre uns allen zu wünschen, dann wäre die Welt auf einen Schlag um vieles besser, denn: „man hört nur mit dem Herzen gut…“. Hier kann es nur eine absolute Leseempfehlung geben!