lesenswert
„Aurora“ von Kim Stanley Robinson ist mal wieder ein Roman, der die SF-Gemeinde in ihren Beurteilungen in zwei Lager zu spalten scheint. In die, die in loben und die, die vermelden, dass sie etwas ganz ...
„Aurora“ von Kim Stanley Robinson ist mal wieder ein Roman, der die SF-Gemeinde in ihren Beurteilungen in zwei Lager zu spalten scheint. In die, die in loben und die, die vermelden, dass sie etwas ganz anderes erwartet hatten und mit dem Leseerlebnis unzufrieden waren. Ich hatte den Vorteil, dass ich schon mit dieser Ausgangslage vertraut war, als ich zu lesen begann und meine Erwartungen deshalb schon entsprechend heruntergefahren waren. Umso mehr freut es mich, dass mir das Buch gefallen hat.
Für die Negativ-Fraktion:
Ja, es ist kein SF in dem viel passiert. Weder gibt es gefährliche Aliens oder andere exotische Wesen, noch kommt es zu Weltraumkämpfen, explodierenden Raumstationen und atemberaubender Action. Vielmehr legt Robinson Wert auf einen plausiblen und aus der Erfahrung anderer Kolonisationsversuche hergeleiteten Ablauf der Geschehnisse. Schon durch die zu bewältigende Entfernung zwischen Erde und neuem Planeten (Mond) ergibt sich eine lange Anreise und er nimmt sich die Zeit, diese zu beschreiben und dabei die verschiedenen Charaktere und die Schwierigkeiten mit Mensch und Technik aufzuzeigen. Bemängelt wird außerdem, dass der Autor der Eroberung ferner Welten skeptisch gegenüber steht und ganz allgemein an den Fähigkeiten der Menschheit zur leichten Aklimatisierung und Eingewöhnung auf neuen Planeten zweifelt. Letzteres ist aber eine legitim vertretbare Meinung und sie wird in dieser Geschichte durch logische und nachvollziehbare auch dramatische Geschehnisse durchaus als berechtige Frage in den Raum gestellt. (Wenn ich z.B. an Mark Watney denke, hatte ja der auch seine Schwierigkeiten mit dem Mars.)
Für die Pro-Fraktion:
Der Autor verwendet viel Liebe, um seine Figuren intensiv und geschickt aufzubauen. Da die Menschen auf dem Raumschiff sich mehrere Lichtjahre von der Erde fortbewegen und nicht nur gänzlich auf sich allein gestellt sind, sondern dies auch über mehr als eine Generation, ist für mich schon der Weg fast das Ziel. Der Klappentext verspricht also etwas, was erst relativ spät im Buch eintrifft, nämlich der Versuch, den fremden Planeten zu kolonialisieren. Und dann läuft auch nicht alles so, wie die Menschen und der Leser es sich vielleicht vorstellen. Dabei nimmt das Buch leicht epische Züge an und der Autor schreckt auch nicht davor zurück, wichtige Akteure sterben zu lassen und der Geschichte so mehr als einmal eine unvorhergesehene Wendung zu geben. Aber gerade das hat mir besonders gefallen. Die Unvorhersehbarkeit der Handlung, der man über weite Strecken gar keine Überraschungen zutrauen würde, da sie ruhig und fast gemütlich daherkommt.
Fazit:
Mich hat der Erzählstil gefangen genommen. Die Charaktere waren glaubwürdig und wecken Empathie. Es ist ein Buch, welches nicht durch knisternde Spannung besticht, sondern durch eine nachdenkliche, nachhaltige Langsamkeit. Es war mein erstes Buch von Robinson ich fasse jetzt aber die Mars-Bücher ins Auge.