Emanzipation auf einer abgeschiedenen norwegischen Insel
Beschreibung:
Ein gewaltiger Sturm zieht am Weihnachtsabend 1617 an der Küste von Vardø auf und reißt die Männer der Insel, die gerade zum Fischen aufgebrochen sind in die Tiefe. Die Frauen des abgeschiedenen ...
Beschreibung:
Ein gewaltiger Sturm zieht am Weihnachtsabend 1617 an der Küste von Vardø auf und reißt die Männer der Insel, die gerade zum Fischen aufgebrochen sind in die Tiefe. Die Frauen des abgeschiedenen Ortes bleiben auf sich alleine gestellt zurück. Maren hat im Sturm Vater, Bruder und Verlobten verloren und muss nun zusammen mit ihrer Mutter und der schwangeren Schwägerin ums Überleben kämpfen.
Drei Jahre nach der Katastrophe wird auf Geheiß des norwegischen Königs ein Kommissar nach Vardø gesandt, der schon in Schottland Hexen verbrannte und nun auf der abgelegenen Insel für Ordnung sorgen soll. Ursa, die frisch angetraute Frau des Hexenjägers, begegnet auf Vardø zum ersten Mal in ihrem Leben unabhängigen Frauen und lernt unter welch harten Bedingungen diese ihre Leben meistern. Ihr Mann sieht jedoch nur eines – die Sünde der indigenen Völker und die Hexerei, die es auszumerzen gilt.
Meine Meinung:
Die britische Schriftstellerin Kiran Millwood Hargrave legt mit »Vardø – Nach dem Sturm« einen historischen Roman vor, der mir tief unter die Haut gegangen ist.
Schauplatz ist die titelgebende Insel Vardø in der Finnmark, vor deren Küste es am 24. Dezember des Jahres 1617 tatsächlich einen heftigen Sturm gab. Noch im selben Jahr erließ König Christian IV. ein Dekret gegen Hexerei und schwarze Magie, welches verstärkt Hexenverfolgungen in Dänemark, Schleswig-Holstein und Norwegen nach sich zog. Auch die Bestimmung des Lensmanns John Cunningham und die Aussendung des schottischen Kommissars Absalom Cornet, um den Klerus in die Finnmark und nach Vardø zu bringen, vor allem um dort gegen das indigene Volk der Sámi vorzugehen, die mit ihren Runen und Trommeln als Windzauberer verunglimpft wurden, beruht auf einer wahren Begebenheit.
Doch bevor die Schrecken der Inquisition auf Vardø um sich greifen und die Spaltung der Frauen-Gemeinschaft für gegenseitige Denunziation aus Missgunst, Neid und Rachsucht sorgt, wird den Leser*innen zunächst die Frauengemeinschaft, insbesondere die zwanzigjährige Maren und deren harte Lebensbedingungen näher vorgestellt.
Im kontrastreichen Gegensatz dazu steht die junge Frau Ursa, die mit ihrer kranken Schwester bei ihrem liebenden Vater in Bergen zu einer feinen Dame heranwächst, und in der Hoffnung auf ein besseres Leben mit dem angehenden Kommissar Absalom Cornet verheiratet wird. Schonungslos bekommt sie ihre untergeordnete Stellung als Frau zu spüren, und erträgt die ehelichen Pflichten, denen es an Zärtlichkeiten und Liebe fehlt.
Auf Vardø treffen die grundverschiedenen Frauen Maren und Ursa aufeinander. Da die bergische Schönheit in keinster Weise auf das entbehrungsreiche Leben vorbereitet ist und nicht die nötigen Fertigkeiten mit sich bringt, um den Haushalt führen zu können, holt sich diese Hilfe bei Maren. Zwischen den Frauen entsteht eine feste Freundschaft, die ihnen Halt gibt und den Nährboden für tiefere Gefühle bereitet.
Kiran Millwood Hargrave hat mich mit der einnehmenden Geschichte über die starken Frauen von Vardø und die Gräuel der Hexenverfolgung durchweg gefesselt. Erschreckend und tief berührend fasst die Autorin die Angst vor dem Klerus in ihren Zeilen ein und sorgt für pure Gänsehaut.
Fazit:
Dieser Roman ist so stürmisch und aufwühlend wie die raue See. Kiran Millwood Hargrave veranschaulicht in »Vardø« wie die frühzeitige Emanzipation auf einer abgeschiedenen norwegischen Insel mit der Hexenverbrennung zusammenhängt und wie Freundschaft und Liebe gegen alle Gräuel bestehen.