Cover-Bild Nietzsche – sein Denken und dessen Entwicklungspotentiale
Band 22 der Reihe "ALV-Schriftenreihe"
19,90
inkl. MwSt
  • Verlag: Angelika Lenz Verlag
  • Themenbereich: Philosophie und Religion - Philosophie
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 259
  • Ersterscheinung: 10.03.2017
  • ISBN: 9783943624342
Klaus Wellner, Endre Kiss, Cristiana Senigaglia, Tilo Klaiber, Christian Niemeyer, Peter André Bloch

Nietzsche – sein Denken und dessen Entwicklungspotentiale

Teil III
Klaus Wellner (Herausgeber)

In der Zeit vom 7. bis zum 9. Juni 2012 führten Prof. Dr. Endre Kiss und Dr. Klaus Wellner ein Symposion über Nietzsche in Münstertal durch. In dem Kloster St. Trudpert stellt das dortige Gästehaus Tagungsräume zur Verfügung. Die Veranstalter knüpften damit an die erfolgreichen philosophischen Symposien von 2009 und 2010 an. Wie bisher hatte man sich die Aufgabe gestellt, dass jeder Teilnehmer ein ihm wichtiges Thema bei Nietzsche so behandeln sollte, dass zusätzlich zu einer werkimmanenten Interpretation auch ein Blick auf die weiteren Entwicklungen dieses Bereiches in Wissenschaft und Philosophie geworfen wird oder aber durch Nietzsches Philosophieren angeregte Fragen weiterverfolgt werden. Auch dieses Mal werden zu Aufsätzen erweiterte Beiträge in einem Sammelband publiziert. Ein kurzer Hinweis auf die Absichten der Autoren soll die Neigung von Lesern zur Lektüre beflügeln.
Klaus Wellner setzt sich mit Der ewigen Wiederkunft des Gleichen mit einem Blick auf die Thesen der modernen Physik auseinander. Zunächst werden die verschiedenen Formen erörtert, in denen Nietzsche diese Lehre in seinem Werk präsentiert. Es wird ausgeführt, dass im Unterschied zu meist vertreten Meinungen in der Zeit Nietzsches die führenden Physiker die grundsätzliche Möglichkeit einer Wiederkehr des Universums nicht ausgeschlossen haben. Wie sich das Problem in der modernen Astrophysik und Quantenphysik darstellt, wird berichtet. Angesichts der Paradoxien der modernen Quanten- und Astrophysik wirkt die Wiederkunftslehre Nietzsches geradezu harmlos. Zum Schluss wird die damit völlig veränderte Situation in Bezug auf unsere Haltung zum eigenen Dasein reflektiert.
Endre Kiss befasst sich mit Vita femina – Rekonstruktion von Friedrich Nietzsches Liebesphilosophie. Liebe ist ein besonders geeigneter Themenkreis für die Anwendung der Errungenschaften der philosophischen Revolution durch Kant. Erotik und Erkenntnis bilden einen gemeinsamen Bereich. Die auf die Wahrheit-Weib-Metapher gegründete Liebesphilosophie entzaubert die Liebe, durch dieselbe Metapher erschafft sie aber auch die Möglichkeit, die Liebe wieder mit einem neuen Zauber zu versehen. Typen der Liebesphilosophie aus Nietzsches ganzem Werk werden aufgesucht. Die Identität von Weib und Wahrheit gilt auch als Symbol einer möglichen und schon utopischen Einheit von Natur und modernster Zivilisation.
Cristiana Senigaglia widmet sich dem Thema: Entgrenzung der Kulturen und Kultur der Entgrenzung bei Nietzsche. Der Begriff Entgrenzung gehört nicht zu Nietzsches gebräuchlichen Ausdrücken: Er schildert vielmehr ein in der heutigen Gesellschaft auftretendes Phänomen, das mit der Globalisierung verbunden ist und die Verflechtung der Kulturen sowie der ökonomischen und gesellschaftlichen Prozesse und sogar der Künste und Ausdrucksformen beschreibt. Mit weitblickendem Auge hat Nietzsche die Richtung dieser Entwicklung aufgespürt. Parallel dazu ist der Mensch auch mit einer Erweiterung der Horizonte konfrontiert, die sich durch die Entwicklung der Verhältnisse und Lebensstile in der modernen Zeit ergibt.
Tilo Klaiber nimmt sich die Arbeit eines der herausragenden Vertreters angelsächsischer Moralphilosophie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Bernard Williams, unter dem Thema: Innere Notwendigkeit statt Moral? Bernard Williams domestizierter Nietzscheanismus vor. Williams ist in vielen Zügen stark von Nietzsche inspiriert. Unter Heranziehung eines genealogischen Verfahrens wird eine Umwertung der Werte der Wahrheit sowie der Tugend der Wahrhaftigkeit vorgenommen. Bei einem Autor, der sich dem Lager der analytischen Philosophie zurechnete, mag eine Affinität zu Nietzsche wundernehmen. Damit wird eine um Radikalismen und Outriertheiten verkürzte, dabei gleichwohl affirmative Fortführung von Nietzsches Ideen vorgelegt.
Christian Niemeyer setzt sich mit Ecce homo unter dem Thema: Ein Monument wird demontiert: Nietzsches Ecce Homo in kritischer Sicht auseinander. Nietzsches Autobiographie ist einer der anspruchsvollsten Texte der Weltliteratur und stand früh unter Pathologieverdacht. Tatsächlich mahnt es zur Vorsicht, dass Nietzsches Psychologie der Philosophen auch auf ihn selbst Anwendung erfahren könne. Andreas-Salomé lag mit diesem Vorgehen im Prinzip nicht falsch und kontrastiert mit der Erklärung Nietzsches, wonach die Frage nach dem Verstanden- oder Nicht-verstanden-Werden seiner Schriften durchaus noch nicht an der Zeit sei, was aber auch für Verwirrung gesorgt hat.
Peter André Bloch vergleicht Nietzsche und Dürrenmatt unter: Nietzsches und Dürrenmatts Konzeption des „Neuen Menschen“. Konstruktion und Auflösung des unabhängig denkenden und verantwortlich handelnden Individuums. Jeder Autor hat seine Anschauungen und seine Wirkungsgeschichte. Es ist interessant, sie in diesem Rahmen bezüglich des Neuen Menschentums zu vergleichen. Was heißt Würde, Wahrheit, Selbstverwirklichung? Welches sind ihre Perspektiven und Visionen, ihre entsprechenden Darstellungsmittel und Gestaltungsformen? Trotz der Unterschiede spiegelt sich in ihnen die Wende des Denkens von einem theozentrisch-metaphysischen Weltbild zu einem rein innerweltlich-naturwissenschaftlichen. In einem versuchten Überblick werden die Positionen verglichen. Dürrenmatt macht als Dramaturg in Achterloo das Gegenteil von Nietzsche. Während dieser am Übermenschen arbeitet, löst Dürrenmatt Theaterfiguren fortwährend in einzelne Ich-Perspektiven auf, die sich verselbstständigen, dann aber wieder ins Spiel zurückfinden. Hierzu sind Zeichnungen von Dürrenmatt beigefügt.
An dieser Stelle soll den Teilnehmern für ihren geistigen und auch materiellen Einsatz noch einmal gedankt werden, da auf diese Weise nicht nur bereichernde Gespräche stattfinden konnten, sondern auch wieder ein Buch mit Aufsätzen erscheinen kann. Auch bin ich meiner Ehefrau Inghard Wellner zu besonderem Dank verpflichtet, weil sie mich bei der Herstellung der Druckversion umfangreich unterstützt hat. Es bleibt nur noch zu wünschen, dass die vorgelegten Arbeiten in dem Kreis der Nietzsche-Leser ihre Wirkung zeitigen werden.

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