Vom Glück der Zufriedenheit
„Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben“ von Kristina Günak ist ein lockerer, unterhaltsamer Roman, dessen Kernthema „Reduktion“ zum Nachdenken anregt.
Worum geht es?
Die Journalistin Ella Mohnbaum ...
„Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben“ von Kristina Günak ist ein lockerer, unterhaltsamer Roman, dessen Kernthema „Reduktion“ zum Nachdenken anregt.
Worum geht es?
Die Journalistin Ella Mohnbaum hat nach ihrer Scheidung das Haus verkauft, ihre erwachsenen Söhne sind in eine WG gezogen. Ihr Plan: sich total zu reduzieren, auf ein Jahr in ein Tiny House zu ziehen und darüber eine Doku zu drehen. Doch dann kommt alles ganz anders …
Das Cover ist unspektakulär, ganz schlicht gehalten, symbolisiert das einfache Leben in einem kleinen Häuschen mitten unter viel Natur. Das Buch erschien 2024. Die kurzen Kapitel tragen Überschriften, verfügen weder über Orts- noch über genauere Zeitangaben. Die Handlung spielt in der Gegenwart, man begleitet die Protagonistin ein Jahr lang bei ihrem Projekt. Der Schreibstil ist flüssig, locker und humorvoll. Die Kernthematik, mit so wenig materiellem Besitz wie möglich auszukommen, nachhaltiger zu leben, regt zum Nachdenken an. So nebenbei erfährt man so einiges über biologischen Obstanbau.
Sehr anschaulich erlebt man Ellas mutigen Umstieg mit. Trennen, Loslassen, Alleinsein, all das fällt ihr doch nicht so leicht, wie sie dachte. Im Laufe der Handlung macht sie eine Wandlung durch. Nach und nach findet sie zu sich selbst, was in ihrem bisherigen Leben, das geprägt war von beruflichem Stress und familiären Alltagsverpflichtungen, nicht möglich war. Anfangs fühlt sie sich manchmal einsam. Es dauert einige Zeit, bis sie in die kleine Gemeinschaft integriert ist. Sie findet letztlich nicht nur Hilfsbereitschaft, sondern wahre Freunde und eine neue Liebe. Somit läuft ihr Projekt darauf hinaus, dass es nicht so sehr um Verzicht geht, sondern eher darum Neues zu entdecken, vor allem den Wert von Gemeinschaft und Freundschaft. Denn das berührte mich an der Geschichte am meisten: der Zusammenhalt dieser kleinen Gruppe, die aus durchwegs unterschiedlichen Charakteren besteht. Man zeigt Verständnis füreinander, übt Toleranz, zeigt Mitgefühl, packt gemeinsam mit an und hält in Krisen fest zusammen.
Die Handlung verläuft anfangs eher ruhig. Ab etwa der Hälfte wird es abwechslungsreicher, weil einerseits die übrigen Bewohner der Tiny House-Siedlung anhand ihrer Lebensgeschichten an Struktur gewinnen, andererseits wird es emotioneller, weil Trauer und Liebe ins Spiel kommen und dramatische Ereignisse für Spannung sorgen. Vor allem das beschriebene Hochwasser war aufgrund der aktuellen Überschwemmungen in Österreich für mich sehr intensiv nachfühlbar.
Es sind lauter sympathische Menschen, die diesen Roman bevölkern. Man fühlt sich beim Lesen in ihrer Gesellschaft auch sehr wohl, in all der Harmonie versinkt man in einer scheinbar heilen Welt, in der nach dem Motto „Alle für einen“ jede Krise bewältigt werden kann. Die Charaktere sind gut vorstellbar und lebendig gezeichnet, insbesondere die Hauptgestalten zeigen Stärken und Schwächen und Emotionen. Trotzdem wurde ich mit Ella nie richtig warm. Mich persönlich beeindruckte zwar die mutige Entscheidung der Protagonistin, identifizieren konnte ich mich jedoch weder mit der Person Ella noch mit der gesamten Handlung, mit diesem „einfachen“ Leben. Vermutlich weil es meinem Wesen so gar nicht entspricht. Auch die Entwicklung der Liebesbeziehung hat mich nicht völlig überzeugt. Dennoch kam letztlich die finale Aussage des Romans, dass man Glück und Zufriedenheit im Weniger findet (Seite 291), bei mir an.
Das Buch ist lesenswert und anregend, sich darüber Gedanken zu machen, wie viel überflüssige Dinge man eigentlich besitzt und ob man nicht mit weniger Kram besser leben könnte.