Als New Adult Leser, kommt man momentan an diesem Buch wohl nicht vorbei. Es ist in aller Munde und auf jedem Bild bei Instagram zu sehen. Natürlich musste ich das neue Buch von Laura Kneidl auch lesen.
Das Cover ist ein absolutes Highlight. Die Farben, der schlichte Farbnebel und der Schriftzug sind einfach perfekt und ein richtiger Hingucker. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick (wie bei 90% der LYX Titel).
Durch den Hype hatte ich mal wieder ziemlich hohe Erwartungen und betrachte das Buch zum Teil wohl auch kritischer. Laura hat einen schönen Schreibstil, jedoch zog sich der Anfang der Geschichte mal wieder wie Kaugummi. Kapitel lang passierte nicht wirklich etwas aufregendes, teilweise drehte sich die Geschichte im Kreis. Natürlich muss man die Figuren erstmal kennenlernen, dennoch hätte man wohl die ein oder andere Szene kürzen oder streichen können. Micah sucht nach ihrem Bruder, hasst ihr Jura Studium, geht zu Verabredungen mit ihren Eltern, liebt es zu zeichnen und Graphic Novels zu lesen und sie unternimmt Sachen mit ihren Freundinnen. Außerdem hat sie sich in ihren Nachbar Julian verguckt und möchte mehr über ihn erfahren. Tja und diese Elemente wiederholen sich wieder und wieder. Es ist ja schön und gut, dass ihr z.B. Comics und Graphic Novels gefallen, aber irgendwann hatte ich keine Lust mehr immer wieder das Gleiche zu lesen.
Während mich der Handlungsverlauf eher frustrierte, konnte mich der Schreibstil mal wieder überzeugen. Die sprachliche Gestaltung ist flüssig und leicht verständlich. Man ist sofort im Geschehen dabei. Manche Dialoge/Szenen waren mir aber zu „jugendlich“ gestaltet. Beendet wirklich jemand seine Nachrichten mit „xoxo“? Ich bin ein Fan von abwechselnden Erzählperspektiven, jedoch wird alles nur aus Sicht von Micah erzählt. Zwar hätte man das Geheimnis um Julian sonst nicht so raffiniert einbringen können, jedoch hatte ich Probleme mit Micah warm zu werden.
Micah war mir nicht unsympathisch, aber wirklich gefallen hat sie mir auch nicht. Das lag teilweise, wie oben erwähnt an den etwaigen Wiederholungen, andererseits konnte ich ihr Verhalten auch nicht immer nachvollziehen. Am Anfang mutiert sie regelrecht zum Starker nur damit sie ein bisschen Zeit mit Julian verbringen kann.
Als sie Julians Geheimnis (nach unendlich vielen Seiten) erfährt, reagiert sie durchaus lobenswert, jedoch fand ich ihre Reaktion etwas unglaubwürdig. Im wahren Leben würde wohl niemand so ruhig bleiben und es könnte auch längere Zeit dauern um alles zu verarbeiten. Etwa 5 Seiten nach der großen Offenbarung ist dann auch alles wieder normal. Das gleiche passiert mit den Mitbewohner. Wirklich ihre Reaktion ist absolut wünschenswert, dennoch bleibt es unrealistisch in Anbetracht des täglichen Hasses z.B. nur im Internet. Ich persönlich fand den Umgang mit diesem Thema einfach zu perfekt und lobenswert. Im Buch sind nämlich nur die Eltern, die Bösen, die mit der Lebensweise der Kinder nicht zurecht kommen. Ich hätte mir zumindest ein Elternteil gewünscht, des nichts dagegen hat. Mir war es einfach zu „heile Welt“ mäßig, was natürlich auch daran liegt, dass alles innerhalb von ca. 70 Seiten aufgelöst wird. Eine frühere Auflösung wäre meiner Meinung nach viel besser gewesen, um das Buch spannender und auch glaubwürdiger zu gestalten.
Das aufgegriffene Thema im Buch (ohne zu Spoilern) ist wohl allgegenwärtig, zumindest begegnet man ihm immer öfter. Ich muss ganz ehrlich sein es ist ein Thema, mit dem ich mich noch nie wirklich befasst habe. Laura Kneidl hat aber Recherche betrieben, um es bestmöglich umzusetzen. Ich finde es sehr wichtig, dass Autoren sich ausreichend mit den aufgegriffenen Themen in Büchern auseinandersetzen, damit es zu keinen Fehlern kommt. An dieser Stelle ein Lob an die Autorin. Wer über so ein Thema schreiben will, muss auch mit den richtigen Quellen zusammenarbeiten. Ob die Repräsentation wirklich fehlerfrei ist, kann ich nicht beurteilen. Ich fand sie aber gut umgesetzt.
Julian ist eine Figur, die schon viel durchgemacht hat. Ich konnte seine Zurückhaltung wirklich sehr gut verstehen und habe mich gleichzeitig auch für ihn gefreut, dass er so tolle Freunde gefunden hat. Er war mir auf jeden Fall viel sympathischer als Micah. Seine Beziehung zu ihr konnte ich leider nicht so richtig nachvollziehen. Ich frage mich immer noch was er an ihr findet. Irgendwie konnte ich die Anziehung der beiden einfach nicht fühlen, weshalb mir die Liebesgeschichte auch keine Begeisterung entlockt hat.
Die Nebenfiguren fügten sich gut in die Geschichte ein, sie waren mir sympathisch, jedoch blieben sie sehr oberflächlich. Nur Auri und Cassie sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Lilly, Adrian und Aliza erfüllten ihren Zweck, trieben die Handlung aber nicht voran. Generell sehe ich die Nebenfiguren auch sehr kritisch. Sie alle wurden auf ihre Herkunft, Aussehen oder Sexualität reduziert. Als wollte die Autorin so viel Vielfalt wie möglich einbauen. Gerade bei Adrian ist mir das sehr negativ aufgefallen. Er stellt eigentlich eine wichtige Figur in der Handlung dar, aber als Leser erfährt man überhaupt nichts über ihn. Jedes Mal wenn er erwähnt wird, wird gleichzeitig seine Homosexualität genannt. Ich bin wirklich frustriert, dass er anscheinend nur den Quoten-Schwulen im Buch darstellt. (Entschuldigt bitte diesen Ausdruck, aber ich bin wirklich genervt, dass er auf seine Sexualität reduziert wurde, um die LGBT Quote zu erfüllen)
Das Ende war an sich schön, jedoch wirkte es übereilt. Den Großteil des Buches trat die Handlung auf der Stelle und innerhalb weniger Seiten wird dann alles zum Abschluss gebracht. Das gleiche Problem hatte ich schon mit „Berühre mich nicht“ von Laura Kneidl. Das Tempo wirkt auf mich sehr unausgewogen. Gerade am Ende möchte man doch noch mehr Zeit mit den Figuren verbringen, nachdem alle Geheimnisse gelüftet wurden.
Fazit: Mit Someone New wagt sich Laura Kneidl in neue Gefilde. Sie hat sich mit dem Thema befasst und es meiner Meinung nach auch gut umgesetzt. Es ist eine Geschichte, die auf jeden Fall zum Nachdenken anregt. Die Liebesbeziehung wurde nicht überstürzt, sondern langsam voran getrieben. Die Anziehung bzw. Gefühle der Charaktere konnte ich allerdings nicht nachvollziehen. Das Ende wirkte dann viel zu abrupt im Vergleich zum Rest der Geschichte. Auch wenn Laura Kneidl versucht viele kritische Themen im Buch einzubringen, so wenig konnte mich die Geschichte begeistern. Durch die Quantität ging für mich die Qualität verloren, da alles sehr zwanghaft in die Geschichte eingebaut wurde. Ich empfinde das Buch nicht als absolutes Highlight, nur weil es mal etwas anderes im Genre ist, vor allem da vieles nur sehr knapp thematisiert wurde und die Figuren sehr oberflächlich blieben. Das Buch wird auf jeden Fall aus der Menge der NA-Geschichten herausstechen, wegen seiner queeren Charakteren, der Rest jedoch ist mittelmäßig.