Nackte Kaiser

Theo Honnef lehrt seit drei Jahrzehnten deutsche Literatur an Universitäten in den USA und Deutschland. Beim Umgang mit den Texten ließ sich nicht übersehen, dass es oft gerade die gemeinhin als Säulen des Literaturkanons angesehenen Werke sind, die eine wiederholte und etwas genauere Analyse gar nicht gut vertragen. Wie der Kaiser im Märchen, erscheinen sie dann nämlich ziemlich nackt – und das heißt hier: schlecht geschrieben. Aber ihre Blößen werden von den Literaturvermittlern in den Verlagen, der Presse, im schulischen wie im akademischen Bereich gnädig übersehen. Ihr Status als moderne Klassiker scheint durch nichts zu gefährden.

Da setzt dieses Buch an. Es möchte Anstoß zu einer Diskussion sein, die am Ende vielleicht doch zu einer Kanonrevision in dem einen oder anderen Fall führen könnte. Darüber hinaus möchte es denen Argumente an die Hand geben, die vielleicht nicht mehr als ein dumpfes Unbehagen bei der Lektüre verspüren, die diese aber gegen die Autorität der Lehrenden – oder auch einfach nur einer diffusen Vorstellung von Klassizität wegen – nicht zu artikulieren wagen.