Der "Neuschwanstein-Tragödie" zweiter Teil
“Ohne Herz” ist der zweite, von mir lang ersehnte Teil der historischen Neuschwanstein-Thriller-Trilogie des Autors Markus Richter, der selbst 20 Jahre auf Schloss Neuschwanstein arbeitete und einige Zeit ...
“Ohne Herz” ist der zweite, von mir lang ersehnte Teil der historischen Neuschwanstein-Thriller-Trilogie des Autors Markus Richter, der selbst 20 Jahre auf Schloss Neuschwanstein arbeitete und einige Zeit sogar als Kastellan dort wohnte. Er weiß also worüber er schreibt. Das erste Buch “Ins Herz” (erschienen 2017) habe ich ganz begeistert gelesen, allerdings damals nicht rezensiert.
Markus Richter ist ein Autor, der eigentlich auf den Bestsellerlisten stehen sollte. Warum? Weil seine Bücher es schaffen den Spagat zwischen anspruchsvollem Historienroman und spannendem Thriller mühelos auszuagieren. Dabei wird eine Atmosphäre und Sprachgewalt erzeugt, die ihresgleichen sucht.
10 Jahre nach der Handlung des ersten Teils "Ins Herz", der 1875 auf der Baustelle Neuschwanstein spielte, setzt die Geschichte von "Ohne Herz" ein. Im August 1885 also, ein knappes Jahr vor dem Tod Ludwigs II. Wieder ist der Ort der Handlung am Anfang die "Neue Burg", die von Einheimischen und Hofbediensteten jetzt zunehmend "Neuschwanstein" genannt wird. Außerdem gibt es kurze Abstecher nach Schloss Hohenschwangau nebenan und diesmal auch nach Linderhof, das besondere Kleinod des Monarchen mit der im 19. Jahrhundert schon hoch technisierten "Venusgrotte". Doch damit nicht genug. Als besonderes “Schmankerl” hätte ich fast gesagt, begleiten wir den König - und auch unsere "Helden" - ins Gebirge, auf eine sehr, sehr gefährliche Bergwanderung. Immerhin besaß Ludwig II. 12 Bergresidenzen, von denen einige in “Ohne Herz” eine wichtige Rolle als Schauplatz der weiteren Handlung spielen.
Die Szenen, in denen Ludwig II. höchstpersönlich auftritt, sind besonders eindringlich. Man merkt dem Autor seine jahrelange intensive Beschäftigung mit dem bayerischen "Märchenkönig", der berühmt ist wie kaum ein anderer, mit jedem Wort an, das er ihm in den Mund legt und auch immer, wenn der Erzähler über ihn berichtet oder andere Figuren über ihn reden lässt. Markus Richter zeichnet ein realistisch-humanes Bild Ludwigs ohne dabei jemals in Verklärung oder gar deren Gegenteil abzudriften. Besonders lebendig beschrieben sind dabei die häufigen Meinungswechsel des sehr emotionalen Monarchen, der wohl so schnell verurteilt wie wieder verziehen hat.
Der Rest und Hauptteil der Story wird dann dem Titel “Ohne Herz” wie auch der Genrebezeichnung “Thriller” mehr als gerecht. Wieder ist ein historisch verbürgtes Detail bzw. ein Neuschwanstein-Mysterium oder eine Geschichtslücke Aufhänger für eine hoch spannende, ja diesmal sogar “explosive” Thrillerhandlung. Im Fokus stehen dabei wieder die Kammerzofe der Königsmutter Klara Grünspan, der nunmehr Kastellan der “Neuen Burg” Lorenz Baumgartner sowie der Soldat Heiland, der die letzten Jahre damit verbracht hatte den in Schloss Fürstenried “weggesperrten” Bruder des Königs, Otto, zu betreuen. Das Trio gerät abermals ins Zentrum einer anti-monarchistischen Verschwörung, die sich wieder in der sonst so idyllischen bayrischen Bergwelt abspielt - und jetzt im zweiten Band eben weitere Kreise zu anderen königlichen Residenzen zieht.
Besonders hervorheben möchte ich die hochwertige Gestaltung des Buches durch die edition tingeltangel. Das mit Klappenbroschur hergestellte Buch zeigt in der ersten Umschlagklappe farbige Abbildungen von Bauabschnitten des Schlosses. Markus Richter illustriert mit diesen historischen Dokumenten die Lücke, in die er seine Fiktion eingesponnen hat. In der hinteren Umschlagklappe findet sich zur Orientierung des Lesers ein Landkartenausschnitt mit einem Lageplan der Schauplätze und einigen historischen Fotos derselben.
Fazit: Obwohl mir persönlich der Plot von "Ins Herz" einen kleinen Tick besser gefallen hat, ist "Ohne Herz" ein absolut würdiger Nachfolger und ich freue mich riesig darüber, dass es eine Trilogie wird. Ich habe wieder wahnsinnig viel Neues über Ludwig II., seine Zeit und die historischen Umstände damals dazugelernt. Nebenbei wurde ich bestens unterhalten!
Jedem, der historische Thriller, die Königsschlösser und den “Kini” selber mag und interessant findet, möchte ich diese Reihe wärmstens empfehlen.