Cover-Bild Machbarkeitsstudie zum Fahrradsimulator mit besonderer Berücksichtigung von Senioren als Radfahrer
Band 347 der Reihe "Mensch und Sicherheit"
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inkl. MwSt
  • Verlag: Fachverlag NW in Carl Ed. Schünemann KG
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Soziologie und Anthropologie
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Ersterscheinung: 15.08.2024
  • ISBN: 9783956067914
Martina Suing

Machbarkeitsstudie zum Fahrradsimulator mit besonderer Berücksichtigung von Senioren als Radfahrer

In der vorliegenden Machbarkeitsstudie werden die ersten experimentellen Erfahrungen mit dem Fahrradsimulator der BASt berichtet. Für die Untersuchung kam ein statischer Fahrradsimulator, der ebenfalls wie die Simulatorsoftware SILAB vom Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW) entwickelt worden ist, zum Einsatz. Da Senioren aufgrund ihrer steigenden Mobilität bei zugleich erhöhter Vulnerabilität als Fahrradfahrer in der Verkehrssicherheitsforschung eine wichtige Zielgruppe darstellen, wurden sowohl Fahrradfahrer ab einem Alter von 65 Jahren (Experimentalgruppe: EG), als auch – aufgrund der bis dato kaum vorhandenen Erfahrungen mit dem Fahrradsimulator – vergleichend Probanden im Alter von 25–50 Jahren (Kontrollgruppe: KG), in die Studie miteinbezogen.

Ziel der Studie ist es, grundsätzliches Wissen über die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen zum Einsatz von Fahrradsimulatoren für Verhaltensbeobachtungen zu gewinnen und darzustellen. Neben der eigentlichen Testfahrt, die in einem komplexeren Stadtszenario stattfand, wurden auch die drei vorausgehenden Übungsfahrten zur Eingewöhnung an den Fahrradsimulator evaluiert. Zur Datengewinnung kamen neben der Verhaltensbeobachtung (Versuchsleitersicht/Fremdurteil) und der Fahrdatenaufzeichnung (Geschwindig¬keitsmessung) mehrere Fragebögen (Probandensicht/Selbsturteil) zum Einsatz.

Die Stichprobe umfasst in der EG 35 ältere Radfahrer (Altersspanne: 65–89 Jahre; MW = 72,43 Jahre/65,7 % männlich; 34,3 % weiblich) und in der KG 31 Radfahrer einer mittleren Altersgruppe (Altersspanne: 25–50 Jahre; MW = 38,42 Jahre/48,4 % männlich; 51,6 % weiblich). Elf Probanden aus der EG sind den älteren Senioren mit einem Alter von mindestens 75 Jahren zuzurechnen. Die Auswertungen des Vorher-Fragebogens mit Fragen zum realen Fahrverhalten ergaben alterstypische Unterschiede zwischen den beiden Untersu¬chungsgruppen: Die älteren Radfahrer bezeichneten sich im Vergleich zu den Probanden der KG als langsamere und vorsichtigere Fahrradfahrer, die risikoreichere Fahrbedingungen meiden. Allerdings gaben die älteren Probanden häufiger an, regelmäßig längere Radtouren über 20 km zu unternehmen. Der Anteil der Probanden mit Vorerfahrungen im Pkw-Fahrsimulator war in der EG niedriger als in der KG.

Die Abbruchrate (= Drop-out-Rate) unterscheidet sich zwischen den beiden Untersuchungsgruppen erheblich. Etwa die Hälfte der Senioren (n = 18) brach die Studie vorzeitig ab; bei den älteren Senioren (≥ 75 Jahre) beträgt die Drop-out-Rate sogar 72,7 % (n = 8). Dagegen haben nur 2 Probanden (6,5 %) der KG ihre Teilnahme vorzeitig beenden müssen. Die Hälfte der älteren Probanden brach bereits während der ersten, kurzen Übungsfahrt ab; v. a. aufgrund von Problemen mit dem Handling des Fahrradsimulators. Abbrüche, die erst während der Testfahrt vorgenommen wurden, fanden aufgrund von Unverträglichkeit (Simulatorkrankheit) statt.

Beim Vergleich der übrigen Studien-Completer (EG: n = 17; KG: n = 29) zeigt sich, dass die Fahrperformanz der Probanden der EG im Vergleich zu denen der KG im Fremdurteil (aber nicht im Selbsturteil) insgesamt schlechter bewertet wurde. Viele Senioren wiesen ein unsicheres Fahrverhalten auf (auch aufgrund von Problemen mit dem Handling des Fahrradsimulators) und sind im Durchschnitt deutlich langsamer gefahren als die Probanden der KG. Die Gesamtanzahl der Fahrfehler war dagegen in beiden Completer-Gruppen relativ hoch, was zumindest in Teilen auf die noch optimierbare Fahrdynamik zurückgeführt wird. Rein deskriptiv überwogen in der EG Fahrfehler wie das unabsichtliche Verlassen der Fahrbahn, falsches Abbiegen sowie das Auslassen des Handzeichens. Bei den Probanden der KG konnten demgegenüber mehr Kollisionen und mehr Vorfahrtsfehler beobachtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Probanden der KG aufgrund ihrer höheren Fahrgeschwindigkeit mehr kritischen Verkehrsszenen ausgesetzt waren als die Probanden der EG. Schließlich ist positiv zu erwähnen, dass
die Studie erste Hinweise für eine gelungene Immersion (= ‚Eintauchen in die virtuelle Welt‘) liefern kann.

Für zukünftige Studien werden zwei Ansatzpunkte als besonders aussichtsreich gesehen, um die hohe Drop-out-Rate bei den Senioren zu reduzieren. Zum einen könnte ein umfangreicheres Eingewöhnungstraining mit einem langsameren und systematischeren Aufbau des Schwierigkeitsgrades den Bedürfnissen der Senioren besser gerecht werden. Hierbei wird empfohlen, sich zunächst auf die Gruppe der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) zu konzentrieren. Zum anderen könnte eine weitere Optimierung der Fahrdynamik hinsichtlich der Lenkung, Bremsung und Geschwindigkeit die Drop-out-Rate durch einen geringeren Adaptionsbedarf verringern. Erste Lösungsansätze hierzu können bereits aufgezeigt werden. Für zukünftige experimentelle Verkehrssicherheitsstudien ist es erforderlich, dass zunächst eine systematische Validierung durch Vergleiche mit Realfahrten erfolgt.

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