Die Malerin im Schatten Kandinskys
„Die Kunst war ihr Leben – Kandinsky ihr Schicksal“
INHALT
München, zu Beginn des 20. Jahrhunderts:
Die junge Gabriele Münter, genannt Ella, möchte trotz aller Widerstände unbedingt Malerin werden. Bei ...
„Die Kunst war ihr Leben – Kandinsky ihr Schicksal“
INHALT
München, zu Beginn des 20. Jahrhunderts:
Die junge Gabriele Münter, genannt Ella, möchte trotz aller Widerstände unbedingt Malerin werden. Bei ihrem Malunterricht in München verliebt sie sich in ihren verheirateten Lehrer, Wassily Kandinsky. Das Künstlerpaar unternimmt viele Reisen, und Gabriele wird seine Muse, Gefährtin und Geliebte – ein Skandal zu jener Zeit. Während Kandinsky schon bald als Meister der Abstraktion gefeiert und als Begründer des „Blauen Reiters“ berühmt wird, kämpft Ella um ihre Anerkennung als Frau in der Kunst. Gegen den Willen ihrer Familie lebt sie mit dem Künstler fast 15 Jahre lang zusammen, bis schließlich der Erste Weltkrieg ausbricht und Kandinsky nach Russland zurückkehrt - um dort heimlich eine andere Frau zu heiraten. Es ist das tragische Ende einer großen Liebe, das die Malerin in eine schwere Krise stürzt.
MEINE MEINUNG
Die amerikanische Autorin Mary Basson hat mit ihrem Debüt „Die Malerin“ eine sehr eindrückliche und insgesamt recht gut recherchierte Romanbiographie über das Leben der bedeutenden Malerin des Expressionismus Gabriele Münter vorgelegt. Als Dozentin im Milwaukee Art Museum, das die umfangreichste Gemälde-Sammlung der Malerin in Nordamerika besitzt, war die Autorin von Münters Malerei derart fasziniert, dass sie beschloss, einen Roman über diese faszinierende Frau zu schreiben, die weniger als Künstlerin der Moderne, sondern lediglich als langjährige Muse und Geliebte des berühmten Malers Wassily Kandinsky von sich reden machte. Bei ihrer ausführlichen Recherchearbeit zum Leben und Werk Münters begab sich Basson auf ihrer Spurensuche auch an die Originalschauplätze in München und zum „Gelben Haus“ nach Murnau im bayerischen Voralpenland.
In verschiedenen Episoden aus dem Leben der Künstlerin erfährt der Leser sehr viel über Münters Gedanken, Empfindungen, Familie und ihre Leidenschaft für die Kunst, aber auch politische und gesellschaftliche Hintergründe jener Zeit. So lernt man die junge, schüchterne Ella kennen, die sich in während ihres Malunterrichts unsterblich in ihren verheirateten Lehrer „Professor K“ verliebt, erfährt wie sie sich später an der Seite ihrer großen Liebe Kandinsky künstlerisch weiterentwickelt, aber auch die Licht- und Schattenseiten ihres Lebens mit einem schwierigen Menschen durchlebt. Ihr Gelbes Haus in Murnau wird mit der Gründung des „Blauen Reiters“ zum Zentrum der künstlerischen Avantgarde, doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kommt es zum tragischen Ende ihrer Liebe. Erst nach Jahren bangen Wartens erfährt sie, dass Kandinsky in Russland eine andere Frau geheiratet hat. Dieser unverzeihliche Verrat stürzt sie in eine tiefe Krise, an der sie beinahe zerbricht. Ein echtes Highlight zum Ende des Romans hin ist die fesselnde Schilderung, wie Münter mit ihrem neuen Lebensgefährten Johannes Eichner mit beispiellosem Mut die „Entartete Kunst“ Kandinskys vor der Beschlagnahmung und Zerstörung der Nazis bewahrte und dadurch die Sammlung des Blauen Reiters für die Nachwelt rettete.
Der Roman lässt sich sehr angenehm lesen, und ist unterhaltsam und verständlich geschrieben. Insgesamt gelingt es der Autorin sehr gut, Münter mit ihrer vielschichtigen Persönlichkeit auf den verschiedenen Stationen ihres ereignisreichen Lebens für den Leser lebendig werden zu lassen. Die Autorin zeichnet ein einfühlsames, weitgehend authentisch wirkendes Bild einer talentierten Frau, die trotz ihrer Begabung stets im Schatten des weltberühmten Malers und Kunsthistorikers Kandinskys stand und der die künstlerische Anerkennung für ihre Werke verwehrt blieb. Entsprechend differenziert und feinfühlig wird die sich wandelnde Beziehung der beiden Künstler von er verliebten Anfangsphase, den späteren Reibereien bis hin zum qualvollen Auflösungsprozess beschrieben. Auch die übrigen Charaktere sind gut herausgearbeitet, und wirken lebendig und glaubwürdig.
In die Handlung eingestreut sind immer wieder mit „Galerie“ betitelte Kapitel, in denen verschiedene Gemälde von Gabriele Münter herausgegriffen und kenntnisreich beschrieben werden. So erhält der Leser einen aufschlussreichen Einblick in das künstlerische Schaffen und einige kunsttheoretische Hintergründe.
Etwas oberflächlich geraten sind die Schilderungen zur Entstehung der Künstlervereinigung »Blauer Reiter« und Hintergründe zu Ellas Stellung als talentierte, eigenständige Malerin im Umfeld der Münchner Künstler fehlen fast völlig. Leider hat die Autorin Münters neu erwachte Schaffenskraft nach dem 1. Weltkrieg weitgehend ausgespart, so dass der Eindruck erweckt wird, dass Münters breitgefächertes Werk mit ihrer Beziehung zu Kandinsky endete.
Wie so häufig bei Romanbiografien ist es schwierig, tatsächlich Geschehenes bzw. historisch Verbürgtes von der fiktionalen Fantasie der Autorin zu unterscheiden. Daher ist es schade, dass in ihrem Nachwort keine weitere Erläuterungen zu ihrer Recherchearbeit zu finden sind und auch ein Literaturverzeichnis zu ihren herangezogenen Quellen fehlt.
FAZIT
Eine unterhaltsame Romanbiographie über Gabriele Münter und zugleich ein faszinierendes Porträt einer großen Malerin und eigenwilligen Frau gefangen zwischen ihrer großen Liebe, Selbstverwirklichung und gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit!
Ein lesenswerter Roman, der dazu anregt sich weiter mit Gabriele Münter und ihrem facettenreichen Werk zu beschäftigen.