„Ich werde dich finden...Im tiefsten Winkel.“ Eine neue Fantasywelt mit einer Hauptdarstellerin, die das Risiko und die Lüge nicht fürchtet.
„Der Kuss der Lüge“ ist der Beginn der „Chroniken der Verbliebenen“ und erzählt die Geschichte von Prinzessin Lia von Morrighan, die sich von Tradition, Glauben und Verantwortung abwendet um ihr Leben ...
„Der Kuss der Lüge“ ist der Beginn der „Chroniken der Verbliebenen“ und erzählt die Geschichte von Prinzessin Lia von Morrighan, die sich von Tradition, Glauben und Verantwortung abwendet um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das Buch der amerkanischen Autorin Mary E. Pearson ist in deutscher Fassung erstmals im Februar 2017 im Lübbe Verlag (one by Lübbe) erschienen.
Und wieder war es bei mir mehr ein Kauf nach Cover als nach Geschichte. Das Hardcover mit der blonden jungen Frau, die einen Blumenkranz auf den Kopf trägt und sich mitten auf dem Feld umdreht sieht fantastisch und gleichzeitig auch dramatisch aus. Dazu der zunehmend sich verdunkelnde Himmel und 2 Figuren im Hintergrund, die nicht wirklich fröhlich wirken. Als Topping gab es innen noch eine Karte dieser neuen Welt mit ihren verschiedenen Reichen (die übrigens sehr nützlich war, um die Wege der Geschichte nachvollziehen zu können). Das kann ja nur gut sein, oder?
Am Anfang des Lesens kam der erste Dämpfer, da die Protagonistin dunkles Haar hat. Klingt jetzt kleinlich, aber ich mag es nicht, wenn das Cover in so einem Detail abweicht. Schließlich habe ich bereits ein Bild im Kopf.
Ansonsten ging die Geschichte mit einem typischen Klischee los: Die mutige, freiheitsliebende Prinzessin soll zu Gunsten des Landes zwangsverheiratet werden. Natürlich lässt sie sich das nicht gefallen! Da wäre sie in der Welt der Literatur, insbesondere der Märchen, nicht die Erste. Aber die Autorin schaffte es, eine neue Welt mit eigener Geschichte, Tradition, Glaube, Magie und Völker zu entwickeln. Ich finde, das hat dem Klischee sehr gut getan.
Das Buch ist mit über 500 Seiten und vielen Kapiteln umfangreich gestaltet. Es wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Zum einen von Lia, die das Risiko nicht scheut, kein Blatt vor dem Mund nimmt und sich doch nichts sehnlicher wünscht als ein echtes zu Hause und die echte Liebe. Zum Anderen aus der Perspektive des Prinzen und des Attentäters, die Lia auf der Spur sind und sie auch finden. Ich lernte also die Charaktere Schritt für Schritt kennen. Zumindest dachte ich das. Denn es bleibt im Buch durch die Abschnitte des „Prinzen“ und des „Attentäters“ oder auch genannt „Kaden“ und Rafe“ offen, wer denn nun das blaue Blut in sich trägt und wer der Meuchelmörder ist. Die Autorin legt gekonnt eine Fährte. Und ich sage es gleich: Ich bin darauf rein gefallen und war dann sehr überrascht. Definitiv ein großer Punkt für die Autorin!
Während des Lesens kam mir auch immer wieder das Wort „liebevoll“ in den Sinn. Die Menschen und ihre Beziehungen spielen eine große Rolle und das ist sehr liebevoll erzählt. Lia mit ihrer besten Freundin Pauline, die Frauen, die sie in Terravin kennen lernen, die Liebe, die sich zu Jemanden entwickelt. Das nimmt natürlich Platz ein. So wird über die Hälfte ausschließlich aus Lias neuem Leben heraus berichtet. Damit es dennoch nicht langweilig wird, gibt es noch ein paar unerwartete Situationen. Dabei soll der Leser den Titel auch nicht vergessen. Denn die Lüge ist allgegenwärtig. Nicht nur die Prinzessin lügt, um sich und ihr neues Leben zu schützen! Manchmal wünschte ich mir ein wenig mehr Ehrlichkeit. Es gab sicherlich die ein oder andere Situation, in dem Lia schon eher die Wahrheit hätte sagen können.
Auch Themen wie Religion, Glaube und Pflicht sind der Hauptprotagonistin anfangs egal. Genau das wollte sie hinter sich lassen. Genau das hat sie drangsaliert, gedemütigt und ihr die Freiheit genommen. Es stellt sich die Frage, ob sich jeder so einfach seiner Verantwortung entziehen kann? Ich denke, dass soll dem Leser zum Nachdenken bringen. Und ich sage eindeutig: Nein, man darf sich dem nicht entziehen. Und so wird es auch Lia lernen müssen.
Abschließend muss ich noch erwähnen, dass der erste Band keine in sich abschließende Geschichte ist. Ein wenig schade, man wird dadurch definitiv aufgefordert weiter zu lesen. Und das werde ich auch.
Fazit: Ein sehr guter Beginn einer neuen Chronik mit einer neuen, sich langsam erschließenden Welt. Wer sich verschiedene Völker, tiefgründige Hauptdarsteller, Rätsel und zwischenmenschliche Beziehungen wünscht, dem kann ich die Chroniken der Verbliebenen wärmstens empfehlen.