Geistreich, unterhaltsam und voll mit wertvollen Denkanstößen
"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. ...
"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. Genauer noch befindet er sich in einer ermüdenden Endlosschleife aus Belanglosigkeit und Erschöpfung. Erschöpfung durch die immer gleichen Sorgen, die immer gleiche Arbeit in der seelenvernichtenden Wirtschaftsprüfungskanzlei und die immer gleiche, allumfassende Einsamkeit, die in seinem Leben Einzug gehalten hat.
Aber Ben hat die Schnauze voll von diesem "Kreislauf beschwerlicher Scheiße" und trifft einen folgenschweren Entschluss: Er will sterben.
Und noch eine Sache steht fest: Sein Tod soll keineswegs so mittelmäßig werden, wie sein Leben. Also engagiert Ben einen Auftragskiller, der ihn in genau 50 Tagen die Lichter ausknipsen soll.
Klingt düster? Ist es auch. Max Osswald hat sich hier ein sehr ernstes Thema zum Schreiben gewählt und trifft damit genau den Zahn der Zeit. In einer Gesellschaft, die uns bereits von Klein auf einzutrichtern versucht, das Geld und Karriere der Maßstab allen Seins sind und die Chancen im Leben an die eigene Leistung und Produktivität gebunden sind, haben sicher schon so einige im Laufe ihres Lebens an ihrem Werdegang gezweifelt und sich auf die Suche nach persönlichen Glück begeben.
In einer ganz ähnlichen Ausgangslage begegnen wir dem Protagonisten dieses Romans. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass Ben vom Leben nichts mehr erwartet. Mit seinen 29 Jahren ist er verbittert, von Zynismus zerfressen und hat sich jedwedes Schönreden erfolgreich abtrainiert. Für ihn gibt es nur die gnadenlose, zuweilen bitterböse und ungefilterte Wahrheit. Doch genau diese kompromisslose Ehrlichkeit des Protagonisten gibt dem ganzen Roman eine herrlich humorvolle Note.
Mir hat „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ wirklich gut gefallen und ich finde es ist ein außergewöhnliches und beeindruckendes Roman-Debüt. Es ist diese Kombination aus Düsternis und humorvoller Spitzzüngigkeit, die mir auf Anhieb gefallen hat.
Der Schreibstil ist packend und modern und die Seiten fliegen binnen kürzester Zeit nur so dahin. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, weil ich es nicht beiseitelegen könnte.
Ich sollte dabei erwähnen, dass sich Osswald sehr expliziter Sprache bedient (was angesichts des Titels keine Riesenüberraschung ist) und damit vielleicht nicht jedermanns Geschmack trifft. Meiner Meinung nach hat das aber auch sehr gut zum Charakter der Geschichte und des Protagonisten gepasst.
Zuletzt haben mir auch die Kapitel und einzelne Gestaltungselemente im Buch sehr gefallen, sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.
Geschrieben wird in der Ich-Perspektive, sodass man uneingeschränkten Zugang zu den Gedanken und Gefühlen Bens bekommt. Das fand ich super, denn so erhält seine Figur schnell Kontur und wird nahbarer. Dadurch wurde es auch um einiges leichter seinen düsteren Gedanken zu folgen und sich in ihn hineinzuversetzen. Mit seiner sarkastischen und der negativen Grundeinstellung wirkt er zwar nicht immer sympathisch, aber als Figur sehr echt.
Ben ist in der Tat ein außergewöhnlicher Protagonist und hat eine sehr mitreißende Entwicklung gemacht. Von seiner anfänglichen Lähmung durch die Last seines eigenen Lebens beginnt er in seinen letzten 50 Tagen weitere drastische Veränderungen vorzunehmen und scheint sich dabei nach und nach aus seinem Käfig zu befreien. Dabei fand ich wirklich gut, dass der Autor hier auf jedwede rosarot geschmückte Szene neuentfachter Lebensfreude verzichtet hat und Ben sich stattdessen langsam und ausführlich mit seiner Situation befassen musste.
Dabei ergibt sich so manch eine überraschende Situation oder neue Begegnung, die auch den Leser den ein oder anderen Denkanstoß mit auf den Weg gibt.
Unterm Strich ist „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ ein sehr gelungenes Erstlingswerk. Kurzweilig und doch ungewöhnlich lädt es seine Leser ein auf eine Suche nach den Sinnbringenden Dingen des Lebens und macht Mut sein Leben einzig nach den eigenen Ansprüchen und Wünschen auszugestalten.
Ich hoffe, wir werden noch einiges von Max Osswald hören, bis dahin kann ich aber nur jedem nahelegen, diesem Roman eine Chance zu geben.