Cover-Bild BAHÖ
5,18
inkl. MwSt
  • Verlag: vortschritt, eDITION
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 03.01.2014
  • ISBN: 9783950320046
Michael Amon

BAHÖ

50 Wutausbrüche
Ist es Ihnen auch schon widerfahren, dass man Sie mit einem kurzen Sager, Sprichwort genannt, abgefertigt hat? Wenn Sie etwa feststellen, dass jemand, dessen Fähigkeiten Sie nicht besonders hoch einschätzen, durch bloßes Glück und viel Zufall einen höchst lukrativen Auftrag an Land zieht und dies mit den Worten kommentiert, Glück habe auf die Dauer eben nur der Tüchtige. Womit er Ihnen zu verstehen gibt, dass er Sie für untüchtig hält.

Haben Sie noch nie die Faust in der Tasche geballt, wenn bei einem Klassentreffen die einst größte Niete heute mit dem größten Bankkonto prahlt (auch erben will gelernt sein!) und alle wissen lässt, dass Geld allein nicht glücklich mache?

Dann sind Sie prädestiniert für dieses Buch. Seit vielen Jahren sammle ich all diese weisen Sprüche in einem kleinen Notizbuch mit der Aufschrift: Sprüche für die Dummen. Ja, man hält uns für Narren. Speist uns ab. Vulgär gesagt: verarscht uns. Schon die Klassiker haben damit begonnen. Lesen Sie Wilhelm Tell, und Sie wissen, was ich meine. Schiller war einer der schlimmsten Sprücheklopfer, sein Klassikerkollege Goethe stand ihm in nichts nach, bringt es in seinen Dramen jedoch bei weitem nicht an die Schillersche Sinnspruchdichte (wenn man mal von 'Faust' absieht).

Aber auch diverse Bibelsprüche dienen der Verdummung der Menschheit, der Verschleierung der tatsächlichen Zustände, sind 'Opium des Volks', um Marx zu zitieren. Auf den folgenden Seiten werden wir vielen dieser Sprüche nachspüren, ihren wahren Sinngehalt erforschen und feststellen, dass meist das Gegenteil von dem zutrifft, was behauptet wird.

Genaugenommen ist dieses Buch eine Sammlung von Essays über Sprichwörter. Essays im Sinne der 'Essais' von Michel de Montaigne, dem Erfinder dieser literarischen Spielart. Versuche also. Im vorliegenden Fall Versuche, sich dem Wesen von Sprichwörtern anzunähern, es zu ergründen, und sich dabei nicht vom Klang der Worte täuschen, sich nicht von der Attitüde der Großzügigkeit oder der Bescheidenheit beirren zu lassen.

Dass diese Versuche neben Ironie und Sarkasmus auch die Wut des Autors über bestimmte Entwicklungen zum Ausdruck bringen, liegt in der Natur der Sache. Den ersten Wutanfall bekommt man, wenn man mit einem dieser Sprüche konfrontiert wird. Wenn man dann darüber nachzudenken versucht, kommt der zweite, meist noch heftigere Wutanfall. Erkenntnis kann wütend machen! Fünfzig solcher Sprüche werden auf den folgenden Seiten auseinandergenommen, und daraus ergeben sich hundert Wutanfälle.

Diese Wut wird nicht kleiner, wenn man beobachtet, was sich politisch rund um die seit Jahrzehnten größte Wirtschaftskrise abspielt. Die Reaktionen der großen 'Player' in der Weltwirtschaft ebenso wie die der Politik lassen wenig Hoffnung keimen, dass die Akteure aus dem Versagen des neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells etwas gelernt haben. Insofern ist dies auch ein Versuch der Abrechnung mit der Wahnidee des Marktextremismus und eine Warnung davor, so weiterzumachen wie bisher.

Dem wahren Wortsinn folgen, lautet die Devise, und herausfinden, was mit einem Sprichwort wirklich bezweckt wird, was seine Bedeutung und Wirkungsweise im 'wirklichen' Leben ist. Skepsis, Reflexion und ein wenig Lebenserfahrung sind die Grundlagen der Kritik. Ebenso wichtig sind gründliche Kenntnisse der Sprache, die Bereitschaft, eingeübte Denkschablonen aufzugeben und eine gute Portion Sarkasmus - all dies in der freidenkerischen, undogmatischen Tradition von Montaigne. Ein hoher Anspruch, und ich hoffe, ihn auf den folgenden Seiten eingelöst zu haben. Die geneigte Leserschaft soll das nicht abschrecken, denn ein wichtiges Motto meiner schriftstellerischen Arbeit ist es, den Mitreisenden durch meine Bücher das Leben nicht unnötig schwer zu machen. Wozu etwas kompliziert sagen, wenn es auch einfach, klar und deutlich geht? Vielen gilt eine gewisse 'Verschwurbeltheit' des Ausdrucks als Tiefe des Gedankens. Dem kann ich nicht zustimmen. Je klarer der Gedanke, desto klarer auch die Sprache. Und je klarer die Sprache, umso besser kann die Leserschaft die Gedanken des Schreibenden nachvollziehen.

Auch wenn der Verlag der Ansicht ist, dass alles, wo vorne 'Essay' drauf steht, Käufer abschreckt, bin ich als Autor doch der Meinung, dass die Texte dieses Buchs am besten durch die Bezeichnung 'wütende Essays' einem Genre zugeordnet werden können. Also schreiben wir es zwar nicht vorn drauf, aber hier, zwischen den Buchdeckeln, wollen wir es nicht verheimlichen. Da haben Sie das Buch schon gekauft. Selbst schuld, denn jeder ist seines Glückes Schmied!

Und außerdem währt ehrlich immer noch am längsten.

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