Dieser Reihenauftakt beruht auf der wahren Geschichte der Brüder Sass, die im Berlin der 1920er nach einem holprigen Beginn zu einem Verbrechersyndikat aufsteigen.
Berlin, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges: Die Menschen sind desillusioniert, hungern und frieren, das Geld verliert rapid an Wert und viele haben sich noch nicht damit abgefunden, den Krieg verloren zu haben. Zu denen zählen zahlreiche Offiziere verschiedenster politischer Gesinnung. Die einen verachten den Kaiser, der es sich in Holland bequem macht, und die anderen wollen die Monarchie wiederherstellen. Allen ist gemeinsam, dass sie sowohl Sozialisten als auch Bolschewiki hassen. Eine Regierungsbeteiligung dieser Gruppierungen soll um jeden Preis verhindert werden. Dazu ist ihnen jedes Mittel, auch die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. So weit der historische Hintergrund.
Die Brüder Sass, derer gibt es viele, sichern das Überleben der Familie anfangs durch Einbrüche, kleinere Diebstähle und illegale Glückspiele. Jeder der Brüder hat ein anderes kriminelles Talent. Doch als zwei während eines Einbruchs möglicherweise den Mord an Luxemburg und Liebknecht beobachtet haben, gerät die Familie nicht nur in den Fokus der Polizei. Mit der Obrigkeit kann es die lange verschollene und wieder aufgetauchte Tante Antonia aufnehmen.
Unter Antonias Führung floriert das Familienbusiness und wird zum Syndikat Berlin. Man mischt in vielen Bereichen mit, ob im Glücksspiel, bei Wetten, bei den Nachtklubs oder beim Verschieben von gestohlenen Armeebeständen. Dass die Konkurrenz hierüber nicht sonderlich erfreut ist, versteht sich von selbst.
Meine Meinung:
Michael Jensen, dessen „Jens-Druwe-Reihe“ ich schon gerne gelesen habe, hat hier einen politischen Krimi geschrieben, der aufzeigt, wie die Bühne für Adolf Hitler aufbereitet wurde. Wir haben teil an historischen Ereignissen wie den Straßenschlachten zwischen der Arbeiterbewegung und den Konservativen sowie Umsturzversuchen wie dem Kapp-Putsch. Wir begegnen verschiedenen historischen Persönlichkeiten wie Paul Hindenburg oder Ernst Gennat und nehmen Anteil an dem Leben der Berliner.
Obwohl die Familie Sass natürlich auch vom Chaos der Nachkriegszeit profitieren, wirken sie sympathischer als die Verschwörerclique der Offiziere.
Die Charaktere sind liebevoll gestaltet, haben so ihre Ecken und Kanten. Meine Lieblingsgestalt ist Tante Antonia, die mit Herz und Hirn, den Sass-Brüdern erklärt, wie so ein Familienbusiness zu führen ist.
Interessant ist auch der Einblick in die Polizeiarbeit ohne DNA-Abgleich und Ähnlichem. Man ist nicht einmal davon überzeugt, dass eine Verbrecherkartei nützlich wäre. Ernst Gennat ist gerade dabei, seine Mordinspektion einzurichten.
Fazit:
Dieser Krimi ist ein historischer Kriminalroman. Wer einen „Whodunit“-Krimi lesen möchte, ist hier nicht richtig. Wer sich aber mit der (Verbrecher)Geschichte von Berlin beschäftigen will, findet hier eine interessante Lektüre. Gerne gebe ich 4 Sterne.