Medialisierung und Resilienz. Etwas flach und utopisch.
Auf dieses Buch habe ich mich sehr gefreut, leider wurden meine Erwartungen nur zum Teil erfüllt.
Rund 177 Seiten sind in 6 etwa gleich große, ca. 35 Seiten, bis auf das letzte, Kapitel geordnet. Diese ...
Auf dieses Buch habe ich mich sehr gefreut, leider wurden meine Erwartungen nur zum Teil erfüllt.
Rund 177 Seiten sind in 6 etwa gleich große, ca. 35 Seiten, bis auf das letzte, Kapitel geordnet. Diese sind in kleinere Unterkapitel aufgeteilt worden, sodass man das Ganze in kleineren Häppchen lesen kann.
Im Auftakt wurden die Begriffe, die im späteren Verlauf auftauchen, z.B. Resilienz, Medialisierung, etc. erklärt. Auch wie die Medienrealität wirkt, ist hier plausibel beschrieben worden. Weiter gibt es den Überblick, was besprochen wird und zum Schluss: „Dieses Buch hält es eher mit Hanns Joachim Friedrichs und Ulrich Wickert. Aufklären, die Dinge beim Namen nennen und so Orientierung bieten.“ S. 39. Für welche Werte des Qualitätsjournalismus die beiden Herren plädieren, ist auch aufgeführt worden, sodass kaum Missverständnisse entstehen können, wohl auch als Kontrast zu dem, was man heute in den Medien beobachten kann.
Weiter geht es mit Medienlogik. Hier gab es paar spannende Punkte, die man als bloßer Medienkonsument ohne weiteres nicht kennt, die aber heute bei der Mediengestaltung eine große Rolle spielen, z.B. bei der Wahl der Themen, die insb. in online Ausgaben auftauchen, welche Kriterien da zugrundeliegen; bei der Art, wie diese Inhalte an das Publikum herangetragen werden „Polarisieren schon in der Überschrift“ S. 74, usw. Unterkapitel „Wandel der Medienrealität, quantitativ“, in dem die Inhalte der Leitmedien aus dem Jahr 1984 und 2014 verglichen wurden, z.B. „Harte und weiche Themen“, „Selektion und Interpretation bei harten Themen“, „Konflikttypen in der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung“, „Präsentationsstil“, etc. S. 75-78, ist sehr aufschlussreich und zum Nachdenken anregend. Richtig gute, aussagestarke Inhalte hier.
Ab Kap. 3 fängt das an, was mir den guten Eindruck, den die beiden ersten Kapitel entstehen lassen haben, doch recht dezimiert hat: Fußball, ferner andere Sportarten, und die damit verbundenen Themen zu „Wie der Spitzensport zur Show wurde“ . Wer gern über Sport liest, wird sich hier evtl. wohl fühlen. Mir war es schade, dass die Darstellung des Themas „Wie uns die Medien regieren“, das in ersten Kapiteln so gut aufgeschlossen wurde, plötzlich die Verflachung erlebte und die Ausführungen auf den eher engeren Rahmen des Sports reduziert wurden. Die Verflachung verstärkte sich im weiteren Verlauf leider auch weiter, denn in Kap. 4 „In der Schule, im Büro, in der Partei: gut aussehen und gut rüberkommen“ geht es eben um diese Medienbesessenheit und den Imperativ der Aufmerksamkeit, in dem man mit etlichen Beispielen, die man allerdings auch aus Zeitungen kennt, überschüttet wird. Kap. 5 stellt den Fokus auf das Familienleben, die Beispiele bleiben auf 08/15 Zeitungswissensebene. Die These hier: „Dieser Siegeszug der kommerziellen Medienlogik… schwächt … die Leistungsfähigkeit der Familie.“ S. 151. Bleibt eher als Behauptung da. Ohne Statistiken oder ähnl., die dies belegen würden.
Und so ist man schon beim letzten Kapitel. Zunächst geht es mit weiteren Ausführungen, z.B. den Ansichten von Georg Franck, der Massenmedien als Märke sieht, die auf Aufmerksamkeit und deren Erzeugung spezialisiert sind. Die vier Bedrohungen für die sozialen Systeme der Gesellschaft sowie für die Familie wurden nochmals kurz zusammengefasst, Ulrich Wickerts Appell an die heutigen Journalisten bemüht: „Gebt den Menschen Orientierung. Helft ihnen beim Denken, bitte.“ Sein Buch von 2016 über die Medien schaut übrigens nach einem must read aus.
Und nun kommt Meyen zum Entschluss, dass die Frage nach der Resilienz bei Medien „…zugleich eine Frage nach der Resilienz der Gesellschaft“, S.172, ist. Gut möglich. Nun sollten die konkreten Vorschläge kommen, denkt man, aber nein, weitere Ausführungen, weitere Autoren und ihre Konzepte: Nick Coudry, Uwe Krüger, Alain de Botton, wenn auch kurz. Dann endlich kommt etwas, was nach möglichen Lösungsvorschlägen ausschaut, S. 177-178, schön versteckt zwischen den Zitaten. Nicht schlecht, auch wenn nichts Neues, leider realitätsfremd. Zur Umsetzung fehlen leider die Anreize, auch im Mediensystem selbst, das gemachte Nest des Imperativs der Aufmerksamkeit, das über die letzten Jahrzehnte gehegt und gepflegt, in hunderttausende von Köpfen eingepflanzt wurde, zu verlassen und sich auf den steinigen Weg der lückenfreien Aufklärung und einwandfreien Orientierung zu begeben. Es ist, als ob aus den aufmerksamkeitssüchtigen Königen ohne Kleider aus dem bekannten Grimmschen Märchen plötzlich Don Quichotes werden sollen, die mit den Windmühlen des Systems furchtlos kämpfen sollen, um den Journalismus und die Gesellschaft insg. zu retten.
Die Vorschläge ganz zum Schluss S. 184-185 sind wieder zwar nicht von der Hand zu weisen. Darüber kann man gern nachdenken und in Bekanntenkreisen ausdiskutieren. Aber ob das den gegenwärtigen Trend umkehren kann, der gern mithilfe von großzügigen Etats gepusht wird, was auch im Text erwähnt wurde, bleibt eine große Frage.
Fazit: Ein gutes Buch über die Medien von heute, das man durchaus gern lesen kann, wenn man sich als Einsteiger dem Thema nähern möchte, manches gar kennen sollte. Das Buch ließ sich insg. gut lesen. Die Ausführungen sind verständlich und bildhaft dargelegt worden, wobei sie doch viel Aufmerksamkeit forderten. Der selbst gestellten Aufgabe, s.o., wird es gerecht. Die Verweise auf Werke anderer Autoren zu diesem Thema, die man auch den Quellen entnehmen kann, stellen eine Bereicherung dar.
Insg. fällt das Buch von Meyen aber etwas flach aus. Fußball sowie Banalitäten des Alltäglichen nehmen hier einen zu großen Teil der Ausführungen ein. Die Vorschläge haben zwar ihre gute Seite, sind aber unter den gegenwärtigen Bedingungen eher utopisch.
Wer tiefer in die Materie einsteigen und ein richtig gutes, aufschlussreiches Buch zu dem Thema lesen möchte, der greift zu „Lügen die Medien?“ von Jens Wernicke.
Dieses Werk ist allenfalls eine nette Ergänzung dazu, das durch den Titel mehr verspricht als es im Endeffekt liefert.