Cover-Bild Vagina
6,99
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT E-Book
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Gesellschaftliche Gruppen
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Ersterscheinung: 23.07.2019
  • ISBN: 9783644002968
Naomi Wolf

Vagina

Eine Geschichte der Weiblichkeit
Barbara Imgrund (Übersetzer), Gabriele Gockel (Übersetzer), Karola Bartsch (Übersetzer)

Eine radikale und faszinierende Entdeckungsreise durch den Körper und die Seele von Frauen – von der Leitfigur des amerikanischen Feminismus. Die Vagina ist die Essenz der Weiblichkeit, davon ist Naomi Wolf überzeugt. Sie widmet sich nicht nur ihren sexuellen, sondern auch den kulturgeschichtlichen Aspekten. Welche Rolle spielt die Vagina in der Kunst? Inwieweit hat Pornografie unseren Blick auf den weiblichen Körper verändert? Welche Auswirkungen hat sexuelle Gewalt auf das Gehirn von Frauen? Weshalb muss heute die Vagina bestimmten Schönheitsidealen entsprechen? Naomi Wolf entschlüsselt, wie sehr der Umgang mit dem weiblichen Körper auch für den Umgang mit Frauen in unserer Gesellschaft steht.

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Veröffentlicht am 04.08.2019

Vielfältiger Überblick über Geschichte, Literatur, Physiologie und Psychologie

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Naomi Wolf ist eine amerikanische Journalistin. Manchem ist vielleicht bereits ihr Buch "The Beauty Myth/Mythos Schönheit" bekannt.

Zu Beginn erläutert die Autorin die großen Unterschiede im Körperbau ...

Naomi Wolf ist eine amerikanische Journalistin. Manchem ist vielleicht bereits ihr Buch "The Beauty Myth/Mythos Schönheit" bekannt.

Zu Beginn erläutert die Autorin die großen Unterschiede im Körperbau von Frauen:
«Jede Frau ist anders innerviert. Bei einigen Frauen verzweigen sich die Nerven mehr in die Vagina, bei anderen mehr in die Klitoris. Bei manchen wird hauptsächlich der Damm versorgt oder der Muttermund, also der Eingang des Gebärmutterhalses. Das ist der Grund für die großen Unterschiede in der weiblichen Erregbarkeit.»

Daher könnten Männer sich nicht darauf verlassen, was bei der letzten Partnerin im Bett "funktioniert" habe, vielmehr müssten sie sich ganz neu einlassen und die Reaktionen der jetzigen Freundin entdecken. Oft sei es nicht die "Schuld" der Frau, dass sie keinen vaginalen Orgasmus bekomme, sondern es liege am Körperbau.

Sie misst dem Stresspegel der Frau eine große Bedeutung für die Qualität des Orgasmus zu:
"Um den transzendentalen Zustand zu erreichen, der das weibliche Gehirn in den Orgasmus katapultiert, muss frau sich absolut sicher fühlen – sicher vor schlechtem Stress, und zwar durch das Wissen, dass sie in besagten Trancezustand in Gegenwart eines anderen Menschen eintritt, der sie beschützen wird, wenn das nötig sein sollte, und sie nicht in Gefahr bringt oder in eine Situation, die sich ihrer Kontrolle entzieht."

Im zweiten Abschnitt schreibt Wolf über die soziale Kontrolle der weiblichen Sexualität. Über verbale Herabwürdigung, Vergewaltigung und Trauma zu lesen, fand ich emotional sehr anstrengend.
Sie schlägt einen Bogen von den uralten Göttinnenreligionen mit heiliger Hochzeit und Tempelprostitution über Scham und Hexenverbrennung im Mittelalter zur letzten Jahrhundertwende, als viele Künstlerinnen über sexuelle Befreiung schrieben oder malten. Sehr interessant war auch die Darstellung der Vagina in der Bluesmusik.
Als positives Beispiel nennt sie ebenfalls verschiedene östliche Epochen, in denen die Vagina als allerheiligster Ort im Universum galt, und als Himmelstor oder Blütenteich bezeichnet worden sei.

Im dritten Abschnitt berichtet die Autorin über die heutige Zeit und wie Pornografie, die Verküpfung von Sex und Gewalt sowie die Nutzung eines Vibrators zu Desensibilisierung und Abstumpfung führe.
Während in pornografischen Schriften der vikorianischen Zeit noch sehr liebevoll und zärtlich über die Vagina geschrieben worden sei, gleiche die Vagina heute Junkfood:
"Dieser Slang legt nahe, dass westlich geprägte junge Männer von heute Vaginas nicht wie früher mit dunkler Magie und auch nicht mit ihren eher boshaft beleidigenden Assoziationen gleichsetzen; stattdessen evozieren die meisten Begriffe minderwertige Junkfood-Massenware und sind nicht gerade von emotionaler Wucht."

Im letzten Abschnitt widmet sich die Autorin der Frage, wie man "die Göttin zurückholen" könne. So bezeichnet sie die Aktivierung der Entspannungsreaktion der Frau. Sie besucht einen Tantra-Workshop und einen Therapeuten für Vaginalmassage.
Ihre Vorschläge für Männer klingen allzu simpel, aber es ist genau das, was ich mir von einem Partner wünschen würde:
"Schau ihr in die Augen."
"Streichle sie."
"Höre ihr zu und rede mit ihr."
"Schenke ihr Schutz, Zeit und Zärtlichkeit."

Fazit: Das Buch bietet einen guten Überblick über das Thema, ist aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Ich fühle mich in dem bestätigt, was ich intuitiv gefühlt habe - dass Zeitdruck und emotionaler Stress destruktiv sind und dass Überstimulierung durch einen Vibrator oder Pornografie desensibilisiert.
Störend fand ich, dass die Autorin bei einem Interview Suggestivfragen gestellt hat. Die Schilderung der Göttinenkultur und der heiligen Hochzeit war nicht korrekt eingeordnet. Die Vermählung eines Herrschers mit der Göttin in Gestalt der Priesterin ist schon der erste Schritt hin zur patriarchalen monotheistischen Religion gewesen. Die Interpretation der Schlangen in der Hand der minoischen Göttin als Penisse ist falsch. Schlangen symbolisieren üblicherweise Tod und Wiederauferstehung.
Sie schreibt mehrfach von der Aktivierung des ANS (des autonomen Nervensystems), was missverständlich ist. Sie meinte sicher die Aktivierung des Parasympatikus für die Entspannungsreaktion.

Mich als Single ließ das Buch aber auch etwas ratlos zurück, weil die Autorin von Transzendenz und gesteigerter Kreativität nach dem Orgasmus schwärmt. Gerade weil ich keinen Partner habe, habe ich genug Zeit und Energie, kreativ zu sein. Und Transzendenz lässt sich auch über andere Wege erreichen.
Darüberhinaus hat Naomi Wolf im Buch Marnia Robinson und ihre Texte über Dopamin erwähnt, nicht jedoch, dass diese explizit empfiehlt auf Orgasmen zu verzichten. Das Dopamin-High und der abschließende Absturz würde die Gefühle durcheinanderbringen und eher zu Unruhe und Unzufriedenheit in der Beziehung führen. Die Karezza-Technik dagegen schaffe mehr Verbundenheit und langfristig stabile Partnerschaften (ganz interessant dazu sind z.B. als Einstieg die Artikel der Autorin Marnia Robinson auf Huffington Post).