Es ist kein Geheimnis mehr, dass sich Neal Shusterman nach seiner Vollendet-Reihe zu einem meiner Lieblingsautoren gemausert hat. Nachdem mich auch seine Scythe Reihe überzeugen konnte, war ich sehr gespannt auf seine neue Dystopie, die er gemeinsam mit seinem Sohn Jarrod geschrieben hat.
Und was soll ich sagen? Wieder einmal hat Shusterman es geschafft ein beängstigendes und dennoch realistisches dystopisches Setting zu schaffen, das mir schon nach den ersten Kapiteln ein beklemmendes Gefühl ausgelöst hat: Der Erde geht das Wasser aus - was nun? Die Autoren verlieren keine Zeit und werfen dendie Leserin mitten ins Geschehen. Die Story beginnt ab dem Zeitpunkt, nachdem die Wasserknappheit bereits eingetreten ist und die Menschheit kein fliessendes Wasser mehr zur Verfügung hat, sondern mit seinen eigenen Vorräten zurechtkommen muss.
Als Erzählstil verwenden die Shustermans die abwechselnd die Ich-Perspektive aus der Sicht von verschiedenen Charakteren, deren Handlungsstränge durch die Wasserknappheit verknüpft werden. Erzählt werden die Ereignisse unter anderem durch die beiden jugendlichen Geschwister Alyssa und Garrett, ihren Nachbarn und Sohn reicher Eltern Kelton, die Einzelgängerin Jacqui und dem gerissenen Betrüger Henry. Der Perspektivenwechsel ist den Autoren äusserst gut gelungen und es wurde viel Wert darauf gelegt, den Eigenheiten der Charaktere Rechnung zu tragen. Die Handlungen der verschiedenen Charaktere werden im Laufe der Geschichte durch ganz unterschiedliche Motive geleitet, was sich auch in ihren Verhaltensweisen äussert. Ich bin überzeugt davon, dass man auch ohne Namen hätte herausfinden können, um wen es gerade geht und das spricht für eine gelungene Charakterisierung der einzelnen Protagonisten.
Das Thema mit der Wasserknappheit fand ich auf eine bizarre Weise faszinierend, denn anders als das dystopische Setting aus der Vollendet-Reihe, ist hier noch einmal eine Spur mehr Realismus enthalten. Der Gedanke, dass irgendwann überlebensnotwendige Ressourcen, wie in diesem Fall das Wasser, ausgehen, ist nicht nur denkbar, sondern vermutlich irgendwann sogar unausweichlich. Umso beklemmender war für mich die Auseinandersetzung mit diesem Thema, das zurecht eine Massenpanik bei den Menschen im Buch ausgelöst hat. Was mir besonders gut gefallen hat, ist der Umstand, dass am Anfang vor allem ganz alltägliche Situationen herausgepickt werden, die durch die Wasserknappheit nicht mehr möglich sind. Alyssa fällt es zum Beispiel zu spät ein, dass sie ja nicht wie üblich die Dusche betätigen kann, um sich ihre Haare zu waschen. Das zeigt wiederum auf sehr realitätsnahe Weise auf, wie selbstverständlich wir die Verfügbarkeit von Wasser in unserem Alltag nehmen und wir uns dessen erst so richtig bewusst werden, wenn es eben gerade nicht mehr auf selbstverständliche Weise zugänglich ist.
Über den Story Verlauf möchte ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten, denn der Plot konnte bei mir weniger durch reisserische Ereignisse aufgrund von Massenpanik punkten, sondern vor allem durch die Situationen, in denen die Charaktere schwierige moralische Entscheidungen treffen mussten, die durch ihren jeweiligen Überlebensdrang beeinflusst wurden. Immer wieder werden die fünf Protagonisten durch ihren Überlebenskampf auf die Probe gestellt und die Grenzen zwischen Richtig oder Falsch beginnen mit zunehmendem Durst zu schwinden. Und genau in solchen Situationen werden die individuellen Schwächen der einzelnen Protagonisten in den Fokus gerückt, der mir den einen oder anderen Charakter auch unsympathisch gemacht haben - denn: Nicht jeder von ihnen ist ein Teamplayer und es gibt Menschen, die in der Not ihren Nutzen ziehen. Aber genau das war es auch, was das Buch so spannend gemacht hat und vermutlich auch der Realität entspricht.
Trotz all des Lobes musste ich dennoch einen Stern abziehen und der Grund dafür liegt vor allem am Schluss. Während ich bisher vor allem den realistischen Bezug der Handlung positiv hervorgehoben habe, driftet das Ende ein bisschen in einen dramatischen, actiongeladenen Höhepunkt ab, der dann durch eine in meinen Augen eher konstruierte Wendung in einem kitschigen Happy End endet, das ist so ehrlich gesagt niemals erwartet hätte. Mir gingen die Entwicklungen am Ende irgendwie zu schnell und die Probleme, die sich allmählich aufgestaut haben, wurden für meinen Geschmack zu einfach und zu schnell aufgelöst. Mit einem düsteren, dafür aber wahrscheinlich viel realistischerem Ende, hätte das Buch von mir vermutlich die volle Punktzahl bekommen. So wie es aber hier gelöst wurde, hat es für mich nicht so ganz zum Rest der Geschichte gepasst, deshalb fand ich den Schluss etwas unbefriedigend.
Zum Schreibstil kann ich abschliessend nur Positives anmerken: Er war wie gewohnt packend und flüssig. Ich vermute, dass die Shustermans hier sehr eng zusammengearbeitet haben und obwohl das Buch eine Zusammenarbeit zwischen Vater und Sohn war, war Neals Schreibstil unverkennbar herauszulesen.
Fazit:
Ein weiterer beklemmender, sehr realistischer dystopischer Roman, den Neal Shusterman hier gemeinsam mit seinem Sohn Jarrod geschrieben hat. Das Buch befasst sich mit den Folgen einer weltweiten Wasserknappheit, die einerseits zu Angst und Panik und andererseits auch zu einem Überlebenskampf führt, der einige Menschen über Leichen gehen lässt. Die Shustermans haben hier auf packende Weise ein beängstigendes Setting geschildert, das aus der Sicht von fünf unterschiedlichen Charakteren erlebt wird. Nur für das eher kitschige und schnell abgehandelte Ende musste ich letztendlich einen Stern abziehen. Ansonsten kann ich das Buch wärmstens weiterempfehlen!