Ach ja, das war ganz nett soweit. Nichts außergewöhnliches, aber doch spannend und unterhaltsam. Nach Die Mauer ist dies bereits mein zweites "Cli-Fi"-Buch in kürzester Zeit, ein Genre, das zu Recht boomt - schön, dass es mit "Dry" auch eine aktuelle YA-Variante gibt.
Die Geschichte und unmittelbaren Folgen des "Tap Outs" - also des kompletten Zusammenbruchs der Wasserversorgung in Südkalifornien - sind erschreckend gut dargestellt. Dass die Zivilisation innerhalb kürzester Zeit zusammenbricht, wenn es kein Wasser mehr gibt, ist ein durchaus vorstellbares, dadurch aber nicht minder grusliges Ereignis. Das Vater-Sohn-Autorengespann hat hier zwar kein verstörend brutales Splatterbuch hingelegt, die Unmenschlichkeit, den Verlust vom Empathie und die zahlreichen moralischen und ethischen Dilemmas, mit denen die Figuren konfrontiert werden, aber durchaus so aufgeschrieben, dass die ein oder andere Szene durch ihre Grausamkeit besticht: Fies und kompromisslos, aber alles im guten Rahmen.
Kleine Abstriche sind bei der klischeehaften Zeichung der Hauptcharaktere zu machen. Die vier Teenager/Jugendlichen und ein Kind, die wir auf ihrer Suche nach Schutz und Wasser begleiten, decken so ziemlich jedes Spektrum ab, bewegen sich innerhalb ihres Areals dann aber in recht festgesteckten Grenzen. Eine ist unfassbar naiv, einer fast schon paramilitärisch gut auf jegliche Art des Ausnahmezustandes vorbereitet und gleichzeitig stalkerhaft veranlagt, eine ist die toughe Außenseiterin, die sowieso über allem steht, und der vierte Teenager stellt wohl so eine Art Jungen Liberalen dar, einen egoistischen Geschäftemacher, der die Krise eigentlich nur für seinen eigenen Profit ausschlachten will. Der jüngere Bruder der Ersterzählerin stellt wohl noch am meisten einen ganz normalen Jungen ohne vorgefestigte Rolle dar, aber nun, er ist ja auch erst zehn und weiß es vielleicht nicht besser.
Hier hat mir ein bisschen eine ganz "normale", ja, "vernünftige" Erzählstimme gefehlt. Doch die beiden Elternpaare, die uns zu Beginn präsentiert werden, sind ebenso extrem dargestellt wie die Kinder: Auf der einen Seite die völlig Naiven, die vom Tap Out kalt erwischt werden und sich weder gedanklich noch in Sachen Versorgung auf so einen Moment eingestellt haben. Liebe, nette Menschen, aber ignorant. Auf der anderen Seite die absolut übervorbereiteten Paranoiker, die vom Waffenarsenal bis hin zum geheimen Fluchtbunker an alles für jeden Anlass gedacht haben - hier hatte vor allem der Vater Züge, die mich irgendwie an die Reichsbürger-Bewegung haben denken lassen, gruselig.
Nun, wo sind hier die erwachsenen Menschen, die die Situation haben kommen sehen und rationale Vorkehrungen getroffen haben? Verdränger oder Panikschieber, da muss doch noch was dazwischen passen? Oder steht das Ganze sinnbildlich für die aktuelle Elterngeneration, die sich von ihren Kindern zum Handeln drängen lassen müssen, wieder Stichwort #fridaysforfuture? Vermutlich ist das alles etwas weit gegriffen, das Buch wurde im Orginal ja deutlich vor dieser Entwicklung veröffentlicht. Trotzdem ein interessanter Gedanke, geht ja irgendwie auch ein bisschen in Richtung selbsterfüllender Vorhersehung.
Was ich dem Buch sehr hoch anrechne: Es gab keine überflüssige romantische Nebenhandlung. Gefühle spielen zwar durchaus eine Rolle, aber für ein YA-Buch war dies erfrischend inhaltkonzentriert, das hat mir gut gefallen. Dazu kurze Kapitel mit viel Action und immer wieder eingestreute "Snap shots" - so was wie Kurzgeschichten innerhalb der Geschichte, die für wenige Seiten das Schicksal anderer Betroffener und ihrer jeweiligen Lage beleuchten: Die Mutter, die versucht, mit ihren Kindern zu fliehen, die Reporterin, die über den Tap Out berichten soll, der Pilot eines Löschflugzeugs. Ein gutes Gimmick. Ich bin grundsätzlich nicht abgeneigt, mir mal die anderen Bücher von Shusterman anzuschauen.