Herrlich unterhaltsam
Maria Christina Palma ist Mitte vierzig, Mutter einer Zehnjährigen und die Frau des italienischen Ministerpräsidenten Domenico Mascagni. Letzteres hat sie selbst entschieden. Ihre Tochter Irene ist umgeben ...
Maria Christina Palma ist Mitte vierzig, Mutter einer Zehnjährigen und die Frau des italienischen Ministerpräsidenten Domenico Mascagni. Letzteres hat sie selbst entschieden. Ihre Tochter Irene ist umgeben von Hauspersonal und trifft längst ihre eigenen Entscheidungen.
Nicht alle Italiener feiern die Gattin des Ministerpräsidenten. Im Allgemeinen glaubt man, sie seien gar kein Paar, die Tochter müsse aus der Retorte kommen und auch wenn sie zur schönsten Frau der Welt gekürt wurde, sei sie doch nur ein hohles Gefäß.
Maria Christina hat bisher, auch wenn es so wirkt, nicht immer Glück gehabt. Sie war zwölf, als ihre Mutter starb, was der Vater als Grund verstand, sich aus dem Staub zu machen. Sie lebte mit ihrem geliebten Bruder bei ihren Großeltern, doch als sie zwanzig war verlor sie ihn bei einem Tauchgang ans Meer. Ihr erster Mann war ein erfolgreicher Schriftsteller. Als der Erfolg nachließ wurde er dick und träge. Ihn verlor sie bei einem Autounfall. Sie konnte sich aus dem brennenden Fahrzeug retten, er nicht.
Durch einen Zufall trifft sie mitten in Rom ihre frühe Liebe Nicola Sarti wieder. Sie hatten sich mehr als zwanzig Jahre nicht mehr gesehen. Gut sieht er aus, grau meliert, Dreitagebart, verwaschene Designerklamotten, Rolex am Arm. Er begutachte gerade sein neuestes Hotelprojekt und überredet sie, sich ihm anzuschließen.
Nach ihrem Treffen schickt Sarti ihr Fotos, die er damals von ihr und ihrem Bruder aufgenommen hat, von dem Kutter, mit dem sie unterwegs waren. Dann sendet er ihr ein Video, das sie in einer höchst kompromittierenden Situation zeigt. Nachdem sie das Filmchen eine Weile auf sich wirken lässt, brennen ihr alle Sicherungen durch.
Fazit: Niccoló Ammaniti hat mich geflasht. Ich liebe diese Geschichte, die so schreiend komisch ist, dass sie fast schon eine Parodie auf die europäische Gesellschaft sein könnte. Seine Protagonistin ist eine schillernde Persönlichkeit, die weiß, wie man sich zur Schau stellt. Als Politikerehefrau muss sie diverse Erwartungen erfüllen, die sie in Kauf nimmt, um die Annehmlichkeiten eines reichen Lebens auskosten zu können. Mit ein wenig Wehmut stellt sie fest, dass sie nicht bei jedem gut ankommt. Sie merkt, dass ihre Schönheit vergänglich und die Leidenschaft abhandengekommen ist. Mit großer Treffsicherheit zeigt der Autor den gesellschaftlichen Sozialneid ebenso, wie die latente Frauenfeindlichkeit, die Maria Christina von allen Seiten entgegenschlägt. Die temporeiche Geschichte ist voller Wendungen und herrlicher Alltagskomik. Das war unglaublich fesselnd und unterhaltsam.