Wohlbehütet aufgewachsen als einziges Kind in einem reichen Elternhaus sieht die junge Lady Jasmin Devereux einer aussichtsreichen Zukunft entgegen. Mit Hubertus Argyle, einem einflussreichen Zeitungsverleger, ist sie verlobt und sieht der Hochzeit aufgeregt entgegen. Als sie Hubertus einen Überraschungsbesuch in seinen Londoner Geschäftsräumen abstattet, muss sie erkennen, dass sie ihn in ihrer Naivität angebetet und sein berufliches Handeln und Tun bisher nicht hinterfragt hat. Hubertus geht für die Auflagensteigerung seiner Zeitung über Leichen und schert sich nicht darum, dabei die Existenzen und den Ruf von Menschen zu zerstören. Diese Erkenntnis lässt Lady Jasmin in Mattingley Hall Zuflucht suchen, wo sie sich inkognito als Hausangestellte verdingen will. Doch ihr Versteck bleibt nicht lange geheim …
Nicola Vollkommer hat mit „Flucht nach Mattingley Hall“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser auf eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert nach England einlädt. Der flüssige, bildreiche und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser sofort für sich ein und lässt ihn bis zum Ende regelrecht an den Seiten kleben, Lady Jasmin bei ihren Erlebnissen über die Schulter zu sehen und auch ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen. Die Autorin hat gut recherchiert und spickt ihre Handlung mit historischen Details über die damaligen gesellschaftlichen und alltäglichen Gepflogenheiten, die dem Leser ein gutes Bild vermitteln. Nicht nur die beschwerliche Art des Reisens wird thematisiert, auch die Unruhen der Arbeiter finden hier Erwähnung. Interessant ist auch der Ausflug in die Pressewelt, die keine Hemmungen hat, mit fingierten Nachrichten die Auflage zu steigern und sich dabei recht fragwürdiger Methoden bedient. Jasmin selbst ist so behütet aufgewachsen, dass ihr diese Welt vollkommen fremd ist und sie einen recht naiven Blick auf das wirklich Leben hat, bis die doch recht skrupellose Art ihres Verlobten ihr die Augen öffnet und sie selbst in die Schusslinie gerät. Die Geschichte liest sich aufgrund der verknüpften Themen sehr kurzweilig und spannend. Dabei wird der christliche Aspekt unaufdringlich miteingewebt. Es geht darum, Vertrauen in Gott zu haben und daran zu glauben, dass er in jeder Lage an der Seite derer ist, die ihn brauchen und sich in seine Hände begeben.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Ecken und Kanten versehen, so dass der Leser sich schnell mit ihnen wohlfühlt und mit ihnen hofft, bangt und mitfiebert. Lady Jasmin wurde bisher durch ihre Familie vor den Gefahren des Lebens geschützt, weshalb sie zu Beginn etwas versnobt, aber auch sehr naiv wirkt. Doch im Verlauf der Handlung besinnt sie sich nicht nur auf die ihr vermittelten christlichen Werte, sondern gewinnt an Selbstsicherheit, Demut und Stärke dazu. Hubertus ist ein Wolf im Schafspelz, der nur an sich selbst denkt und ohne Rücksicht auf Verluste andere ins Unglück stürzt. Ebenso leisten weitere Protagonisten mit ihren Auftritten überzeugende Arbeit, so dass die Geschichte durchweg spannend und unterhaltsam ist.
„Flucht nach Mattingley Hall“ ist ein historischer Roman, der mit einer Mischung aus Liebe, Geheimnissen und Intrigen vollends überzeugen kann und für sehr spannende Lesestunden sorgt. Absolute Leseempfehlung für einen echten Pageturner!