Cover-Bild Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zur Erfassung der arbeitsorganisatorischen Bedingungen in der stationären Krankenpflege
16,00
inkl. MwSt
  • Verlag: sierke VERLAG - Sierke WWS GmbH
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Psychologie
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Ersterscheinung: 22.09.2011
  • ISBN: 9783868443660
Nicole Stab

Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zur Erfassung der arbeitsorganisatorischen Bedingungen in der stationären Krankenpflege

Dem seit Jahren bestehenden kontinuierlichen Abbau zahlreicher Pflegestellen in deutschen Krankenhäusern steht ein ständig steigender Pflege- und Betreuungsbedarf der heutigen Gesellschaft gegenüber (Isfort & Weidner, 2007). Die Folgen sind, neben der Erhöhung qualitativer und quantitativer Anforderungen, eine steigende Arbeitsbelastung für das Pflegepersonal (Bartholomeyczik, 2007; Hacker, Merboth et al., 1997; Isfort & Weidner, 2007). Zahlreiche Befunde in der Literatur weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Fehlbeanspruchungsfolgen der Pflegenden hauptsächlich auf arbeitsorganisatorische Aspekte zurückzuführen sind (vgl. Hasselhorn, Müller et al., 2005; Tummers, Landeweerd et al., 2002).Doch existieren in Deutschland keine geeigneten Verfahren, die arbeitsorganisatorische Gegebenheiten in der stationären Krankenpflege umfassend erfassen und zudem ausreichend valide und reliable Instrumente darstellen. Dementsprechend erscheint es erforderlich ein auf die deutschen Verhältnisse angepasstes Verfahren zu entwickeln und in Bezug auf Validitäts- und Reliabilitätskriterien zu überprüfen.
Arbeitsorganisation wird nach der Definition von Grap (1992) in sieben Dimensionen aufgegliedert. Das konstruierte Verfahren besteht aus insgesamt 50 Einzelitems, die inhaltlich den sieben Dimensionen von Arbeitsorganisation zugeordnet werden können. Es ist zweigeteilt: Einerseits wird der Ist-Stand der Arbeitsorganisation auf Station anhand des Erlebens der Arbeit der beschäftigten Pflegenden erfragt und andererseits werden Aussagen zum tätigkeitsspezifischen Beanspruchungserleben der Pflegenden erhoben.
Insgesamt konnten 572 Pflegende von 62 somatischen Stationen unterschiedlicher medizinischer Fachgebiete untersucht werden. Aufgrund der Besonderheiten bei der Ermittlung der testtheoretischen Güte von Arbeitsanalyseverfahren, bei denen nicht die Ermittlung von Personenmerkmalen, sondern die Merkmale der Arbeitstätigkeit im Vordergrund stehen, wurden in Anlehnung an Oesterreich und Bortz (1994) doppelte Fragebogenuntersuchungen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um unabhängige Befragungen von verschiedenen Personen zur gleichen Arbeitstätigkeit. Dies ermöglicht die Ermittlung der Reliabilität anhand des Grades der Übereinstimmung zwischen den befragten Personen. Aussagen zur Inhaltsvalidität wurden anhand theoretischer Überlegungen getroffen. Die Kriterienvalidität wurde durch den parallelen Einsatz der Skala zur emotionalen Erschöpfung (Hacker & Reinhold, 1999) überprüft, da arbeitswissenschaftlichen Befunden zu Folge ein hochsignifikanter Zusammenhang von organisationaler Belastung und emotionaler Erschöpfung nachgewiesen werden kann (z. B. Dawiskiba, Röttger et al., 2006; Neubach & Schmidt 2004). Die Überprüfung der Konstruktvalidität fand einerseits durch faktorenanalytische Prüfung und andererseits durch die bedingungsbezogene Bewertung von 20 Stationen anhand eines standardisierten Beobachtungsleitfadens (Stab, 2009) durch externe Beobachter statt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die 50 Einzelitems des Verfahrens in die sieben Di-mensionen der Arbeitsorganisation (Grap, 1992) einordnen lassen und alle Dimensionen mit mindestens drei Items abgebildet werden können. Demnach wird die Inhaltsvalidität des Verfahrens angenommen. Die Bewertung der Arbeitsorganisation auf Station durch externe Beobachter zeigt, dass ein Zusammenhang mittlerer Effekt-stärke mit dem tätigkeitsspezifischen Beanspruchungserleben der Pflegenden besteht. Stationen, die durch die externen Beobachter als ungünstig organisiert bewertet wurden, weisen signifikant häufiger hohe Beanspruchungswerte der Pflegenden auf.

Demgegenüber zeigen sich auf Stationen, die durch die Beobachter als günstig organisiert eingeschätzt wurden, überzufällig häufiger niedrige Werte im tätigkeitsspezifischen Beanspruchungserleben. Für das Arbeitserleben und die externe Bewertung der Arbeitsorganisation auf Station kann kein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden, wobei ein Extremgruppenvergleich die Tendenz zeigt, dass niedrige (ungünstige) Werte im Arbeitserleben mit einer durch externe Beobachter eingeschätzten ungünstigen Arbeitsorganisation auf Station einhergehen. Somit kann die Konstruktvalidität zunächst nur für den Verfahrensteil des tätigkeitsspezifischen Beanspruchungserlebens angenommen werden. Ferner stehen beide Verfahrensteile (Arbeitserleben und tätigkeitsspezifisches Beanspruchungserleben) in einem Zusammenhang mittlerer Effektstärke mit der emotionalen Erschöpfung, wobei niedrige Werte im Arbeitserleben und hohe Werte im tätigkeitsspezifischen Beanspruchungserleben mit Ausprägungen kritischer emotionaler Erschöpfung einhergehen. Kriterienvalidität in Bezug auf die emotionale Erschöpfung kann dementsprechend angenommen werden. Um Aussagen zur Reliabilität des Verfahrens treffen zu können, wurde die Übereinstimmung der Pflegenden in Form einer Intraklassenkorrelation für jede Station berechnet und anschließend das arithmetische Mittel über alle Stationen gebildet. Die Faktoren des Arbeits- als auch des Beanspruchungserlebens zeigen zufriedenstellende mittlere Intraklassenkorrelationen. Zwei Faktoren des Arbeitserlebens unterschreiten den Grenzwert von.70 leicht. Trotzdem werden beide Verfahrensteile – auch aufgrund der „Schwere“ der zu er-fassenden Aspekte anhand der beiden Faktoren – als ausreichend reliabel bewertet. Der ‚Fragebogen zur Erfassung der arbeitsorganisatorischen Bedingungen in der stationären Krankenpflege‘ erscheint ein valides und reliables Verfahren darzustellen um die arbeitsorganisatorischen Gegebenheiten in der stationären Krankenpflege abzubilden. Durch die Konstruktion der zwei Verfahrensteile, einerseits das Arbeitserleben, das eine Ist-Analyse der arbeitsorganisatorischen Bedingungen auf Station ermöglicht und andererseits das tätigkeitsspezifische Beanspruchungserleben, das für die Mitarbeiter relevante, konkret zu gestaltende Aspekte der Arbeitsorganisation kennzeichnet, wird nicht bei der Analyse des Ist-Zustandes verharrt, sondern durch das Verfahren ein Übergang zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen ermöglicht.

Meinungen aus der Lesejury

Es sind noch keine Einträge vorhanden.