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Veröffentlicht am 15.08.2018

Interessante Einblicke ins Leben eines Astronauten und wunderschöne Aufnahmen unseres Planeten

166 Tage im All
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Kurzmeinung:
Ein großartiges Buch. Interessante Texte über das Leben des deutschen Astronauten Alexander Gerst auf der Raumstation ISS. Sehr informativ, dabei aber verständlich und sehr unterhaltsam. Die ...

Kurzmeinung:
Ein großartiges Buch. Interessante Texte über das Leben des deutschen Astronauten Alexander Gerst auf der Raumstation ISS. Sehr informativ, dabei aber verständlich und sehr unterhaltsam. Die wunderschönen Bildaufnahmen unseres blauen Planeten geben einem fast das Gefühl, selbst einen kleinen Ausflug in den Weltraum unternommen zu haben.


Meine Meinung:
Gestern Abend saß ich mit ein paar Freunden am Hafen, als ich plötzlich ein helles Licht am dunklen Nachthimmel sah, dass sich zügig, und ohne zu blinken von Westen nach Osten bewegte. Als ich dann freundlich gen Himmel gewinkt habe, hat das für irritierte Blicke bei meinen Freunden gesorgt. Aber schließlich ist gerade Alexander Gerst – der deutsche Astronaut auf der ISS – vorbeigeflogen. Da wäre es doch unhöflich, nicht zu winken.

Völlig gebannt habe ich im Juni im Livestream beobachtet, wie Alexander Gerst zu seiner zweiten Mission "Horizons" auf der ISS aufgebrochen ist. Das Weltall und die Raumfahrt fasziniert mich sehr und ich finde es so spannend, immer mehr darüber zu erfahren. Und da ist "166 Tage im All" genau das richtige Buch. Alexander Gerst berichtet über seinen Alltag auf der Internationalen Raumstation bei seiner ersten Mission 2014 – "Blue Dot". Er schreibt in einfacher und verständlicher Sprache über die Experimente, die er dort in der Schwerelosigkeit durchgeführt hat, über den Aufbau der ISS, über seinen Weltraumspaziergang und einfach das alltägliche Miteinander auf der ISS. Er gewährt uns Einblicke in das langwierige und schwierige Astronautentraining, die Vorbereitung auf die Mission, den Flug in der Sojus-Kapsel auf dem Hin- und Rückweg. Es ist also perfekt für alle, die sich für das Raumfahrtprogramm interessieren, oder schon immer mal wissen wollten, die man Astronaut wird.
Das Buch bietet nicht nur interessante Texte, sondern auch atemberaubende Bildaufnahmen, die unseren Planten aus einer Perspektive zeigen, die für uns sonst unerreichbar ist.

Ich habe viel Neues erfahren, sowohl über die Raumfahrt allgemein, als auch über die Mission "Blue Dot" speziell. So gab es zum Beispiel einige kritische Situationen an Bord. Eine sogar schon auf dem Weg dorthin, die die Mission fast beendet hätte, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Zum Glück ist ja alles gut gegangen, aber beim Lesen hatte ich trotzdem Herzklopfen und habe noch im Nachhinein mitgefiebert. Da wird einem richtig bewusst, wie lebensfeindlich das All eigentlich ist und was für eine außergewöhnliche Leistung der Menschheit es ist, dass wir das –die Raumfahrt, das Leben auf einer Raumstation im All– ermöglichen können.
In anderen Momenten des Lesens hingegen ist man weniger stolz, der Spezies Mensch anzugehören. Zum Beispiel, wenn man die Fotoaufnahmen betrachtet, die an abgeholzten Regenwäldern das ganze Ausmaß der menschlichen Zerstörungskraft erkennen lassen. Oder auf anderen Bildern sieht, wie der Krieg auf unserem Planeten sogar vom All aus zu sehen ist. Durch Gersts Perspektive von der ISS aus ist es noch unbegreiflicher als ohnehin schon, dass die Menschen sich gegenseitig und ihren Heimatplaneten zerstören. Sei es durch Krieg oder Klimawandel. Wir haben nur diesen einen Planeten, der uns mit allem versorgt, das wir zum Leben brauchen. Und der eigentlich ein absolutes Wunder ist –eine Oase im lebensfeindlichen Raum, der uns umgibt. Und es ist unglaublich, wie verantwortungslos wir mit dieser Oase umgehen.
Alexander Gerst schreibt darüber sehr eindrücklich, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Ich hoffe, er kann durch seine Worte und Bilder viele Menschen erreichen und wachrütteln. Bei mir hat er es auf jeden Fall geschafft.



Fazit:
Wahnsinnig interessante Texte über das Leben auf dem Außenposten der Menschheit im All werden begleitet von überwältigend schönen Fotoaufnahmen, die Gerst vom Weltraum aus geschossen hat. So gewährt er uns einen einzigartigen Blick auf unsere Erde mal von einer ganz anderen Perspektive. Diese Mischung aus wunderschönem Bildband, interessanten Fakten und persönlichen Erfahrungen macht dieses Buch zu etwas ganz besonderem. Ein "Must Have" für alle Spacenerds und Weltraumbegeisterten.
Ich hoffe ja sehr, dass es ein neues Buch über die zweite Mission "Horizons" geben wird. Bis dahin werde ich einfach weiter in diesem tollen Bildband blättern.

Veröffentlicht am 15.08.2018

Drei Frauen, drei Schicksale, eine Geschichte

Der Zopf
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Kurzmeinung:
Drei Frauen auf drei Kontinenten und drei sehr unterschiedliche Leben. Ein Buch voller Frauenpower, dass von interessanten und bewegenden Schicksalen erzählt und mich trotzdem irgendwie nicht ...

Kurzmeinung:
Drei Frauen auf drei Kontinenten und drei sehr unterschiedliche Leben. Ein Buch voller Frauenpower, dass von interessanten und bewegenden Schicksalen erzählt und mich trotzdem irgendwie nicht erreichen konnte.



Meine Meinung:
Drei Fauen auf drei Kontinenten. Eigentlich haben sie nichts miteinander zu tun. Dennoch werden ihre Geschichten nach und nach miteinander verflochten. Wie die drei Stränge eines Zopfs.

Es gibt Smita, eine Dali -eine Unberührbare, die in Indien dafür kämpft, dass ihre Tochter Bildung bekommt und es einmal besser hat, als sie selbst.
Dann gibt es Giulia in Sizilien, die versucht, die Perrückenfabrik ihrer Familie vor dem Bankrott zu retten.
Und die erfolgreiche Anwältin Sarah aus Montreal. Sie hat es geschafft, die gläserne Decke zu durchbrechen und ist Partnerin in einer angesehenen Kanzlei. Ständig muss sie sich beweisen und gegen männliche Kollegen durchsetzen. Um das zu erreichen, hat sie für sich eine strikte Trennung von Arbeit und Privatleben etabliert. Doch bald muss sie nicht nur ihre drei Kinder vor ihren Arbeitgebern verbergen, sondern auch eine schlimme Krankheit. Doch sie ist fest entschlossen, sich davon nicht in die Knie zwingen zu lassen.

Eigentlich eine sehr schöne Geschichte mit viel Potential. Trotzdem -so richtig erreichen konnte mich die Geschichte nicht. Die Schilderungen waren mit stellenweise zu knapp und zu oberflächlich.
Wirklich berührt haben mich Smitas Abschnitte. Es ist wirklich unvorstellbar, was die Frauen in Indien erleiden müssen. Und erst recht, wenn sie einer niedrigen Kaste angehören. Eine Frau ist dort nichts wert. Um einen Mann zu bestrafen, wird seine Frau oder Schwester vergewaltigt. Öffentliche Vergewaltigungen sind eine rechtlich anerkannte Strafe für bestimmte Vergehen von Frauen. Einfach absolut schrecklich und barbarisch und für mich unvorstellbar.
Auch Sarahs Abschnitte haben interessante Seiten. Sie hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Natürlich ist die Stellung der Frau in Kanada nicht mit der in Indien zu vergleichen. Dennoch gibt es auch für Sarah Schwierigkeiten. Als Frau muss sie in ihrem Beruf immer doppelt so viel Leisten, um sich gegen ihre männlichen Kollegen durchzusetzen. Sie beschreibt sehr anschaulich das Dilemma, dass sie hat, wenn sie für ihre berufliche Ambitionen lange Arbeitstage in Kauf nehmen muss und dafür wenig Zeit für ihre Kinder hat. Wie es sie zerreißt. Und das für ihre beiden Exmänner das nicht mal eine Frage war, sondern die Care Aufgaben ganz automatisch der Mutter zugefallen sind, obwohl beide Elternteile im selben Job arbeiten. Das alles sind Themen, an denen ich persönlich natürlich viel näher dran bin. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) war Sarah die Figur, die mich am wütendsten gemacht hat und mit deren Entscheidungen ich die größten Probleme hatte. Ich konnte ihre Haltung oft nicht nachvollziehen und das hat mich beim Lesen manchmal echt fuchsteufelswild gemacht.
Also auf dieser Ebene hat das Buch schon etwas in mir ausgelöst, gleichzeitig sind mir die Charaktere aber auch sehr fremd geblieben.

Oh, vollkommen verliebt bin ich aber übrigens in das wunderschöne Cover. Wie genial ist das bitte? Dafür gibt es definitiv ein paar dicke Pluspunkte! <3


Fazit:
Der Zopf von Laetitia Colombani wurde von vielen ja ganz überschwänglich gelobt. Ich kann mich dieser Begeisterung nicht so ganz anschließen.
Ich mochte es sehr, dass hier drei Frauen und ihr Schicksal im Mittelpunkt stehen. Und das (ausnahmsweise mal) ohne, dass sich ihr Handeln und ihre Gedanken um einen Mann drehen. Ein Buch voller Frauenpower. Das finde ich echt super.
Die Geschichten sind auch echt ganz nett und teilweise auch erschütternd. Sollten sie zumindest sein. Aber irgendwie hat das Buch nicht so richtig was in mir ausgelöst. Ich wurde nicht so richtig warm damit und konnte mich auch vielleicht nicht so sehr darauf einlassen. Am Ende hat mir auf jeden Fall das gewisse Etwas gefehlt.

Veröffentlicht am 15.08.2018

Perfekte Mischung aus Humor, Liebe und ernsten Themen.

Bis zum Himmel und zurück
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Kurzmeinung:
Ein großartiges Buch. Eine Mischung aus großartigem Humor, ernsten Themen, Liebe, aber ohne Kitsch. Oh, und Raumfahrt. Dieser Roman hat einfach alles.


Meine Meinung:
Als erstes eine Warnung: ...

Kurzmeinung:
Ein großartiges Buch. Eine Mischung aus großartigem Humor, ernsten Themen, Liebe, aber ohne Kitsch. Oh, und Raumfahrt. Dieser Roman hat einfach alles.


Meine Meinung:
Als erstes eine Warnung: lasst euch bloß nicht von diesem Klappentext in die Irre führen. Das Buch ist nämlich eigentlich ganz anders. Nämlich ganz wundervoll. Und überhaupt nicht Klischee lastig oder mega kitschig.

Ich fällt mir mega schwer, etwas zum Inhalt zu sagen, ohne zu viel zu verraten. Es geht um Katja, die in ihrer Kindheit einige Schicksalsschläge erleben musste und damit immer noch zu kämpfen hat. Und das wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Sei es in ihren Beziehungen oder in ihrem Berufsleben. Besonders jetzt, da sie eine Familienserie schreiben soll, kommt vieles von damals wieder hoch. Als sie dann noch erfährt, dass ihr Vater im Koma liegt und sie eine Halbschwester hat, gerät alles komplett aus den Fugen. Dann ist da auch noch ihr Freund Ratko, bei dem sie nicht so genau weiß, woran sie bei ihm jetzt eigentlich ist.
Aber das ist eigentlich nur die Oberfläche. Doch nach und nach erfahrt man mehr über die Vergangenheit der Charaktere, über die zugrundeliegenden Ereignisse und Probleme. Davon möchte ich nicht viel verraten, aber genau das ist es, was diesem Roman die große Tiefe gibt und es vollständig aus dem ChickLit-leichte-Beziehungslektüre Genre rauskickt.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr besonders und wirklich toll. Junk beobachtet ganz alltägliche Situationen und beschreibt sie aber so, dass das Komische dahinter zum Vorschein kommt. So zum Beispiel wenn sie in einer Bahnhofsszene die latente Reiseaggressivität beschreibt, mit der die Bahnfahrenden ihre wichtigen Bedürfnisse, seien es Sitzplatzreservierungen oder Ruheabteil, durchsetzen wollen.
Auch im den Beschreibungen des Zwischenmenschlichen ist Junk ganz groß. Sie trifft unglaublich gut den Kern von Beziehungen und kann diesen auch ganz natürlich vermitteln. Egal ob leicht krampfige Arbeitsbeziehung oder enge, langjährige Freundschaft –Junk trifft für jedes den richtigen Ton und lässt es absolut glaubhaft wirken.
Und das kombiniert mit dem herrlichen sarkastischen Humor. So zum Beispiel auch in diesem Dialog zwischen Katja und ihrer besten Freundin.


">>Kann ich auf eurem Sofa schlafen?<< >>Natürlich, aber was ist mit deinem Bett?<< >>Da liegt Ratko." >>Aber der ist da doch ständig drin. Ich dachte, das soll so.<<" (Bis zum Himmel und zurück, S. 127)


Ich bin beim Lesen oft so wütend und so traurig geworden. Und dann wieder musste ich laut lachen. Wenn eine Autorin solche emotionalen Reaktionen bei mir hervorrufen kann, dann sagt das wirklich einiges über ihren Schreibstil und ihr Können aus.



Fazit:
Einfach ein absolut geniales Buch! Lasst euch bloß nicht vom kitschig anmutenden Klappentext und Cover abschrecken. Keine Ahnung, was der Verlag sich dabei gedacht hat. Aber in dem Buch steckt eigentlich eine Mischung aus großartigem Humor, sehr viel Witz und Situationskomik, aber auch sehr ernsten und schwierigen Themen. Es geht um Alkoholismus, um Verlust, Schuld, Trauer, selbstverletzendes Verhalten. Und die Balance zwischen Heiter und Ernst gelingt der Autorin hervorragend. Natürlich gibt es auch eine Portion Liebe, aber hier kommt die Autorin ohne zuckrig-klebrigen Kitsch aus. Oh, und für alle Spacenerds gibt es auch den ein oder anderen Schmankerl. Ach, ich mach die Sache kurz: lest einfach dieses Buch! Und falls ihr es noch nicht getan habt, lest auch Junks ersten Roman "Auf Null".

Veröffentlicht am 15.08.2018

Fesselnde und schockierende Dystopie

Vox
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Kurzmeinung:
Dieses Buch hat mich so sehr gefesselt, dass ich es innerhalb von zwei Tagen verschlungen habe. Es hat mich zunächst sprachlos gemacht und dann unglaublich wütend. Es hat mich bewegt, erschüttert ...

Kurzmeinung:
Dieses Buch hat mich so sehr gefesselt, dass ich es innerhalb von zwei Tagen verschlungen habe. Es hat mich zunächst sprachlos gemacht und dann unglaublich wütend. Es hat mich bewegt, erschüttert und es war gleichzeitig schmerzhaft und gut, es zu lesen.


Meine Meinung:
Wow, was für ein Buch. Es fällt mir wirklich schwer in Worte zu fassen, was dieses Buch in mir ausgelöst hat. Zunächst einmal: es ist sehr gut geschrieben. Es zeichnet sich zwar nicht durch einen besonderen, herausragenden Schreibstil aus, dafür aber ist es unheimlich fesselnd und hat sehr viel Handlung.
Das Buch beginnt und man wird sofort mitten in die Handlung geworfen. Die neue, dystopische Welt existiert schon und wird der Leserin/ dem Leser nun nach und nach vorgestellt. Wir begleiten Jean, die Ich-Erzählerin. Sie erzählt von ihrem Alltag. Früher war sie eine angesehene Forscherin. Nun trägt sie, wie alle Frauen und Mädchen, einen Wortzähler am Handgelenk und ist selbst der fundamentalsten Rechte beraubt, dem Recht, frei zu reden. Nur 100 Worte haben weibliche Personen am Tag zur Verfügung. Überschreiten sie dieses Limit, werden sie mit schmerzhaften Elektroschocks bestraft. Sie dürfen nicht lesen, nicht schreiben, keine Zeichensprache benutzen, sich auch sonst auf keine Art und Weise ausdrücken.
Nach und nach erfährt man das ganze Ausmaß dieser Einschränkungen und wie es den Alltag beeinflusst. Kein Smalltalk mit dem Postboten, keine Kochbücher, in denen die Lieblingsrezepte notiert sind, keine ausführlichen Gespräche mit den eigenen Kindern und natürlich keine Möglichkeit zu arbeiten.
In Rückblicken erfährt man dann, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Wie eine radikal konservative Partei, oder eher eine Bewegung –die "Reinen"– mit einer sehr charismatischen Führungspersönlichkeit die "guten alten Zeiten" glorifizierten. Wie sie die alten Rollenaufteilungen propagierten und die "natürliche Ordnung" vom Mann als Führer und Familienoberhaupt und der Frau als gehorsame Dienerin anpriesen. Und wie emanzipierte Frauen wie Jean das zunächst als lächerlich abtaten. Solche radikalen und rückständigen Ansichten hätten doch nie eine Chance. Aber nach und nach wurden immer weniger Frauen in den Senat gewählt. Nach und nach wuchs die Zustimmung für Morgen LeBron und seine "Reinen". Und was als schleichender Prozess begann, war irgendwann plötzlich Realität und unumkehrbar.

In diesem Buch werden sehr viele, sehr wichtige Punkte vermittelt. Zum Beispiel die Bedeutung von politischer Teilhabe. Wie wichtig es ist, sich zu informieren und sich für seine Vorstellungen und Überzeugungen einzusetzen und nicht nur passiv zu sein und zu denken "So weit wird es schon nicht kommen". Das hat mich persönlich sehr bewegt und mich angesprochen, da es auch für mich in meiner aktuellen Lebenssituation viel Bedeutung hat. Denn auch ich habe vor der Bundestagswahl gedacht "Wo weit kann es doch nicht kommen. So eine Partei mit solchen populistischen Parolen, da fällt doch niemand drauf rein". Und dann kam es doch anders. Dieses Buch war für mich ein erneuter Weckruf, dass der Frieden und die politische Ordnung, in der wir leben niemals eine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass sie Arbeit und Engagement erfordert und das es so, so wichtig ist, seine Stimme und seinen Einfluss zu nutzen.

>> "Es ist nicht deine Schuld", sagt Lorenzo. Doch. (...) Meine Schuld begann vor zwei Jahrzehnten, als ich zum ersten Mal nicht zur Wahl ging, die unzähligen Male, an denen ich Jackie abwimmelte, ich hätte zu viel zu tun, um an einer ihrer Demos teilzunehmen oder Plakate zu basteln oder meinen Kongressabgeordneten anzurufen.<<
(Aus "Vox", S. 283)


Denn was passieren kann, wenn man das nicht tut, dass müssen die Frauen in "Vox" am eigenen Leib erfahren. Wie schnell es gehen kann. Dieses schreckliche Szenario der Entmündigung der Frauen ist so grauenvoll, so beängstigend. Und trotzdem ist der Weg dorthin so gut und realistisch beschrieben, dass es wie eine reale Möglichkeit erscheint. Und wenn man sich dann aktuell die sinkenden Zahlen an Frauen im Bundestag anschaut, Parteien, die ein Frauenbild aus den 50ern zurückfordern; da lief mir beim Lesen von "Vox" wirklich ein Schauer über den Rücken, weil ich einfach viel zu viele Bezugspunkte finden konnte.

In dem Buch kommt sehr gut rüber, wie sehr die Frauen unter den Einschränkungen leiden. Wie schlimm es für den Geist ist, so unterfordert zu sein. Wie grausam es für das soziale Wesen der Menschen ist, nicht kommunizieren und sich nicht ausdrücken zu dürfen. Besonders getroffen haben mich die Stellen, in denen Jean sich immer wieder einreden muss, ihren Mann und ihren Sohn nicht zu hassen. Das es die Machthaber sind und das System, das sie hasst.
Auch mich hat Steven, der älteste Sohn von Jean, so unglaublich wütend gemacht. Er verfällt der Ideologie der "Reinen" und nutzt seine Machtposition schamlos aus. Er fühlt sich schnell als etwas Besseres, als überlegen. Und das nur, weil er zufällig dem "richtigen" Geschlecht angehört. Das hat mich beim Lesen so wütend gemacht, dass ich mich ein paar mal wirklich beherrschen musste, nicht das Buch an die Wand zu schleudern.
Auch die Passagen, in denen die Auswirkungen auf Jeans Tochter Sonia zu sehen sind, haben mich sehr bewegt. Ein Mädchen, dass sich nicht an die Zeit "davor" erinnern kann. Für die das Leben schon immer von Wortkontingenten und Fügsamkeit bestimmt war. Kaum vorzustellen, wie so eine Generation von Frauen aussähe.

Ein Großteil der Handlung dreht sich dann um eine Chance, die Jean bekommt. Ich möchte nicht zu viel verraten. Nur so viel: ihr wird angeboten, wieder in ihrem alten Job als Neurolinguistin zu arbeiten. Es wird dann auch einiges über ihren Job und ihre Forschung geschrieben, was ich persönlich sehr spannend fand, da ich durch mein Studium auch einiges über Neuroanatomie und Neurolinguistik gelernt habe und mir das Broca Areal und die Wernicke-Aphasie ein Begriff waren. Da fand ich es dann ganz spannend, in einem Roman darüber zu lesen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es dem ein oder anderen etwas zu viele wissenschaftliche Fakten sind, zumal sie für den Verlauf der Handlung eigentlich nicht notwendig wären.
Ich muss gestehen, dass für mich dieser "Hauptteil" der Handlung eigentlich weniger interessant war. Klar, es ist spannend geschrieben und am Ende konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen, so gefesselt war ich. Aber was das Buch für mich zu etwas Besonderem macht, was mich so bewegt hat und noch lange beschäftigen wird, war nicht die actiongeladene Handlung, sondern das ganze Szenario und der (politische) Weg dorthin.

Einziger Wermutstropfen an diesem Buch war für mich das Ende. Ich kann hier natürlich nicht genau verraten, warum es mir nicht gefallen hat, da ich nicht zu viel verraten möchte. Aber ich denke, da hätte man einfach mehr draus machen können. Diese starke Geschichte hätte meiner Meinung nach ein besseres Ende verdient.


Fazit:
Ein Buch das aufrüttelt, das bewegt, das einen fesselt und lange nicht mehr loslässt. Es bietet rasante Handlung, Spannung, aber auch Gänsehautmomente und viele wichtige Gedankenanstöße. Es hat zwar auch seine Schwächen, aber über die sehe ich gerne hinweg, weil es so viel in mir ausgelöst hat –und das schafft nicht jedes Buch. Schon jetzt eines meiner Highlights in diesem Jahr.

Veröffentlicht am 03.07.2018

Hat Stärken und Schwächen

Mercy Seat
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Kurzmeinung:
Ein sehr großes Thema: Rassismus, ein Todesurteil aufgrund der Hautfarbe, ein Junge, der seine letzten Tage vor seiner Hinrichtung schildert. Leider konnte das Buch bei mir persönlich nicht ...

Kurzmeinung:
Ein sehr großes Thema: Rassismus, ein Todesurteil aufgrund der Hautfarbe, ein Junge, der seine letzten Tage vor seiner Hinrichtung schildert. Leider konnte das Buch bei mir persönlich nicht das halten, was ich mir von der Geschichte versprochen habe. Wegen des wichtigen Themas und den starken Abschnitten über den Verurteilten ist es aber trotzdem lesenswert.


Meine Meinung:
Ein Buch mit einem unglaublich wichtigem Thema, mit sehr viel Potential. Ich wünschte, ich hätte es mehr mögen können. Aber irgendwie hat es mich nicht so richtig berühren können.
Wills Abschnitte sind mir echt unter die Haut gegangen, aber davon gab es so wenig. Und die anderen Abschnitte haben mir einfach zu oft gewechselt. Ingesamt wird die Geschichte aus Sicht von 9 verschiedenen Personen erzählt. Und das sind mit einfach zu viele Perspektiven, zu viele Wechsel, als das ich da mit jemandem wirklich hätte mitfühlen können. Dadurch sind für mich die Gefühle und Motive der einzelnen Personen manchmal auch zu sehr an der Oberfläche geblieben.

Dieses Buch befasst sich wirklich mit krassen Themen. Todesstrafe. Rassismus. Ein Junge, der aufgrund seiner Hautfarbe sterben muss. Man bekommt Einblicke in seine Gedanken, wie er seine letzten Tage au Erden erlebt. Das ging mir wie gesagt wirklich unter die Haut. Aber man lernt auch viele andere Charaktere kennen. Den Pfarrer, der nicht weiß, wie er dem Jungen und seinen Eltern helfen kann, welchen Rat er geben soll und wie er Trost spenden kann. Die Wutbürger, die nichts haben, außer ihrem Hass. Den Vater, der seinen Sohn im Krieg verloren hat und nicht weiß, wie er es seiner Frau sagen soll. Alles sehr ergreifende Schicksale und bedrückende Ereignisse. Durch die vielen und schnellen Perspektivwechsel ist mir aber trotzdem keine der Personen so wirklich nahe gekommen und die Stimmung kam nicht so richtig bei mir an. Vielleicht war das aber auch ganz gut so. Vielleicht hätte ich die Lektüre anders auch gar nicht ertragen, gerade weil es um so unglaublich bewegende Themen geht.

Sehr gut transportiert hat das Buch aber die (auch teils gespaltene) Stimmung in der Gesellschaft zu der Zeit, und auch die Tatsache, dass trotz so gravierender Ereignisse und diesem schlimmen Schicksal von Will, jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat.


Fazit:
Ein Buch, das mich irgendwie gespalten zurücklässt. Ich habe mich im Vorfeld ein bisschen vor der Lektüre gefürchtet, weil ich Angst vor diesem bewegenden Thema hatte. Angst, dass es mich zu sehr mitnimmt. Dann auch noch vor dem Hintergrund, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. Doch dann ist quasi das Gegenteil passiert: Das Buch konnte mich nur in seltenen Momenten wirklich berühren. Vielleicht war es ganz gut so, weil man so dieses schwierige Thema leichter ertragen konnte. Dennoch: dieses Thema darf wehtun, finde ich. Es darf (und sollte vielleicht sogar) bewegend, aufrütteln und erschüttern.
Durch die vielen Perspektivwechsel und die an der Oberfläche bleibenden Schilderungen wurde da meiner Meinung nach Potential verschenkt.
Dennoch lohnt sich die Lektüre, um sich ein Bild von der gesellschaftlichen Stimmung in den Südstaaten der 1940er zu machen. Um sich mit dem Thema Rassismus und dieser grenzenlosen Ungerechtigkeit zu konfrontieren.