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Abibliophobia

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.03.2022

Welt-Downsyndrom-Tag

Mongo
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Im Roman „Mongo“ von Harald Darer geht es um eine junge Familie, die sich mit der Angst auseinandersetzen muss, dass ihr Kind mit dem Downsyndrom zur Welt kommen könnte, ähnlich wie der Bruder der schwangeren ...

Im Roman „Mongo“ von Harald Darer geht es um eine junge Familie, die sich mit der Angst auseinandersetzen muss, dass ihr Kind mit dem Downsyndrom zur Welt kommen könnte, ähnlich wie der Bruder der schwangeren Frau. Es behandelt die Gedanken und Ängste, die sich in dieser ungewöhnlichen Situation entwickeln und findet Antworten auf zahlreiche Fragen.
Der Picus Verlag aus Wien ist super und hat mich schon mit einigen literarischen Überraschungen versorgt. Das Zitat in Anlehnung an Watzlawick fand ich etwas drüber, aber das ist selbstredend Geschmackssache und auf jeden Fall kreativ.
Meine Erwartung an das Buch war ein besserer Zugang zum Thema und „Insiderwissen“, da ich bis dato keinerlei Berührungspunkte zu Menschen mit Trisomie 21 hatte. Allerdings wurde mir direkt zu Beginn bewusst, wie häufig ich das Wort „Mongo“ bereits als Schimpfwort bzw. Beleidigung benutzt hatte, ohne einen Gedanken darüber zu verschwenden. Die zwei Blickwinkel und Erzählweisen führen bereits am Anfang dazu, dass man sehr schnell ins Buch findet und sich direkt eigene Fragen zum Thema stellt. Dadurch wird eine hohe Identifikation mit dem Thema geschaffen.
Katja erlebt in ihrer und in Markus Kindheit alle Emotionen, die man sich nur vorstellen kann. Angst, Verzweiflung, Wut und das schlechte Gewissen ihren behinderten Bruder nicht immer verteidigt zu haben sind die Gefährten ihres Alltags. Diese Situationen sind eindringlich beschrieben, ohne zu aufgesetzt und übertrieben zu wirken. Dennoch prägt es ihr gesamtes Leben, bis hin zu ihrer eigenen Schwangerschaft und den damit verbundenen Ängsten.
Es werden schonungslos alle Varianten beschrieben: Mobbing, Mitleid, Ignorieren, das behinderte Kind vor der Öffentlichkeit verstecken. Die Beschreibung des Umgangs mit einem behinderten Menschen sind äußerst treffend, präzise und vielschichtig beschrieben und häufig findet man sich in der ein oder anderen Situation auch persönlich wieder oder verbindet sie mit eigenen gemachten Erfahrungen. Besonders spricht mich die reflektierte Sicht der Kindheitserinnerungen als Erwachsener an.
Ich mag Bücher, die einen schon nach kurzer Zeit selbst zum Grübeln bringen und feststellen lassen, dass die eigene Sicht doch sehr einseitig und vorurteilsbehaftet ist. Das Buch zeigt, dass man immer voneinander lernen kann. Mit Sätzen wie „wer kann schon genau drei Dinge nennen, die einen glücklich machen und die ausreichend sind (Katzen, Essen, Tageszeitung)“ zeigen dem Leser die positiven Aspekte auf. Von Menschen, die Schicksale ertragen müssen oder mit Einschränkungen leben müssen können wir weit mehr über das Leben und das Glücklichsein lernen.
Gerade die Erzählungen von Markus Mutter, die Feststellungen bei den ersten Arztbesuchen etc. haben mich fasziniert und wirklich berührt, denn immer schwebt im Hintergrund die Frage nach einer Abtreibung.
Stilistisch ist die Abhebung Markus Gedanken in Großbuchstaben gut gelungen. Dieses Buch beschreibt mit klaren, eindrucksvollen Worten wie das Leben mit Trisomie 21 wirklich ist und es sollte von jedem gelesen werden, egal ob man betroffen ist oder nicht. Es geht ums Verliebtsein, es geht ums Leben, um Sex, um einfach alles, dass das Leben ausmacht.
Dieses Buch ist ein Appell daran andere Menschen weder zu ignorieren, noch zu verurteilen, weil sie anders sind. Denn wer von uns ist schon normal?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2020

Hatte ich mir anders vorgestellt

Sweet Sorrow
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Da ich bereits von "Zwei an einem Tag" begeistert war, hatte ich mich sehr auf den neuen Roman von Nicholls gefreut. Vorab schon einmal: das ist das schönste Buch, das ich in den Händen gehalten habe. ...

Da ich bereits von "Zwei an einem Tag" begeistert war, hatte ich mich sehr auf den neuen Roman von Nicholls gefreut. Vorab schon einmal: das ist das schönste Buch, das ich in den Händen gehalten habe. Die Idee keinen Schutzumschlag zu verwenden, sondern ein glänzendes, hochwertiges und absolut liebevoll gestaltetes Cover hat mich optisch komplett überzeugt.
Man beginnt das Buch mit gemischten Gefühlen, da man automatisch an die eigene erste Liebe denkt, man schwelgt in schönen Erinnerungen. Die witzige und selbstironische Einführung von Chrles Lewis, dem nach seinem Schulabschluss die Welt offensteht, hat mich überzeugt. Er ist ein typisch unsichtbarer Junge, der erst nach der Schulzeit zu sich selbst findet. Die Sprache ist herrlich bildhaft, gerade wenn es um Sachen wie den ersten Kuss geht. Dann begegenet Charlie endlich Fran Fischer und erst kann man sich überhaupt nicht vorstellen, dass auch den beiden ein Paar wird.
Dies ist kein reiner Liebesroman, es geht ums Erwachsen werden, um die Trennung der eigenen Eltern, um Freunde , um Depressionen, um Familie und eben auch um die Liebe. Die Geschichte ist sehr realistisch erzählt, nichts wird verklärt, dramatisiert oder ramtischer beschrieben als es ist. Ein toller sachlicher Stil, der mich sehr beeindruckt hat.
Charlie ist nicht nostalgisch und verschwendet nicht viele Gedanken an seine Vergangenheit, aber ausgerechnet dann holt sie ihn wieder ein. Man wartet mit Spannung darauf, ob es zu einem Wiedersehen zwischen ihm und Fran kommt. Die Überleitungen sind intelligent gewählt, sodass man immer wieder Neues über Charlies Familie und ihre Entwicklung erfährt. Zwischendurch zieht sich die Geschichte allerdings etwas, die Theaterproben sind für meinen Geschmack nicht besonders spannend.
Dennoch ist dies endlich mal ein authentisches Buch über die erste Liebe, kein Hollywoodkitsch, sondern eine Geschichte mit langsamer Annäherung und großer AUfregung. Man erinnert sich daran, wie unbeholfen man selbst damals war, wie die Beziehung langsam wächst und eventuell auch auseinander geht. Ein schönes Buch mit einem realistische Ende, kein klassisches, aber dennoch ein Happy End. Es kommt allerdings nicht an die anderen Romane von Nicholls heran.

Veröffentlicht am 15.02.2020

Die Auswirkung der digitalen Welt

Im Netz des Lemming
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Das Cover und der Klappentext von "Im Netz der Lemminge" sind bereits sehr vielversprechend. Die Ausgangssituation ist die, dass sich ein Junge in Wien im Beisein von Protagonist Leopold Wallisch vor einen ...

Das Cover und der Klappentext von "Im Netz der Lemminge" sind bereits sehr vielversprechend. Die Ausgangssituation ist die, dass sich ein Junge in Wien im Beisein von Protagonist Leopold Wallisch vor einen Zug wirft. Es folgen schonungslose und brutal klare Worte, bereits das erste Kapitel zeigt, was der Autor sprachlich kann. Es wird dem Leser schnell bewusst, wie grausam social media ist und wie feige die Menschen sind, die sich in dieser Welt verstecken. Wallisch ist sehr sympathisch, es ist ziemlich witzig wie naiv er in Bezug auf das Internet und die Technik ist, so als hätte er die letzten hundert Jahre technische Entwicklung verschlafen.
Der blumige Sprachstil und die Metaphern des Autors hätte man so nicht erwartet, gepaart mit der Jugendsprache eines Teenager, die ich mittlerweile selbst schon nicht mehr verstehe. Die Auszüge aus dem Internet bringen die nötige Abwechslung ins Buch.
Die virtuelle Spurensuche zweier Neu-Arbeitslose, die vogelfrei sind und auf Schritt und Tritt verfolgt werden- klasse Idee!.
Es wird einem bei dieser Lektüre immer wieder bewusst welche negative und gefährliche Wirkung das Internet trotz aller Vorzüge hat. Man spürt den Schmerz und den Verlust deutlich. Die Beschreibung des gezielten Mobbings geht einem ungewöhnlich nahe. Zwischendurch dann dieser trockene Humor, es macht Spaß das ungleiche Duo auf seinen Ermittlungen auf eigene Faust zu begleiten. Dennoch geht der Ernst dieses Themas nie verloren. SOcial mobbing zerstört ganze Existenzen und Leben.
Das Buch lebt von Spannung, Witz und zwischendurch ein wenig Wiener Geschichte. Für mich als WIen-Fan könnte es nicht besser sein. Es ist fesselnd und trifft ganz meinen Humor. Zum Ende wird etwas philosophisch und regt auf den letzten Seiten noch zum Nachdenken an. Wallisch ist ein ANtiheld, der mir sehr ans Herz gewachsen ist und den ich hoffentlich bei seinem nächsten Fall wieder begleiten darf.

Veröffentlicht am 15.02.2020

Zutiefst berührt

Nach Mattias
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An dieses Buch hatte ich vorab schon einen hohen Anspruch, da bereits der Klappentext mir Gänsehaut bereitet hat. Die Erwartungen waren also hoch und um das vorweg zu nehmen: ich wurde nicht enttäuscht!

Der ...

An dieses Buch hatte ich vorab schon einen hohen Anspruch, da bereits der Klappentext mir Gänsehaut bereitet hat. Die Erwartungen waren also hoch und um das vorweg zu nehmen: ich wurde nicht enttäuscht!

Der erste Satz hat bereits so eine Schlagkraft, dass man weiß, dieses Buch wird man am Ende nicht einfach so weglegen können und es wird noch lange nachwirken. Man möchte fast jeden Satz im Buch markieren,w eil er einem so bedeutend erscheint und so tief geht. Jeder von uns trauert anders und jeden schließt man mit seiner eigenen "Nach Mattias-Geschichte" ins Herz.
Ich liebe Geschichten, in denen alles eine Verbindung hat und sich die Wege der Einzelnen kreuzen.
Trauer hat, so wie Liebe, viele verschiedene Seiten, jede Seite lässt einem beim Lesen manchmal den Atem stocken. Eine sehr gute Leistung von Peter Zantingh, man kann es nicht anders sagen. Zantingh schafft es, dass man wirklich eine Verbindung zu den Personen spürt, er teilt die Trauer mit den Lesern. Jede Geschichte berührt mich. Sie weckt ein klemmendes Gefühl und zwingt einen dazu über sein Leben nachzudenken. Genau so etwas sollen Bücher bewirken! Wenn all das durch einen Roman hervorgebracht wird, dann hat der AUtor Großes vollbracht.
Spannung wird dadurch erzeugt, dass man nicht sofort weiß, in welcher Beziehung der Erzählende zu Mattias gestanden hat. Mattias Mutter Kristianne hat mich am meisten berührt, ihr Kapitel habe ich gelesen ohne einmal Luft zu holen.
Am Ende überrascht Zantingh mit einer Verbindung, mit der niemand gerechnet hat. Auch die Playlist und das Interview am Ende des Buches sind ein absoluter Mehrwert. Das Buch hat mich zutiefst berührt, besonders das folgende Zitat: "Was bleibt von einem, wenn man nicht mehr da ist? Welche Leerräume entstehen in Raum und Zeit, und wer oder was wird diese wieder füllen!"

Veröffentlicht am 15.02.2020

Die Suche nach der anderen Hälfte

Geteilt durch zwei
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Der Roman handelt von zwei, mittlerweile erwachsenen Frauen, die Zwillinge sind und von unterschiedlichen Familien adoptiert wurden. Nun begeben sie sich gemeinsam auf die Spuren ihrer Vergangenheit. Schon ...

Der Roman handelt von zwei, mittlerweile erwachsenen Frauen, die Zwillinge sind und von unterschiedlichen Familien adoptiert wurden. Nun begeben sie sich gemeinsam auf die Spuren ihrer Vergangenheit. Schon nach wenigen Seiten fällt dem Leser der sachliche, fast schon emotionslose Schreibstil auf. Erst ist das sehr irritierend, aber ich habe sehr schnell Gefallen daran gefunden. Man fragt sich unweigerlich wie es ist adoptiert zu sein, welchen Einfluss es auf das Leben, die Beziehung und die Psyche hat - bewusst oder unbewusst. Man fiebert richtig mit, es ist aufregend zu lesen, das etwas nach dem man sein ganzes Leben gesucht hat nun in greifbarer Nähe ist. Die Geschichte ist ergreifend und jede Seite geht einem sehr zu Herzen. Jede Person im Buch erlebt es auf seine Art und Weise mit unterschiedlichen Emotionen und Beweggründen. Es bleibt dennoch die ganze Zeit das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, das sät Zweifel und Spannung pur.
Etwas, das sich durchs gesamte Buch zieht ist der Gedanke, wie anders ein Leben verlaufen könnte und wie viel Einfluss andere an dieser Entscheidung haben. Vielleicht sind Lebenswege aber auch voreingestellt.
Man begibt sich mit den Schwestern auf eine Reise ins schöne Münster, aber auch zu sich selbst und begleitet sie dabei, wie sie sich kennenlernen. Dann wendet sich das Blatt und es kommen ganz andere Probleme zum Vorschein.
Eine tolle und abwechslungsreiche Familiengeschichte, die Gegenwart fasziniert genauso wie die Reise in die Vergangenheit.
Das Buch ist absolut zu empfehlen, die Handlung zieht den Leser Seite für Seite in seinen Bann.