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Aglaja

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.03.2024

"Überall bin ich anders..."

Issa
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„Issas Geschichte ist meine Geschichte und gleichzeitig ist sie fiktional. Nicht alles darin ist wahr, aber alles daran ist echt“, so sagt die Autorin.
Sie hat in ihrem Debutroman bewußt die Begriffe ...

„Issas Geschichte ist meine Geschichte und gleichzeitig ist sie fiktional. Nicht alles darin ist wahr, aber alles daran ist echt“, so sagt die Autorin.
Sie hat in ihrem Debutroman bewußt die Begriffe Kolonialismus und Rassismus ausgeklammert und trotzdem ist davon die Rede.
"Ein großer Stein lastet auf ihrer Brust, wenn sie durch deutsche Straßen geht, ein Stein der Angst. "

Issas Wurzeln liegen in Kamerun, einer ehemaligen deutschen Kolonie, in der schwarze Menschen als Diener der Weißen mit einem Brandmal auf der Hand unauslöschlich gekennzeichnet wurden, wie Vieh. Ihre Urgroßmutter entstand aus einer Vergewaltigung durch einen Deutschen an einem 11jährigen Mädchen.
Als Issa selbst schwanger ist, wird sie von ihrer Mutter dazu gedrängt, sich den animistischen Ritualen der Ahnenverehrung, die in weiten Teilen Zentralafrikas herrschen, zu unterziehen.
Während dieser Zeit erzählt ihr ihre Urgroßmutter von den Schicksalen der Frauen ihrer Familie.
Das Leben aller war bestimmt durch die Herrschaft des Wollens und Trachtens der Männer.
Der jungen Issa ist während ihres Aufenthalts in Kamerun und im Laufe der mehrwöchigen Rituale, zu denen sie eigentlich keinen Zugang hatte, bewußt geworden, dass sie sich nicht zwischen den Kulturen entscheiden muss, sie kann beides sein. Sie hat erkannt, dass sie die Wahl hat, sich selbst zu schätzen, sich zu achten und sich zu lieben.

Dieses Buch erlaubt einen Blick in das Innere einer ganz anderen Gesellschaft.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Ein Buch, nicht leicht zu lesen

Tremor
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Wer ist Tunde, dieser Mensch mit dem überklaren Blick für Ästhetik, mit dem geschärften Geist für Gerechtigkeit, für Wahrheit und Lüge in der Gesellschaft.
Teje Cole hat ein Buch geschrieben, das nicht ...

Wer ist Tunde, dieser Mensch mit dem überklaren Blick für Ästhetik, mit dem geschärften Geist für Gerechtigkeit, für Wahrheit und Lüge in der Gesellschaft.
Teje Cole hat ein Buch geschrieben, das nicht geeignet ist zum puren Konsum.
Es ist ein Buch zum nachschlagen, nachforschen, nachdenken, sich seiner eigenen Position zu vergewissern, sie auf die Probe zu stellen und sie gegebenenfalls zu revidieren.
Ein Buch, wie ein Gang durch eine Galerie von nicht kommerzieller Kunst aus allen Sparten. Der Autor führt von einer Szene zur nächsten, außergewöhnlich, auch verstörend, aus ungewohnten und ungewöhnlichen Blickwinkeln zu betrachten. Er beschreibt Wege, auf denen man vielleicht noch nicht gegangen ist.
Tunde, ein Mensch auf der Suche nach den Zusammenhängen von allem und dem Sinn dahinter, mit dem Wunsch ein guter Mensch zu sein und im Kampf auf dem Weg dahin.
Er sieht menschliches Leid als ein sinnloses Rätsel, spricht über den Tod in seiner physischen Grausamkeit. Er hat erkannt, dass "im Jetzt alle Zeit enthalten ist".
Er entlarvt in knappen, präzisen Worten die Verhältnisse, die die dominante Kultur der Weißen für Menschen anderer Hautfarben geschaffen hat und kommt immer wieder darauf zurück, weil er als Afrikaner und amerikanischer Universitätsprofessor mitten im Spannungsfeld lebt.

Was meint Cole mit dem Titel seines Buches?
Spricht er über das unkonntrollierte muskuläre Geschehen des Zitterns,
das seismologische Zittern der Erde, die Seismologie der Seele,
oder etwas ganz anderes?

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Ein jüdisches Leben

Annas Lied
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Nach mehr als sechzig Jahren Ehe stirbt Hannahs Ehemann und sie fragt sich: "What can I do with the rest of my life"?
Nachdem sie ihrer große Liebe Aksel nach dem Willen ihrer Mutter aufgegeben hat, ...

Nach mehr als sechzig Jahren Ehe stirbt Hannahs Ehemann und sie fragt sich: "What can I do with the rest of my life"?
Nachdem sie ihrer große Liebe Aksel nach dem Willen ihrer Mutter aufgegeben hat, und um ihre Familie nicht zu enttäuschen, folgt Hannah der jüdischen Tradition und stimmt schweren Herzens einer arrangierten Ehe zu. Aus ihrer Heimat Dänemark, zieht sie nach Frankreich, wo sie sehr einsam ihr Leben verbringt. Ihr Ehemann gleicht in nichts ihren Hoffnungen und Vorstellungen, sogar ihre Leidenschaft für das Klavierspiel verbietet er. Sie, die in Musik, in Klängen und Tönen gelebt hat ergiebt sich in allem ihrem Schicksal. Erst nach dem Tod ihres Mannes findet sie die Freiheit, zu tun und zu lassen was sie will, auch der Musik räumt sie wieder den wichtigsten Platz in ihrem Leben ein.
Dadurch lernt sie einen ihrer Urgroßneffen kennen, den Musiker Benjamin Koppel, dem sie ihr Leben schildert, das er in dichterischer Freiheit, mit ihrer Erlaubnis hier in diesem Buch nacherzählt.

Benjamin Koppel ist ja kein Dichter und trotzdem ist ihm das Buch gelungen, nach den ersten zweihundert Seiten, die hätten besser sein können, nimmt sowohl die Spannung zu, als auch die literarische Qualität.
Ihm verdanken wir, dass das Leben der Anna Koppel nicht sang- und klanglos verschwunden ist.
Der Umschlag, ein Ausschnitt eines Gemäldes von Edward Hopper, passt ausgezeichnet zu dem Buch.

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Veröffentlicht am 01.03.2024

Nicht nur ein Kochbuch - Hommage an den Iran, das alte Persien

Hier fließt die Liebe. Persische Küche
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Ein Buch wie aus "Tausend und einer Nacht", sowohl das Cover von Christina Mühlhöfer, als auch der persönliche Inhalt, der nicht nur die Rezepte präsentiert. Die beiden Autorinnen erzählen von Land und ...

Ein Buch wie aus "Tausend und einer Nacht", sowohl das Cover von Christina Mühlhöfer, als auch der persönliche Inhalt, der nicht nur die Rezepte präsentiert. Die beiden Autorinnen erzählen von Land und Leuten, der Heimat ihrer Vorfahren, mit dem Zauber, der der uralten Kultur Persiens eigen ist. Wenn man den Iran nur nach der derzeitigen politischen Unkultur von außen betrachten kann, ist das ein großer Verlust. Wer das Glück hat, das Land von innen zu kennen und zu erkennen erlebt Wunder an Menschlichkeit. Wer auch noch das Land durch seine Sprache verstehen kann, dem eröffnet sich eine neue Welt, die in der alten verankert ist, durch tausende von Höflichkeiten, Sprichwörtern und klassischer Poesie, die sich in allen Bevölkerungsschichten erhalten hat. Und dann, das Essen, ein Kulturgut, angerichtet und fotografiert in und auf außergewöhnlich schönen, zum Teil antiken Gefäßen, Geräten und Textilien, ein Fest für die Augen; zum Schluss nicht zu vergessen die, für viele unbekannten erstaunlichen Geschmackserlebnisse.

Ganz zum Schluss noch ein Wort über Frau, Leben Freiheit. "Baraye Zan Zendegi, Azadi", so heißt das Lied von Shervin Hajipour, das die leider, bisher gescheiterte Revolution der Frauen des Iran begleitet hat. Man kann es mit Übersetzung auf youtube anhören. Mich hat es sehr berührt.

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Im dunklen Herzen Finnlands

Arctic Mirage
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Arctic Mirage ist das Debut der finnischen Schriftstellerin Terhi Kokkonen, für das sie mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wurde. In ihrer Heimat ist sie mit ihrer außergewöhnlichen Stimme schon länger ...

Arctic Mirage ist das Debut der finnischen Schriftstellerin Terhi Kokkonen, für das sie mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wurde. In ihrer Heimat ist sie mit ihrer außergewöhnlichen Stimme schon länger bekannt und beliebt mit ihrer Band "Ultra Bra"

Wer denkt, er kauft einen der vielen populären skandinavischen Thriller aus dem Winter-Wunder-Land Lappland, der wird enttäuscht sein, keine schneebeladenen Tannen, keine Blockhausromantik in klirrender Kälte, keine Verzauberung durch das Nordlicht und weit und breit kein Wolf der schaurig im Mondlicht heult. Und trotzdem kommt das Buch direkt aus dem dunklen Herzen Finnlands. Wenn man bedenkt, dass sich die Finnen als das glücklichste Volk der Erde empfinden, fragt man sich wieso es soviel psychisch behandlunsbedürftige Menschen gibt, und die Suizidrate überdurchschnittlich hoch ist. Genau diesem Themenkreis hat die Autorin für ihr Buch ausgewählt.

Ein Ehepaar das eine absolut gestörte Beziehhung führt reist für ein paar Tage in den Norden ihres Landes, mit der Illusion, dass es nach ein paar Tagen der Entspannung wieder besser mit ihnen laufen sollte. Das ist nicht der Fall. Nach lange verdrängten Gefühlen endet der Erkenntnisprozess in einer blutigen Eskalation.

Die Autorin hat für ihr Buch die Form gewählt, das Ende an den Anfang zu stellen. Obwohl dies den Kulminationspunkt des Geschehens vorweggenommen hat, hat sie Spannung aufgebaut und bis zum letzten Satz gehalten. Im Laufe der Geschichte wurde man hin und her gerissen zwischen Zweifel und Gewissheit, von der Frage, wem man glauben schenken soll, wem die Sympathien gelten sollen. Das ist die große Stärke des Romans.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen.

Das Cover ist ein Gemälde des spanischen Künstlers Guim Tio Zarraluki, das mit der dargestellten Einsamkeit des Menschen in einer Landschaft, den Tenor des Buches trifft.

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