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Veröffentlicht am 05.02.2024

Vom Töten - Die Metamorphose des Hunter White

Trophäe
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Hunter White, nomen est omen, der weiße Jäger.
Er gehört zu der erlauchten Clique der Großwildjäger, in bester Gesellschaft mit gekrönten Häuptern und denen, die viel Geld haben. Er hat ein evolutionistisches ...

Hunter White, nomen est omen, der weiße Jäger.
Er gehört zu der erlauchten Clique der Großwildjäger, in bester Gesellschaft mit gekrönten Häuptern und denen, die viel Geld haben. Er hat ein evolutionistisches Weltbild, der Mensch ist das am höchsten entwickelte Tier und deshalb hat er das Recht es zu jagen. Survival of the fittest ist sein Credo, auch in seinem mitleidlosen Metier des Spekulanten.
Er ist wieder einmal in Afrika, um die Nummer Fünf seiner Big Five endlich als Trophäe mit nach Hause zu bringen, das Spitzmaulnashorn.
Da dieses unter Artenschutz steht, wird der Leser bekanntgemacht mit all den verschlungenen Wegen, die man in diesem Teil Afrikas gehen kann, um zum Ziel zu kommen und das mit reinstem Gewissen.
Hunter ist stolz auf seine generationenalte Jägertradition und "Ethik hat überall auf der Welt die gleiche Farbe: die des Dollars, das hat Hunter gelernt."
Er lässt den Leser teilhaben an seinen Überlegungen zu Technik, Moral, Psychologie und Philosophie des Jagens von Urzeiten an, wobei er sich in abenteuerliche Höhen und Tiefen versteigt, wie zum Beispiel: "weil er ein Mann ist, tötet er", oder: "die Unterwerfung als Bestätigung unserer Vorherrschaft über alle andere Lebewesen", er meint: "er tut nur das was der Mensch tat, als er noch ein Tier war", "die Welt ist nun einmal in Jäger und Beute unterteilt". Er hat tausend gute Gründe für das Recht zu töten.
Es ist nur logisch, dass man ihm auch die Big Six anbietet, Nummer Sechs wäre die Jagd auf einen Menschen.
Er wird zu dem Volk der San gebracht, die schon zwanzigtausend Jahre in diesem Teil der Welt leben, in ergebener Abhängigkeit zu ihren Göttern, sie halten den egomanischen Individualismus für eine Krankheit.
Hier lernt Hunter seinem Wunsch gemäß das wahre Afrika kennen, aber anders als er sich das gedacht hat, er begegnet seinem Schicksal.

Die Autorin hat nicht umsonst den großen Preis Jan Wauters für ihren kreativen Umgang mit Sprache gewonnen, auch dieses Buch ist preisgekrönt.
Ein Werk, aus dem man viel lernen kann, auch wenn man sich überhaupt nicht für die Jagd interessiert, auch wenn man sie verabscheut sollte man dieses Buch erst recht lesen. Man wird überrascht und in atemlose Hochspannung versetzt, keine einzige langweilige Seite, kein überflüssiges Wort. Ich bin begeistert!

Das Cover gefällt mir nicht, ich finde es wird der außergewöhnlichen Dramatik des Buches nicht gerecht.

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Veröffentlicht am 02.01.2024

Lenin und andere Zeitgenossen

Das Philosophenschiff
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Eine hundertjährige Architekturprofessorin will eine besondere Art ihrer Memoiren verfassen lassen. Sie sucht sich dazu einen besonderen Schriftsteller aus, einen, bei dem sich der Leser nicht sicher sein ...

Eine hundertjährige Architekturprofessorin will eine besondere Art ihrer Memoiren verfassen lassen. Sie sucht sich dazu einen besonderen Schriftsteller aus, einen, bei dem sich der Leser nicht sicher sein kann, ob er ihm glauben soll, oder nicht.
Als Anouk Perleman-Jacob ein junges Mädchen von vierzehn Jahren ist, gehört sie mit ihren Eltern zu der großen Gruppe der Intelligenzija, die von den damaligen Machthabern Russlands, den Bolschewiken, des Landes verwiesen werden. Sie werden mit den sogenannten Philisophenschiffen außer Landes gebracht.
Anouk, die nachts, in aller Heimlichkeit auf dem Luxusdampfer heraumstreunt, trifft zufällig auf den einzigen Passagier der ersten Klasse.
Er gibt sich ihr als Lenin zu erkennen. Eine kranke Gestalt. aus Haut und Knochen, lesend im Rollstuhl. Sie beginnen eine Unterhaltung, die sie jeden Abend fortsetzen, bis zu einem gewissen Abend, an dem Anouk eine andere Gestalt bei ihm entdeckt. Ein Mann mit einem Schnauzbart, schwarzen Zähnen und feinen weißen Händen. Sie belauscht heimlich die Rede des Mannes aus Georgien und wird Zeugin eines "historischen" Geschehens.

Der Autor entrollt in seinem Buch ein Bild, rund um die Geschehnisse während der Machtergreifung der Bolschewiken in Russland.
Er schreibt von der Angst der Menschen, den Grausamkeiten, von innen- und
außenpolitischen Machtspielen, von dem "Konzert der Intrigen".
Der historisch nicht bewanderten Leser, liest mit ungläubigem Staunen.

Die "éloge funèbre", eine Abrechnung des Georgiers mit Lenin ist brillant und treffend, sie lässt Parallelen erkennen zu der erschreckenden, aktuellen Realität im derzeitigen Russland.

Michael Köhlmeier hat das geliefert, was man unter guter Literatur versteht.

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Veröffentlicht am 21.10.2023

außergewöhnlich!

Die weite Wildnis
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Vor vierhundert Jahren, als diePest in Europa gewütet hatte, kommt ein Mädchen mit ihrer Herrschaft nach Kanada. Sie leben in einem Fort, mitten in der unendlichen Wildnis der Urwälder. Sie ist eine Dienerin ...

Vor vierhundert Jahren, als diePest in Europa gewütet hatte, kommt ein Mädchen mit ihrer Herrschaft nach Kanada. Sie leben in einem Fort, mitten in der unendlichen Wildnis der Urwälder. Sie ist eine Dienerin ohne Rechte, eine Leibeigene, der Willkür aller ausgesetzt. Als sie das grausamste aller menschlichen Verbrechen mit ansieht, flieht sie.
Die Angst gefasst zu werden und ein ungeheuerer Überlebenswille lassen sie all das ertragen was ihr auf dieser Flucht durch die unwegsame Wildnis widerfährt. Man kann nur staunen was ein Mensch ertragen kann.

Ein außergewöhnliches Buch, das den Leser an die äußersten Ränder der Existenz führt.
In gekonnter, wunderbar literarischen Sprache zeigt die Autorin die schrecklichen Tiefen des Menschseins auf, den Zwiespalt zwischen berückender und grausamer Natur.
Kann ein Mensch leben, überleben, nur mit sich allein in der Wildnis der Wälder, in berauschender Schönheit und abgrundtiefem Schrecken.
Wie lebt ein Mensch ohne die liebende Fürsorge eines anderen.
"Ganz allein zu überleben, war nicht dasselbe, wie am Leben zu sein."
"Dieses Licht und diese Wärme waren es, was Bestand hatte, was ewig war. Im Kern war nicht nichts, nein. Aus dem Licht und der Wärme floss alles, was gut und göttlich war."
Die Autorin führt ihre Leser in die tiefsten Gedanken.

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Veröffentlicht am 07.09.2023

"Mutter - der Stein im Schuh"

Die Wahrheiten meiner Mutter
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Weil sie nicht daran teilhaben durfte, erschafft sich die Protagonistin das Leben ihrer Mutter im Geiste. Man hat sie aus der Familie ausgeschlossen, aber sie versteht nicht warum.
Diese Frage muss sie ...

Weil sie nicht daran teilhaben durfte, erschafft sich die Protagonistin das Leben ihrer Mutter im Geiste. Man hat sie aus der Familie ausgeschlossen, aber sie versteht nicht warum.
Diese Frage muss sie ergründen. Verzweifeltes Bemühen um Erklärung, das ihre Gedanken beherrscht und ihr den Schlaf raubt.
In ihrem Buch hat die Autorin alle Fragen, die es geben kann in einem zerrütteten Verhältnis zwischen Mutter und Tochter gestellt und beantwortet. Alle Aspekte aus allen Richtungen betrachtet, alle Möglichkeiten erwogen und gewogen, alles schon im Voraus gedacht, bedacht und gefühlt, alle Schmerzen durchlitten und ertragen.
In ihrem eigenen Leben musste sie Vater und Mutter vergessen, wenn sie glücklich sein wollte.
Sie ist nicht den Weg der Mutter gegangen, sie wollte nur das leben, was in ihr war. Ist es möglich, dass sich eine Mutter so radikal und herzlos von ihrem Kind trennen kann?
Sie muss die Antwort finden, um weiterleben zu können.

Ein Buch, dass manche bis in ihre Grundfesten erschüttern könnte.
Ein Buch, dass einen so schnell nicht mehr loslässt.

Die Umschlaggestaltung von Leif Nyland imaginiert perfekt die Stimmung Norwegens und die Stimmung des Buches.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Nach Hause kommen in ein fremdes Land

Terafik
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Nilufar, ein altpersischer Name wie aus Tausendundeiner Nacht.
Alles andere als ein Märchen ist Nilufars Leben. Die Mutter eine Deutsche, der Vater ein Iraner, hat sie mit all diesen Diskriminierungen ...

Nilufar, ein altpersischer Name wie aus Tausendundeiner Nacht.
Alles andere als ein Märchen ist Nilufars Leben. Die Mutter eine Deutsche, der Vater ein Iraner, hat sie mit all diesen Diskriminierungen zu kämpfen, die binationalen Kindern widerfahren und wenn sie noch so subtil sind. Die Mutter trennt sich buchstäblich über Nacht von ihrem Mann, der in den Iran zurückgeht. Das ist eingetroffen, vor dem sich Nilufar immer gefürchtet hat.
Sie hatte immer das Gefühl in einer unechten Familie, ja in einer unechten Welt zu leben, als seien die Beteiligten nur Schauspieler, sie ging davon aus hier nur provisorisch zu leben, als würde sie nur zufällig bei ihren Eltern leben. Sie bewegte sich durch die Welt, als sei alles nur gespielt.
Der Vater war ein schweigsamer Mann, der ihr das Gefühl gab innerlich abwesend zu sein.
Nach Abschluss ihres Studiums reist sie für drei Wochen in den Iran, auf der Suche nach innerer Heilung. Da sie dafür dringend Erklärungen von ihrem
Vater braucht, wagt sie den Schritt in eine andere Welt. Sie findet eine zweite
Heimat in einem Land, das vor vierzig Jahren von Verbrechern gekapert wurde, die es in eine blühende Kleptokratie verwandelt haben und in dem jedes falsche Wort lebensgefährlich sein kann.
Es ist nicht einfach mit diesem Buch zurecht zu kommen.

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