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Veröffentlicht am 01.05.2024

Kein Märchen!

Vor einem großen Walde
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Georgien, ein Vielvölkerstaat, ein kleines Land auf dem direktesten Weg zwischen Europa und Asien. Deshalb haben schon viele ein Auge darauf geworfen, ob in der Antike, oder in der Neuzeit

In den neunziger ...

Georgien, ein Vielvölkerstaat, ein kleines Land auf dem direktesten Weg zwischen Europa und Asien. Deshalb haben schon viele ein Auge darauf geworfen, ob in der Antike, oder in der Neuzeit

In den neunziger Jahren, als das Chaos eines Bürgerkrieges in Georgien ausgebrochen ist, entschließt sich eine Familie zu gehen. Der Vater mit den zwei kleinen Söhnen macht sich auf den Weg nach England, die Mutter soll später nachkommen, weil das Geld nicht für alle reicht. Nach zwanzig Jahren endlich macht sich der Vater auf den Rückweg, zuerst folgt ihm der erste Sohn, dann der zweite, um beide zu suchen, den Verbleib der Familie zu ergründen.
Eine abenteuerliche Suche beginnt.
Saba erfährt von den schrecklichen Schicksalen von den Lebenden und von den Toten, die sich bei ihm melden, alle haben Geheimnisse versteckt, die ihn auf den Weg führen sollen. Machen ihn aufmerksam, führen ihn in die Irre und helfen ihm, um dann wieder zu verschwinden, in ihr Schattenreich, oder wo sonst sie auch immer sein mögen.
"Vor einem großen Walde" spielen sich die politischen Schlüsselszenen ab.
Es ist nicht der geheimnisvolle Wald einer Baba Yaga, sondern die Demarkationslinie der Russen zwischen Südossetien und Georgien. Eine tödliche Linie, die Mensch und Tier voneinander trennt, uralte Pfade, Georgien war schon währen der Bronzezeit besiedelt, werden durch Stacheldraht, Gräben und Palisaden zu Todesfallen gemacht und es wird scharf geschossen.

Die erzählte Geschichte ist beispielhaft für viele Fluchtschicksale dieser Welt.
Die Ezählweise des Autors erinnert ein wenig an persische Dichtung, nur blühen in ihr keine Rosen und singen keine Nachtigallen. Nur die hässlichen Hinterlassenschaften Russlands, die es in die georgische Erde und in manche georgische Köpfe gesät hat wuchern darin weiter.
Auf jedem georgischen Friedhof rostet ein Exemplar des ersten Panzers der Berlin erreicht hat vor sich hin, so sehen die russischen Rosen der Vergebung aus.
Ein Buch, das spannend ist, aber auch leider ein paar Längen hat.

Man kann das Buch als Anregung nehmen, um sich über seine Handlung hinaus mit der langen wechselvolle Geschichte Georgiens zu befassen. Dort, wo gestern die Menschen gelitten haben, gehen heute die Touristen spazieren.

Dazu sei empfohlen:MAGAZIN AMNESTY AMNESTY-MAGAZIN SEPTEMBER 2023: GEORGIEN
EIN TAL VOLLER STACHELDRAHT

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Veröffentlicht am 19.03.2024

"Überall bin ich anders..."

Issa
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„Issas Geschichte ist meine Geschichte und gleichzeitig ist sie fiktional. Nicht alles darin ist wahr, aber alles daran ist echt“, so sagt die Autorin.
Sie hat in ihrem Debutroman bewußt die Begriffe ...

„Issas Geschichte ist meine Geschichte und gleichzeitig ist sie fiktional. Nicht alles darin ist wahr, aber alles daran ist echt“, so sagt die Autorin.
Sie hat in ihrem Debutroman bewußt die Begriffe Kolonialismus und Rassismus ausgeklammert und trotzdem ist davon die Rede.
"Ein großer Stein lastet auf ihrer Brust, wenn sie durch deutsche Straßen geht, ein Stein der Angst. "

Issas Wurzeln liegen in Kamerun, einer ehemaligen deutschen Kolonie, in der schwarze Menschen als Diener der Weißen mit einem Brandmal auf der Hand unauslöschlich gekennzeichnet wurden, wie Vieh. Ihre Urgroßmutter entstand aus einer Vergewaltigung durch einen Deutschen an einem 11jährigen Mädchen.
Als Issa selbst schwanger ist, wird sie von ihrer Mutter dazu gedrängt, sich den animistischen Ritualen der Ahnenverehrung, die in weiten Teilen Zentralafrikas herrschen, zu unterziehen.
Während dieser Zeit erzählt ihr ihre Urgroßmutter von den Schicksalen der Frauen ihrer Familie.
Das Leben aller war bestimmt durch die Herrschaft des Wollens und Trachtens der Männer.
Der jungen Issa ist während ihres Aufenthalts in Kamerun und im Laufe der mehrwöchigen Rituale, zu denen sie eigentlich keinen Zugang hatte, bewußt geworden, dass sie sich nicht zwischen den Kulturen entscheiden muss, sie kann beides sein. Sie hat erkannt, dass sie die Wahl hat, sich selbst zu schätzen, sich zu achten und sich zu lieben.

Dieses Buch erlaubt einen Blick in das Innere einer ganz anderen Gesellschaft.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Ein Buch, nicht leicht zu lesen

Tremor
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Wer ist Tunde, dieser Mensch mit dem überklaren Blick für Ästhetik, mit dem geschärften Geist für Gerechtigkeit, für Wahrheit und Lüge in der Gesellschaft.
Teje Cole hat ein Buch geschrieben, das nicht ...

Wer ist Tunde, dieser Mensch mit dem überklaren Blick für Ästhetik, mit dem geschärften Geist für Gerechtigkeit, für Wahrheit und Lüge in der Gesellschaft.
Teje Cole hat ein Buch geschrieben, das nicht geeignet ist zum puren Konsum.
Es ist ein Buch zum nachschlagen, nachforschen, nachdenken, sich seiner eigenen Position zu vergewissern, sie auf die Probe zu stellen und sie gegebenenfalls zu revidieren.
Ein Buch, wie ein Gang durch eine Galerie von nicht kommerzieller Kunst aus allen Sparten. Der Autor führt von einer Szene zur nächsten, außergewöhnlich, auch verstörend, aus ungewohnten und ungewöhnlichen Blickwinkeln zu betrachten. Er beschreibt Wege, auf denen man vielleicht noch nicht gegangen ist.
Tunde, ein Mensch auf der Suche nach den Zusammenhängen von allem und dem Sinn dahinter, mit dem Wunsch ein guter Mensch zu sein und im Kampf auf dem Weg dahin.
Er sieht menschliches Leid als ein sinnloses Rätsel, spricht über den Tod in seiner physischen Grausamkeit. Er hat erkannt, dass "im Jetzt alle Zeit enthalten ist".
Er entlarvt in knappen, präzisen Worten die Verhältnisse, die die dominante Kultur der Weißen für Menschen anderer Hautfarben geschaffen hat und kommt immer wieder darauf zurück, weil er als Afrikaner und amerikanischer Universitätsprofessor mitten im Spannungsfeld lebt.

Was meint Cole mit dem Titel seines Buches?
Spricht er über das unkonntrollierte muskuläre Geschehen des Zitterns,
das seismologische Zittern der Erde, die Seismologie der Seele,
oder etwas ganz anderes?

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Ein jüdisches Leben

Annas Lied
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Nach mehr als sechzig Jahren Ehe stirbt Hannahs Ehemann und sie fragt sich: "What can I do with the rest of my life"?
Nachdem sie ihrer große Liebe Aksel nach dem Willen ihrer Mutter aufgegeben hat, ...

Nach mehr als sechzig Jahren Ehe stirbt Hannahs Ehemann und sie fragt sich: "What can I do with the rest of my life"?
Nachdem sie ihrer große Liebe Aksel nach dem Willen ihrer Mutter aufgegeben hat, und um ihre Familie nicht zu enttäuschen, folgt Hannah der jüdischen Tradition und stimmt schweren Herzens einer arrangierten Ehe zu. Aus ihrer Heimat Dänemark, zieht sie nach Frankreich, wo sie sehr einsam ihr Leben verbringt. Ihr Ehemann gleicht in nichts ihren Hoffnungen und Vorstellungen, sogar ihre Leidenschaft für das Klavierspiel verbietet er. Sie, die in Musik, in Klängen und Tönen gelebt hat ergiebt sich in allem ihrem Schicksal. Erst nach dem Tod ihres Mannes findet sie die Freiheit, zu tun und zu lassen was sie will, auch der Musik räumt sie wieder den wichtigsten Platz in ihrem Leben ein.
Dadurch lernt sie einen ihrer Urgroßneffen kennen, den Musiker Benjamin Koppel, dem sie ihr Leben schildert, das er in dichterischer Freiheit, mit ihrer Erlaubnis hier in diesem Buch nacherzählt.

Benjamin Koppel ist ja kein Dichter und trotzdem ist ihm das Buch gelungen, nach den ersten zweihundert Seiten, die hätten besser sein können, nimmt sowohl die Spannung zu, als auch die literarische Qualität.
Ihm verdanken wir, dass das Leben der Anna Koppel nicht sang- und klanglos verschwunden ist.
Der Umschlag, ein Ausschnitt eines Gemäldes von Edward Hopper, passt ausgezeichnet zu dem Buch.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Nach Hause kommen in ein fremdes Land

Terafik
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Nilufar, ein altpersischer Name wie aus Tausendundeiner Nacht.
Alles andere als ein Märchen ist Nilufars Leben. Die Mutter eine Deutsche, der Vater ein Iraner, hat sie mit all diesen Diskriminierungen ...

Nilufar, ein altpersischer Name wie aus Tausendundeiner Nacht.
Alles andere als ein Märchen ist Nilufars Leben. Die Mutter eine Deutsche, der Vater ein Iraner, hat sie mit all diesen Diskriminierungen zu kämpfen, die binationalen Kindern widerfahren und wenn sie noch so subtil sind. Die Mutter trennt sich buchstäblich über Nacht von ihrem Mann, der in den Iran zurückgeht. Das ist eingetroffen, vor dem sich Nilufar immer gefürchtet hat.
Sie hatte immer das Gefühl in einer unechten Familie, ja in einer unechten Welt zu leben, als seien die Beteiligten nur Schauspieler, sie ging davon aus hier nur provisorisch zu leben, als würde sie nur zufällig bei ihren Eltern leben. Sie bewegte sich durch die Welt, als sei alles nur gespielt.
Der Vater war ein schweigsamer Mann, der ihr das Gefühl gab innerlich abwesend zu sein.
Nach Abschluss ihres Studiums reist sie für drei Wochen in den Iran, auf der Suche nach innerer Heilung. Da sie dafür dringend Erklärungen von ihrem
Vater braucht, wagt sie den Schritt in eine andere Welt. Sie findet eine zweite
Heimat in einem Land, das vor vierzig Jahren von Verbrechern gekapert wurde, die es in eine blühende Kleptokratie verwandelt haben und in dem jedes falsche Wort lebensgefährlich sein kann.
Es ist nicht einfach mit diesem Buch zurecht zu kommen.

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