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Veröffentlicht am 10.04.2018

Mitten ins Herz

Vier Pfoten am Strand
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Mit einem kurzen Schwanzwedeln kann ein Hund mehr Gefühle ausdrücken als mancher Mensch mit stundelangem Gerede.
(Louis Armstrong)

Mit dem Roman "Vier Pfoten am Strand" legt Petra Schier den zweiten Teil ...

Mit einem kurzen Schwanzwedeln kann ein Hund mehr Gefühle ausdrücken als mancher Mensch mit stundelangem Gerede.
(Louis Armstrong)

Mit dem Roman "Vier Pfoten am Strand" legt Petra Schier den zweiten Teil einer Reihe vor, die in der malerischen Touristenstadt LIchterhaven an der Nordsee spielt. Dorthin hat es einen Künstler verschlagen, der sich einen Sommer Auszeit gönnen will, um an seinen Skulpturen zu arbeiten. Mehr sucht Ben eigentlich nicht in dem kleinen Ort am Meer! Aber dann stolpert ihm der junge Rüde Boss über den Weg, und Ben beschließt, ihn bei sich aufzunehmen. Der Hund stellt Bens Leben auf den Kopf und seine Geduld auf eine harte Probe. Niemals wird er es allein schaffen, ihn zu bändigen. Zum Glück ist da noch Christina. Sie leitet die Hundeschule und scheint genau die Richtige für Boss zu sein. Und vielleicht auch für sein neues Herrchen.

Das Cover ist in warmen Farben gehalten und bringt die Herzen aller Hundefreunde zum Schmelzen. Im Mittelpunkt steht ein (trotz seiner beachtlichen Größe) etwas tapsig wirkender Hund, der gerade über den Strand wetzt und eine große Sandburg zum Einsturz bringt. Im Hintergrund erkennt man einen Leuchtturm, und am blauen Himmel drehen drei Möwen ihre Bahnen. Auch der aussagekräftige Titel macht jedem Leser sofort klar, dass hier der beste Freund des Menschen die Hauptrolle spielt. Er spiegelt eine heitere Stimmung wieder und stimmt auf eine vergnügliche Urlaubslektüre ein.

Tatsächlich laufen alle Fäden am Hundekörbchen von Boss, einer eigensinnigen Amerikanischen Bulldogge zusammen, der seinen neuen Besitzer Ben in Kontakt mit der erfahrenen Hundetrainerin Christina bringt. Alle drei Protagonisten weisen eine entscheidende Gemeinsamkeit auf. Sie haben schlechte Erfahrungen in ihrem Leben gemacht und sind fest entschlossen, nie wieder ein anderes Wesen zu nah an sich heranzulassen.

Der Einstieg in dieses Buch fällt sehr leicht. Petra Schier schreibt in einem angenehmen Stil, und man möchte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Das liegt einerseits an den gut ausgearbeiteten Szenen und witzig-spritzigen Dialogen, andererseits an dem hervorragenden Setting. Wenn man so will, verliebt man sich dank der anschaulichen Beschreibungen der Autorin nicht nur in den (fiktiven) Urlaubsort an der Nordsee und möchte sofort seine Koffer packen, um dort die Ferien zu verbringen. Auch die authentisch wirkenden Protagonisten machen es jedem Leser leicht, sie in sein Herz zu schließen. Während man die einfühlsame, tierliebe Christina gleich liebgewinnt, die sich für ihre Schützlinge in der Hundeschule engagiert, braucht man etwas länger, um mit dem mitunter arrogant und herrisch wirkenden Ben, der nur für seine Kunst zu leben scheint und ungehalten auf alle Störungen in seinem kreativen Prozess reagiert, warm zu werden. Mitten ins Herz trifft Boss, die amerikanische Bulldogge, die uns ihre persönliche Sicht der Dinge frei Schnauze erzählt. Man könnte ihm stundenlang zuhören...

Für mich ist dieser moderne Liebesroman ein klares Highlight. Gern vergebe ich 5 Sterne für eine hinreißende Geschichte über zwischenmenschliche und -tierische Beziehungen, die nicht nur alle Tierfreunde begeistern wird.

Veröffentlicht am 05.04.2018

Die perfekte Welle

Sylt oder solo
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Ich fühle mich in Kampen auf Sylt ein bisschen wie ein Affe im Zoo, aber mit lieben Besuchern. (Gunter Sachs)

Dieses Bonmot möchte ich meiner Rezension des Romans "Sylt oder solo" voranstellen, der auf ...

Ich fühle mich in Kampen auf Sylt ein bisschen wie ein Affe im Zoo, aber mit lieben Besuchern. (Gunter Sachs)

Dieses Bonmot möchte ich meiner Rezension des Romans "Sylt oder solo" voranstellen, der auf meiner Lieblingsinsel spielt. Claudia Thesenfitz führt die Geschichte um Nina fort, deren Wünsche in Erfüllung gegangen sind. Liebe, Geld und ein Leben auf Sylt – Nina hat alles, wovon sie früher nur träumen konnte. Sie lebt zusammen mit ihrem Traummann Jan auf Deutschlands schönster Insel. Die Tage in der Surfschule und dem kleinen Strandbistro sind märchenhaft. Doch wie hält man die Liebe fest? Geht das überhaupt? Als Jan urplötzlich eine Auszeit will, Ninas Ex auftaucht und das Leben noch einige andere Überraschungen für sie parat hält, begreift sie, dass nichts selbstverständlich ist. Und sie beginnt, um ihr Glück zu kämpfen.

Das Cover ist ein richtiger Hingucker. Der Blick des Betrachters richtet sich automatisch auf das auffällige rote Kleid einer Frau, das im Wind flattert. Sie hat auf feste Schuhe verzichtet, balanciert auf einem Holzsteg und verbringt allem Anschein nach einen unbeschwerten warmen Sommertag in den Dünen. Im Hintergrund kann man einen Leuchtturm erkennen. Die gesamte Darstellung ist in warmen Farben gehalten und vermittelt die berühmte "Feel-Good" - Atmosphäre, von der jeder Leser bei der Auswahl seiner Uralubslektüre träumt.

Der Titel "Sylt oder solo" ist eingängig und bleibt im Gedächtnis haften. Im Untertitel verspricht Claudia Thesenfitz einen "Glücksroman". Diese Aussage hat mich neugierig gemacht und zu diesem Buch greifen lassen. Nun, lassen wir uns vom Inhalt dieses Romans überraschen.

Der Plot klingt vielversprechend. Die meisten Liebesromane begnügen sich mit einem Happy-End; auf eine Fortsetzung ist niemand scharf, weil man zwangsläufig über viele Krisen sprechen müsste, die sich (fast zwangsläufig) im Laufe einer normalen Liebesbeziehung einstellen und eine schwere Belastungsprobe für alle verliebten Paare bilden. Diese traurige Wahrheit wird lieber in heiteren Romanen ausgeblendet. Insoweit finde ich es mutig, dass Claudia Thesenfitz dieses Thema in ihrem neuen Roman behandelt, zumal ihre Protagonisten einen beträchtlichen Altersunterschied zueinander aufweisen.

Auch das Setting auf der beliebten Urlaubsinsel ist perfekt. Dieses Buch atmet viel Lokalkolorit. Claudia Thesenfitz kennt sich gut auf der Trauminsel aus, und jeder Tourist, der die schönsten Wochen im Jahr auf Sylt verbracht hat, wird viele berühmte "Ecken" wiedererkennen.

An dem Schreibstil von Claudia Thesenfitz gibt es nichts zu meckern. Das Buch liest sich leicht und locker, genauso wie es von einem guten Unterhaltungsroman erwartet wird. Hin und wieder blitzt etwas Humor auf. Diese Zutat kann in einem guten Buch nicht schaden. In diesem Punkt reitet Claudia Thesenfitz die perfekte Welle, um einen weiteren Bestseller zu landen.

Leider verderben mir die Protagonisten den Spaß an der Lektüre. Wie wir auf den ersten Seiten erfahren, ist Nina inzwischen 43 Jahre alt. Trotzdem kann ich ihr nur die geistige Reife eines Teenagers bescheinigen. In finanzieller Hinsicht handelt sie aus dem Bauchgefühl heraus, gibt das geerbte Vermögen mit vollen Händen aus, ohne Rücksicht auf Verluste. In ihrer Liebesbeziehung lässt sie sich gnadenlos unterbuttern und in die Rolle eines braven Hausmütterchens drängen, das dem in der Surf-Schule hart arbeitenden Mann den Rücken freihält.

Wenn man sich hier an die konservativen 50er Jahre erinnert fühlt, kommt es später noch schlimmer. Jan ist auf einen knallharten Ego-Trip. Er benimmt sich wie ein verzogenes Kind, rührt keine Hand im Haushalt und lässt den Macho raushängen. Wenn Nina mit ihm über ihre Probleme sprechen möchte, knallt er ihr freche Antworten an den Kopf, die mir die Haare zu Berge stehen lassen.

Gleichzeitig entdeckt er den Spießer in sich und will sein abgebrochenes Medizin-Studium beenden, um auf eigenen Füßen stehen, sein eigenes Geld verdienen und den klassischen Traum von Haus, Frau und Kindern leben zu können. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber dass ein angehender Arzt sich einen Joint nach dem anderen reinzieht, um sein Hirn auf Trab zu bringen, ist für mich starker Tobak.

Als er nach Berlin zurückkehrt und sein angekratztes Ego mit einer Tinder-Affäre wiederherstellt, verhält sich Nina wie in ihrer Pubertät. Sie bombardiert ihren Ex mit SMS und Whats App- Nachrichten, textet seine Schwester zu, sucht ihn in seiner Wohnung auf und nutzt jede Gelegenheit, sich vor ihrem Lover lächerlich zu machen. Auch ihr sorgloser Umgang mit wechselnden Geschlechtspartnern bringt mich ins Grübeln; nach dem Sex mit dem Ex geht sie kurzentschlossen mit einem (verheirateten) Jugendfreund ins Bett, ohne auf die Verwendung von Kondomen zu bestehen, nachdem sie selbst die Pille abgesetzt hat. Natürlich gelingt ihr der Jackpot in der Schwangerschaftslotterie und sie steuert direkt auf ein Happy-End mit Jan zu, das für mich einen extrem schalen Beigeschmack hat. Man fragt sich, wie ihr gemeinsames Leben zu dritt aussehen wird - und nein, ich möchte es lieber nicht wissen.

Unterm Strich hat mich dieser Roman von Claudia Thesenfitz enttäuscht, der bereits als neuer Bestseller gehandelt wird. Deshalb kann ich nur ein kritisches Fazit ziehen und 3,5 Sterne für einen seichten Unterhaltungsroman mit flachen Charakteren vergeben, der sämtliche Klischees dieses Genres bedient.


Veröffentlicht am 05.04.2018

Verschlossene Türen

Hortensiensommer
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Ein Garten kann eine Welt für sich werden, dabei ist ganz gleich, ob dieser Garten groß oder klein ist. (Hugo von Hoffmannsthal)

Der Roman "Hortensiensommer" von Ulrike Sosnitza erzählt von Johanna, ...

Ein Garten kann eine Welt für sich werden, dabei ist ganz gleich, ob dieser Garten groß oder klein ist. (Hugo von Hoffmannsthal)

Der Roman "Hortensiensommer" von Ulrike Sosnitza erzählt von Johanna, einer passionierten Gärtnerin, die von ihren dankbaren Kunden häufig als "Blumenflüsterin" bezeichnet wird. Sie lassen sich von ihr im malerischen Sommerhausen die kahlen Gärten in duftende Paradiese verwandeln. Seit einem tragischen Ereignis lebt sie alleine in einem viel zu großen Haus und vermietet die Einliegerwohnung an Philipp mit dem Panamahut. Zögernd freunden sie sich an. Als Philipp beginnt, ihr vorzulesen, schleicht sich langsam die Liebe in ihr einsames Herz. Im Mai dann erklingt Kinderlachen im Garten und Philipp stellt Johanna seine kleine Tochter vor, woraufhin sie entsetzt flüchtet. Als Philipp den Grund für Johannas Verhalten erfährt, setzt er alles daran, sie wieder zum Strahlen zu bringen

Das Cover lockt jeden Betrachter auf eine falsche Fährte. Denn unser Blick richtet sich auf eine Tüte mit saftigen Kirschen und ein Schälchen, auf dem ein köstliches Himbeer-Eis mit frischen Früchten dekorativ angerichtet ist. Auch die leuchtend blaue Hortensie, die man - halb verdeckt von einem hübschen Anhänger, der den eingängigen Titel des Buches in Szene setzt - im Hintergrund erkennen kann, suggeriert einen leichten, unterhaltsamen Roman, den man an einem lauschigen Plätzchen in seinem eigenen Garten genießen sollte. Tatsächlich besitzt dieses Buch wesentlich mehr Tiefe.

Der Roman spielt im malerischen Sommerhausen, einem idyllisch anmutenden fränkischen Weindorf wie aus dem Bilderbuch, und atmet viel Lokalkolorit. Das Geschehen wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive der zwei Protagonisten Johanna und Philipp erzählt, deren Lebensweg sich durch einen Mietvertrag kreuzt. Literarisch gesehen, ist diese Vorgehensweise ein bewährter Schachzug, denn er läßt den Leser tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der handelnden Personen eintauchen.

Philipp ist ein engagierter, naturverbundener Lehrer, der sich rührend um seine kleine Tochter aus einer gescheiterten Beziehung kümmert. Auch seiner verschlossen wirkenden Vermieterin begegnet er mit viel Einfühlungsvermögen und legt eine schier unendliche Geduld an den Tag. Durch dieses vorbildliche Verhalten zieht er alle Sympathien auf sich und sammelt laufend Pluspunkte.

Ganz im Gegensatz zu Johanna, die es sich selbst und allen anderen nicht gerade leicht macht. Als Gärtnerin verfügt sie über ein großes Fachwissen, und sie hat sich nach der Trennung von ihrem Mann als eine "mobile Gartenfee" selbständig gemacht. Menschlich gesehen ist sie sehr unglücklich. Denn sie hat ein schweres Trauma erlitten und ist in einer Depression gefangen, aus der sie sich selbst nicht befreien kann.

Im Laufe des Geschehens erleben wir ein wahres Wechselbad der Gefühle. Vor allem mit Johanna empfindet man großes Mitleid. Als die Wahrheit ans Licht kommt, begreift man ihren tiefen Schmerz und kann ihre Reaktionen nachvollziehen, aber hin und wieder möchte man sie kräftig durchschütteln, weil sie in ihrer (berechtigten) Trauer zu heftig reagiert, nur sich selbst sieht und alle anderen Menschen, die es mit ihr gut meinen und ihr helfen wollen, vor den Kopf stößt.

Mich hat dieses bewegende, einfühlsam geschriebene Buch von Ulrike Sosnitza sehr beeindruckt. Gern vergebe ich 4 Sterne für einen anrührenden, melancholisch stimmenden Roman über Verlust und Trauer, Hoffnung und Liebe.

Veröffentlicht am 30.03.2018

L' eau d'amour....

Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe
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Une femme sans parfum est une femme sans avenir. (Coco Chanel)

Die berühmte Französin Coco Chanel hatte nicht nur Stil, sondern auch Köpfchen. Dieser Gedanke schießt mir immer durch den Kopf, wenn ich ...

Une femme sans parfum est une femme sans avenir. (Coco Chanel)

Die berühmte Französin Coco Chanel hatte nicht nur Stil, sondern auch Köpfchen. Dieser Gedanke schießt mir immer durch den Kopf, wenn ich eine Parfümerie betrete, um mich über die aktuellen Düfte der Saison zu informieren. Aber welche Kreation kann es mit dem Klassiker Chanel No. 5 aufnehmen? Mit diesem berühmten Parfüm hat die Stil-Ikone sich selbst - und ihrer großen Liebe Boy Capel - ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Der Roman "Mademoiselle Coco und die Liebe" entführt in das Paris der Zwanziger Jahre. Coco Chanel ist es gelungen, ein erfolgreiches Modeunternehmen aufzubauen. Doch als ihr Geliebter Boy Capel bei einem Unfall stirbt, ist sie vor Trauer wie gelähmt. Erst der Plan, ihrer Liebe zu ihm mit einem Parfüm zu gedenken, verleiht ihr neue Tatkraft. Auf ihrer Suche danach begegnet sie dem charismatischen Dimitri Romanow. Mit ihm an ihrer Seite reist Coco nach Südfrankreich, in die Wiege aller großen Düfte, und kommt schon bald dem Duft der Liebe auf die Spur.

Das Cover ist in Sepia-Tönen gehalten und wirkt elegant und zurückhaltend. Der Blick des Betrachters richtet sich auf eine schlicht gekleidete zierliche Frau mit kurzen dunklen Haaren, die gedankenverloren auf das Wasser der Seine blickt. Sie könnte stellvertretend für Coco Chanel stehen, die einer ganzen Epoche ihren persönlichen Stempel aufgedrückt hat. Auch der Titel ist gut gewählt und macht auf die Handlung des Buches neugierig.

HInter dem (offenen) Pseudonym Michelle Marly verbirgt sich Micaela Jary, eine Grande Dame der Literatur, wenn ich sie so nennen darf. In dem vorliegenen Roman präsentiert sie einen geschickt konstruierten, emotionalen historischen Roman, der um die Entstehungsgeschichte eines Duft-Klassikers kreist.

Ihre Protagonistin Coco Chanel ist eine außergewöhnliche starke Persönlichkeit, mit der sich moderne Frauen identifizieren können. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen, wollte ihre Träume leben, wählte ein freies, selbstbestimmtes Leben und setzte sich über alle gängigen Normen und Werte ihrer Zeit hinweg. Auch in der LIebe gab sie nichts auf konservative Vorstellungen, sondern ließ sich allein von ihrem Herzen leiten.

Drei Jahre lang dürfen wir Coco Chanel auf ihrem Weg begleiten und hinter die glänzende Fassade einer eigenwilligen, kreativen Mode-Schöpferin blicken, die sich charakterlich gesehen nur schwer fassen läßt. Einerseits ist sie eine klug agierende, mit allen Wassern gewaschene erfolgreiche Geschäftsfrau, die sich mit ihren eigenen Händen ein Imperium aufgebaut hat, andererseits eine gebrochene, sensible, zerbrechlich wirkende Frau, die zeitlebens um ihre große Liebe trauerte.

Michelle Marly hat gründlich recherchiert, alle benutzten Quellen kritisch hinterfragt und ein enormes Fachwissen zusammengetragen. In ihrem atmosphärisch dicht gewebten Buch gelingt es ihr mühelos, das Paris der Zwanziger Jahre zum Leben zu erwecken. Im Laufe des Romangeschehens lernen wir viele wichtige Persönlichkeiten kennen, die ihre Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen haben. Ballett, Kunst, Literatur, Mode und Musik verschmelzen zu einer untrennbaren Einheit.

Trotzdem ist dieses von mir mit 5 Sternen bewertete Buch eine Momentaufnahme. Es will keine kritische Biographie sein, die alle dunklen Seiten der berühmt-berüchtigten Modeschöpferin aufzeigt, sondern bleibt ein gefühlvoller historischer Roman, der eine mögliche logische Erklärung für die Kreation des zeitlosen Duftes "Chanel No. 5" liefert, der - ebenso wie das "Kleine Schwarze" - immer noch zum must-have in unserer heutigen Zeit gehört.

Veröffentlicht am 24.03.2018

Zwei Frauen

Das Geheimnis der Muse
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"Art washes away from the soul the dust of everyday life."
(Pablo Picasso)

In ihrem Roman "Das Geheimnis der Muse" erzählt Jessie Burton von zwei jungen Frauen, deren Leben durch ein Gemälde schicksalhaft ...

"Art washes away from the soul the dust of everyday life."
(Pablo Picasso)

In ihrem Roman "Das Geheimnis der Muse" erzählt Jessie Burton von zwei jungen Frauen, deren Leben durch ein Gemälde schicksalhaft miteinander verwoben sind: Olive, eine talentierte Malerin am Vorabend des Spanischen Bürgerkriegs, und Odelle, eine angehende Schriftstellerin im London der Swinging Sixties.
London, 1967. Odelle Bastien, aus Trinidad nach England gekommen, um ihren Traum vom Schreiben zu verwirklichen, ergattert einen Job in der renommierten Kunstgalerie Skelton. Durch einen sensationellen Fund – ein Gemälde des seit dem Spanischen Bürgerkrieg verschollenen Künstlers Isaac Robles –, wird Odelle in eine Geschichte verstrickt, die ihr Leben völlig auf den Kopf stellt. Denn um das Gemälde rankt sich ein folgenschweres Geheimnis, das ins Jahr 1936 zurückreicht, als Olive Schloss, eine begabte junge Malerin, in Andalusien auf den Künstler und Revolutionär Isaac Robles trifft. Eine Begegnung, die ungeahnte Konsequenzen nach sich zieht ...Zwischen dem schillernden London der Sechziger und dem schwülheißen Andalusien der Dreißiger entspinnt sich diese fesselnde und betörende Geschichte um große Ambitionen und noch größere Begierden.

Bereits das ausdrucksstarke Cover verrät dem Betrachter viel über den Inhalt dieses Romans. Sein Blick richtet sich automatisch auf eine altmodisch wirkende Schreibmaschine. Während des kreativen Schreibprozesses entwickeln sich zwei verschiedene Erzählstränge, die sich strahlend dem Licht entgegenranken und am Ende des Buches wieder sinnbildlich in zwei gekreuzten Revolvern, die ein gewaltsames Ende markieren, zusammengeführt werden. Die gewählten Symbole sind sehr interessant. Die Schlange ist positiv wie negativ besetzt. Sie steht für die Vertreibung aus dem Paradies, Leiden und Tod, aber auch für Gesundheit und Wiedergeburt. Der PInsel steht stellvertretend für den kreativen Schaffensprozess eines bildenden Künstlers. Mir gefällt das Cover sehr, denn es erinnert an ein abstraktes Gemälde, wirkt geheimnisvoll und regt zum Nachdenken an. Auch der Titel des Romans ist gut gewählt. Denn er rekurriert bewusst auf den inhalt, ohne zu viel preiszugeben.

Der Plot des Romans ist spannend, und das Setting in zwei verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Epochen der Weltgeschichte gelungen. Durch die farbige Protagonistin Odelle erleben wir den latenten Rassismus in den "Swinging Sixties" der britischen Metropole, die sich selbst als modern, tolerant und weltoffen versteht. Die aus gutem Hause stammende Malerin Olive wiederum erlebt nicht nur die Diskriminierung von Frauen, sondern auch die Verfolgung von politischen Revolutionären im schwülheißen Andalusien der 1930er Jahre, kurz vor dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges.

im Mittelpunkt des Romans stehen zwei starke Frauen, die auf den ersten Blick gar nicht so viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Odelle ist farbig, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und muss hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten, während Olive weiß ist, aus einem vermögenden Elternhaus stammt und ein unbeschwertes Leben führt. Wenn man sich aber näher mit ihnen beschäftigt, stellt man fest, dass sowohl Odelle als auch Olive kreative Menschen sind, die für ihre Kunst brennen. Odelle ist eine aufstrebende Schriftstellerin, während Olive sich der Malerei verschrieben hat.

Wenn man dieses Buch einmal aufgeschlagen hat, wird man es nicht mehr aus seinen Händen legen können. Jessie Burton schreibt in einem faszinierenden, mitreißenden Stil. Sie beherrscht ihr literarisches Handwerk, zeichnet sämtliche Charaktere realistisch und vielschichtig und wählt für ihre Protagonisten verschiedene Erzählperspektiven. Der Erzählstrang in den Swinging Sixties wird aus der Ich-Perspektive von Odelle geschildert, die uns durch diesen literarischen Kunstgriff ans Herz wächst. Dahingegen wählt sie für den Erzählstrang in den 1930er Jahren einen neutralen Erzähler, der das Geschehen und die verschiedenen Akteure still beobachtet und uns auf unsere eigenen Empfindungen zurückwirft.

Für mich war dieses Buch ein Highlight im März. Gern vergebe ich die Höchstpunktzahl von 5 Sternen für einen Roman, der mich mit auf eine literarische Reise durch die Welt der Kunst genommen und mir ein großes Lesevergnügen geschenkt hat.