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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.03.2018

Ich seh den Sternenhimmel...

Planetenpolka
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Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt. (Mark Twain)

Die neue Ruhrpott-Krimödie von Lotte Minck trägt den schönen Titel "Planetenpolka", und tatsächlich spielen die ...

Jeder Mensch ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt. (Mark Twain)

Die neue Ruhrpott-Krimödie von Lotte Minck trägt den schönen Titel "Planetenpolka", und tatsächlich spielen die Sterne in diesem Buch eine ganz besondere Rolle. Mord infolge einer Mars-Pluto-Konjunktion? "So ein Mumpitz!", denkt Kommissar Arno Tillikowski. Irgenwie kann die hübsche Astrologin Stella Albrecht ihn aber doch davon überzeugen, das plötzliche Ableben der schwerreichen Matriarchin Cäcilie von Breidenbach zu untersuchen. Ihre Ermittlungsmethoden sind mitunter unorthodox, aber äußerst effektiv: Schnell kommen sie dahinter, dass Cäcilies Erben mehr als einen guten Grund hatten, ihre Tante aus dem Weg zu schaffen ...

Was soll ich über das Cover von Ommo Wille schreiben? Seine Werke haben einen hohen Wiedererkennungswert. Sie sind etwas schräg angehaucht und passen perfekt zu den Büchern von Lotte Minck. Auch dieses Cover fällt sofort ins Auge. Auf den ersten Blick glaubt man eine friedliche Szene vor sich zu sehen, eine verstorbene alte Dame liegt in ihrem Bett, und überall spenden Kerzen in silbernen Leuchtern warmes, tröstliches Licht. Dann aber fällt der Blick des Betrachters auf einen riesigen Totenschädel am tiefschwarzen Himmel, der durch das geöffnete Fenster ins Sterbezimmer scheint - und die Stimmung kippt ins andere Extrem. Auch die Rückseite des Buches ist sorgfältig gestaltet worden. Man blickt auf mehrere Sideboards und wundert sich über die auf dem Boden verstreuten Gegenstände.

Als ich den Titel des Buches gelesen habe, konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Lotte Minck ist sehr schlagfertig, verfügt über einen tollen Wortwitz und spielt geschickt mit den Erwartungen der Leser.

Astrologie ist eine umstrittene Wissenschaft. Der Plot ist originell, und das Setting mitten im Ruhrgebiet gefällt mir gut. Die Bücher von Lotte Minck atmen so viel unverfälschtes Lokalkolorit; sie wachsen jedem Menschen, der aus dem Pott kommt, ans Herz.

Wer Loretta Luchs in sein Herz geschlossen hat, wird auch einen festen Platz für Stella Albrecht reservieren. Sie ist etwas intellektueller und zurückhaltender als die draufgängerische, impulsive Call-Center-Mitarbeiterin, aber ebenso wie ihre berühmte Vorgängerin hat sie ihr Herz am rechten Fleck und zeichnet sich durch eine scharfe Kombinationsgabe aus.

Auch die anderen Protagonisten sind starke Charaktere. Der Journalist Ben und der Kommissar Arno sind sympathische Figuren, und zusammen mit Stella bilden sie ein starkes Trio. Last, not least möchte ich auch die exzentrische Oma Maria, die einst als Wahrsagerin Madame Pythia auf Jahrmärkten unterwegs war, und die konservative Lehrerin Felicitas erwähnen, welche mit Astrologie nichts anfangen kann und den beruflichen Aktivitäten von Oma und Tochter kritisch gegenübersteht.

Wie immer hat mich Lotte Minck durch ihren locker-flockigen Schreibstil begeistert. Man möchte dieses Buch, das durch ein unorthodoxes Ermittler-Team und einen außergewöhnlichen Fall punktet, nicht mehr aus der Hand legen und es lieber in einem Rutsch durchlesen. Mich hat diese originelle, schwungvolle Ruhrpott-Krimödie in jeder Hinsicht überzeugt, und ich vergebe gern die Höchstpunktzahl von 5 Sternen für ein tolles Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 14.03.2018

Liebe geht durch den Magen!

Der Duft von Rosmarin und Schokolade
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Kochen ist eine Leidenschaft. Genießen ist eine Kunst.

An dieses Zitat fühle ich mich erinnert, wenn ich den Roman "Der Duft von Rosmarin und Schokolade" von Tania Schie in die Hand nehme. Erzählt wird ...

Kochen ist eine Leidenschaft. Genießen ist eine Kunst.

An dieses Zitat fühle ich mich erinnert, wenn ich den Roman "Der Duft von Rosmarin und Schokolade" von Tania Schie in die Hand nehme. Erzählt wird die Geschichte von Maylis, die taglich hinter der Theke des traditionsreichen Hamburger Feinkostladens Radke steht. Sie genießt es, ihre Kunden zu beraten, nicht nur in kulinarischen, sondern auch in romantischen Angelegenheiten. Doch wenn sie nach Hause kommt, fühlt sie sich so leer wie ihr Kühlschrank. Seit der Trennung von ihrem Mann fällt es Maylis schwer, ihr Herz zu öffnen. Bis eines Tages Paul in ihrem Laden steht und Maylis sich fragt, ob sie nicht doch noch einmal vom Leben kosten möchte.

Die Inhaltsangabe klingt verlockend, und dem hinreißenden Cover kann ich gar nicht widerstehen. Durch die leuchtenden, warmen Farben vermittelt es ein angenehmes Sommer-Feeling. Die geöffnete Tür lädt zum Betreten und Verweilen in dem Delikatessengeschäft ein. Die frischen Früchte in den vielen Kisten, die vor dem Schaufenster gestapelt sind, lassen jedem Betrachter das Wasser im Mund zusammenlaufen und machen direkt Lust auf eine kleine Kostprobe. Allerdings hätte ich dieses entzückende Geschäft nicht im kühlen Hamburg (genauer gesagt: in Eppendorf), sondern eher in Süddeutschland vermutet.

Auch der Titel "Der Duft von Rosmarin und Schokolade" ist klug gewählt. Er zergeht auf der Zunge und ist ein Versprechen an den Leser, das - soviel möchte ich bereits verraten - in vollem Umfang erfüllt wird.

Der Plot erfreut sich großer Beliebtheit, ist aber gut umgesetzt worden. Auch das Setting in dem bürgerlich-konservativen Stadtteil Eppendorf in der Hansestadt Hamburg ist perfekt. Hier gehört ein feines Delikatessengeschäft, das in den 1950er Jahren für eine anspruchsvolle und gutsituierte Kundschaft gegründet wurde, hin.

Maylis ist eine sympathische Protagonistin, die man gern in sein Herz schließt. Sie ist eine begnadete Köchin, steht kurz vor ihrem 40. Lebensjahr und hat eine unglückliche Beziehung hinter sich, die ihr Vertrauen in andere Menschen erschüttert hat. Ganz allmählich wagt sie sich aus ihrem Schneckenhaus hinaus, gewinnt wieder Lebensfreude, Selbstvertrauen und Zuversicht und findet eine neue große Liebe mit einem Mann, der ihr in jedem Punkt ebenbürtig ist.

Dieser warmherzige Roman ist ein großes, sinnliches Erlebnis, auf das man sich auf keinen Fall mit einem knurrenden Magen und einem leeren Kühlschrank einlassen sollte. Tania Schlie schreibt in einem ruhigen, verhaltenen Ton, aber sie schafft Bilder von starker Intensität. Die Schauplätze der Handlung stehen jedem Leser plastisch vor Augen; man glaubt an der Ladentheke zu stehen und die wundervollen Delikatessen mit eigenen Augen sehen, riechen und schmecken zu können - und man möchte selbst von der Feinschmeckerin Maylis individuell beraten werden und einen großen Einkauf tätigen,

Leider plätschert die Handlung mehr oder weniger ohne große Höhepunkte dahin, und dieses liebenswerte Buch steuert zielsicher auf das erwartete Happy-End hin. Für meinen persönlichen Geschmack fehlt eine Prise Dramatik (und eventuell eine Messerspitze Erotik), dann wäre dieser unterhaltsame Roman, der um feine Küche und große Liebe kreist, perfekt. Aus diesem Grunde vergebe ich heute nur 4 Sterne, aber ich empfehle dieses Wohlfühl-Buch gern weiter.


Veröffentlicht am 05.03.2018

3 Engel für Oma

Drei Schwestern am Meer
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Mit ihrem Roman "Drei Schwestern am Meer" entführt Anne Barns ihre Leserinnen nach Rügen. Rügen! Viel zu selten fährt Rina ihre Oma auf der Insel besuchen. Jetzt endlich liegen wieder einmal zwei ruhige ...

Mit ihrem Roman "Drei Schwestern am Meer" entführt Anne Barns ihre Leserinnen nach Rügen. Rügen! Viel zu selten fährt Rina ihre Oma auf der Insel besuchen. Jetzt endlich liegen wieder einmal zwei ruhige Wochen voller Sonne, Strand und Karamellbonbons vor ihr. Doch dann bricht Oma bewusstlos zusammen, und Rina muss sie ins Krankenhaus begleiten. Plötzlich scheint nichts mehr, wie es war, und Rinas ganzes Leben steht auf dem Kopf.

Das Cover ist in warmen Tönen gestaltet worden und sieht hinreißend aus. Der Leser blickt auf eine hübsch dekorierte, selbstgemachte Torte, die das Wasser im Munde zusammenlaufen läßt. Des weiteren fallen zwei Karamell-Bonbons ins Auge, und auch die Muschel als Symbol für das Meer fehlt nicht. Der eingängige Titel des Romans ist in einer kursiven, leicht verschnörkelten lilafarbenen Schrift gestaltet worden. Er ist ganz klar Programm - hier weiß man sofort, was man von diesem Buch erwarten kann.

Der Plot ist nicht neu, aber gut umgesetzt. Auch das Setting auf einer Insel an der malerischen Ostsee ist perfekt gewählt. Insel-Romane erfreuen sich rund um das Jahr großer Beliebtheit, und in Kombination mit einer emotional erzählen Familien- und Liebesgeschichte kann (im positiven Sinne) kaum etwas schiefgehen. Abgerundet wird der Roman durch einige Rezepte, die zum Nachmachen einladen - fertig ist die perfekte Mischung!

Tatsächlich wird die hohe Erwartungshaltung des Lesers nicht enttäuscht. Anne Barns versteht ihr literarisches Handwerk. Sie schreibt in einem atmosphärisch dichten Stil und füllt ihre Schauplätze mit Leben. Man glaubt die weißen Kreidefelsen auf Rügen und das behagliche Heim der Großmutter direkt vor sich zu sehen.

Das Geschehen wird aus der Ich-Sicht von Rina, der ältesten Schwester, vermittelt, die nach einer gescheiterten Beziehung in Berlin wieder ihre Zuflucht im Hause ihrer Großmutter auf Rügen sucht. Auch die zwei anderen Schwestern haben ausnahmslos ein glückliches Händchen für den falschen Mann und sind (glücklicherweise) alles andere als perfekt. Aus diesem Grunde wirken alle Protagonisten authentisch und lebendig; man kann sich sehr leicht in ihre Situation hineinversetzen und ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehen.

Das Buch vermittelt wichtige Wertvorstellungen, die in der heutigen Zeit in Vergessenheit geraten sind. Natürlich haben alle drei Schwestern längst ihre Heimat verlassen, um ihre Berufswünsche zu verwirklichen und auf eigenen Füßen zu stehen. Trotzdem ist ihre enge Bindung an ihre Großmutter, die sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgezogen hat, niemals abgerissen. Als sie ins Krankenhaus kommt und ihre Hilfe benötigt, zeigen sie ihre Liebe und Dankbarkeit und lassen sie alles stehen und liegen, um ihrer kranken Großmutter zur Seite zu stehen. Nach und nach wird ein kleines Geheimnis gelüftet, das weit in die deutsch-deutsche Vergangenheit weist. Auch für die patente Großmutter, die einen schweren Verlust ertragen und mit einer Lüge leben musste, gibt es ein Happy-End - und jeder Leser gönnt es ihr von ganzem Herzen.

Für mich ist dieses Buch mein persönliches Highlight in diesem Monat. Anne Barns hat einen wunderschönen Wohlfühl-Roman vorgelegt. Er ist wie eine liebevolle Umarmung an einem eisigen Tag, die mein Herz wärmt und mich zu Hause ankommen läßt. Gern vergebe ich heute die Höchstpunktzahl von 5 Sternen und freue mich auf weitere Feel-Good-Romane von Anne Barns.

Veröffentlicht am 18.02.2018

Auf Spurensuche in Portugal

Nelkenliebe
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Welcher Urlauber hat nicht schon einen zauberhaften Urlaub an der Algarve verbracht? Aber - unter uns Touristen - wissen wir überhaupt etwas von der Historie dieses Landes?

Diese Lücke will Anja Saskia ...

Welcher Urlauber hat nicht schon einen zauberhaften Urlaub an der Algarve verbracht? Aber - unter uns Touristen - wissen wir überhaupt etwas von der Historie dieses Landes?

Diese Lücke will Anja Saskia Beyer mit ihrem Roman "Nelkenliebe" füllen. Das Buch erzählt von Katharina, die den großen Wunsch ihres todkranken Vaters erfüllen und nach Portugal reisen will, um seine große Liebe Marisa wiederzufinden, die ihn damals mitten in den portugiesischen Umtrieben der Siebzigerjahre in Lissabon ohne Erklärung verließ. Für Katharina ist es der Aufbruch in eine revolutionäre Vergangenheit. Die unruhigen Ereignisse der Nelkenrevolution und die unerfüllte Sehnsucht ihres Vaters bringen auch ihre eigene Gefühlswelt durcheinander: Es wird eine Suche, die ihr Herz nicht vor Turbulenzen verschont. Die geheimnisvolle Geschichte, die sie mit ihrem Vater verbindet, führt Katharina nach und nach vor Augen, für was es sich im Leben zu kämpfen lohnt und was wahre Liebe wirklich bedeutet.

Das Cover ist ansprechend gestaltet. Der Betrachter blickt auf köstliche Plätzchen, die in den Bäckereien und Cafés in Portugal verkauft werden. Auch die einprägsamen Mosaike, die in den Farben Blau und Weiß gehalten sind, fehlen nicht. Der Titel ist kurz und knackig und rekurriert auf ein wichtiges geschichtliches Ereignis in den 1970er Jahren, das für alle Portugiesen eine wichtige Zäsur in der politischen Geschichte ihrer Heimat bedeutete.

Der Plot dieses Romans ist ambitioniert, das Setting an der Algarve perfekt. Anja Saskia Beyer schreibt in einem gut lesbaren, flüssigen Stil. Ihr gelingt es, mit wenigen Worten die atemberaubende Schönheit Portugals zu vermitteln. Man glaubt, die einzelnen Protagonisten und die verschiedenen Schauplätze direkt vor sich zu sehen. Auch die landestypischen Rezepte, die eine wichtige Rolle im Verlauf des Geschehens spielen und im Anhang präsentiert werden, sind klare Pluspunkte in diesem Buch.

Die Handlung des Romans spielt auf zwei verschiedenen Zeitebenen. Die Autorin wechselt ständig zwischen der Gegenwart (2018) und der Vergangenheit (1970er Jahre) hin und her. Durch diese Rückblenden werden die späteren Ereignisse gut verständlich, und man kann sich in die Gefühls- und Gedankwelt der Protagonisten einfühlen. Leider erspart uns die Autorin nicht billige Klischees und dümmliche Lebensweisheiten, die mir die Lektüre verdorben haben.

Der Roman krankt an seinen schwachen Protagonisten, die mir die Haare zu Berge stehen lassen. Was mich an diesem Buch massiv gestört hat, ist das tradierte klassische Frauenbild, welches in diesem Roman vermittelt wird. An und für sich ist Gerd, der Vater von Katharina, ein sympathischer Protagonist, der vor allem durch seinen Einsatz für Marisa viele Pluspunkte erwirbt. Mir will nicht in den Kopf, dass ausgerechnet ein Mann, der in den freien 1970er Jahren aufgewachsen ist, auf die konservative Schiene abfährt und seine einzige Tochter wie ein kleines Kind gängelt. Sein Wunsch, alles vor seinem Tode zu regeln, ist ehrenwert, aber warum will er seine Tochter unbedingt vor seinem Tod "in guten Händen" wissen, wie ein süßes verhätscheltes Haustier, das man nicht ohne Schutz auf dieser Welt zurücklassen will?

Auch das Verhalten von Gerd gegenüber Marisa und Gisela ist zwiespältig. Einerseits liebt er die starke Marisa, die einen Wandel von einer ängstlichen Duckmäuserin zu einer rebellischen Frau vollzieht, fürchtet sich aber vor ihrem Intellekt, der ihn - so habe ich den Eindruck - überfordern würde. Gisela ist eine schwache Person, die er sich - nach seinen eigenen Worten - so backen kann, wie er sie sich wünscht. Auf diese Weise geht er allen Schwierigkeiten aus dem Weg und führt eine lange und glückliche (?) Ehe

Seine Tochter Katharina wirkt wie ein verhuschtes Mäuschen von 35 Jahren, das nicht nur seinen beruflichen Weg noch nicht gefunden hat, sondern auch in der Liebe nicht alleine die Segel setzen kann. Nach dem ersten Staatsexamen in Jura wirft sie alles hin und schlägt sich als unterbezahlte, überqualifizierte Schreibkraft hin. In ihrer Freizeit arbeitet sie an einem Blog, aber auch dieses Hobby füllt sie nicht richtig aus. Auch in ihrer Beziehung zu Arne läßt sie sich ständig fremdbestimmen; nach seiner Affäre zieht sie zwar die Konsequenzen und trennt sich endgültig von ihm. Aber am Ende des Romans scheint sie überglücklich zu sein, in die Arm von Nino zu sinken, der sie von nun an vor der bösen Welt beschützen soll. Sorry, aber an wen richtet sich dieses Buch? An dumme, naive Gänschen, die von einem Traumprinzen auf einem weißen Pferd träumen, oder an selbstbewusste erwachsene Frauen, die ihren eigenen Wert kennen und in jeder Beziehung auf eigenen Füßen stehen dürfen, müssen und sollen?

Aus diesem Grunde kann ich heute nur 3,5 Sterne für einen an und für sich interessanten Roman vergeben, der sein großes Potenzial auf der Spurensuche in Portugal verschenkt hat.

Veröffentlicht am 18.02.2018

Courage all the time

Die amerikanische Prinzessin
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Die Vereinigten Staaten sind das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Musterbeispiel für den amerikanischen Traum ist Allene Tew, die Heldin der Biographie "Die amerikanische Prinzessin" von Annjet ...

Die Vereinigten Staaten sind das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Musterbeispiel für den amerikanischen Traum ist Allene Tew, die Heldin der Biographie "Die amerikanische Prinzessin" von Annjet van der Zijl. Am 13. April 1927 geht Allene Tew im Hafen von New York an Bord der Mauretania. Sie lässt ein Leben hinter sich, das ihr alles geschenkt hatte, wovon sie als junges Mädchen vom Land einst träumte: Wohlstand, Ansehen, Mutterglück und die Liebe ihres Lebens. Fast alles hat sie wieder verloren. ›Die reichste und traurigste Witwe der Stadt‹ nennen die Klatschspalten Allene. Doch an diesem Tag bricht sie auf in eine neue Welt. In Europa wartet auf sie eine zweite Heimat, eine Zukunft als wahrhaftige Prinzessin, russische Gräfin und Patentante von Königin Beatrix.

Das Cover ist in Sepia-Tönen gehalten und erinnert an eine Fotografie aus einem alten, verstaubten Album. Es zeigt eine in kühles Weiß gekleidete Frau, die sich in einem Boot an Land bringen läßt, das die amerikanische Flagge trägt. Sie zeigt eine stolze, aufrechte Haltung und hält einen Sonnenschirm in der Hand, um ihren blassen Teint vor der Sonne zu schützen. Der Titel der Biographie ist gut gewählt. Er birgt einen tiefen Widerspruch in sich und macht auf die Biographie neugierig.

Die niederländische Autorin und Historikerin Annjet van der Zijl hat gründlich recherchiert und stützt sich auf viele historische Dokumente. Sie schreibt in einem gut lesbaren Stil und rekonstruiert ein bewegtes Leben, das sich vor einem interessanten historischen Panorama vollzieht. Allene Tew stammt aus einer einfachen, in Jamestown lebenden Familie und schafft über gut gewählte eheliche Verbindungen den sozialen Aufstieg in einer Epoche, die sie durch Wirtschaftsboom, Revolution, die Goldenen Zwanziger Jahre, Weltwirtschaftskrise und - nicht zu vergessen - zwei Weltkriege führt.

Sie ist eine starke Persönlichkeit, deren erklärter Wahlspruch lautet: Courage all the time. In ihrem bewegten Leben muss sie viele schwere Schicksalsschläge (Scheidungen, Tod von Kindern und Ehemännern) ertragen, aber sie lässt sich niemals gehen, sondern bewahrt stets die Contenance und geht gestärkt aus ihnen hervor. Wenn man so will, ist diese distanzierte, kühle Haltung ihrer Erziehung in der Viktorianischen Epoche geschuldet.

Charakterlich gesehen scheint sie ein großzügiger, toleranter Mensch gewesen zu sein, dem wahre Loyalität mehr bedeutete als familiäre Bindungen. Wer einmal ihr Herz gewonnen hatte, konnte ihrer (finanziellen) Unterstützung - auch über den Tod hinaus - sicher sein. Dies gilt nicht nur für ihren geliebten Stiefsohn und ihren letzten Ehemann, sondern auch für andere Menschen, die sie durch "zufällige" Begegnungen kennen- und schätzen gelernt hatte. Vor allem ihre enge Bindung an das niederländische Königshaus hat mich persönlich überrascht.

Allene Tew hat den amerikanischen Traum verwirklicht. Aber ist sie glücklich geworden? Die Antwort auf diese schwierige Frage muss der Leser selbst finden. In jedem Falle hat diese faszinierende Biographie einer ungewöhnlichen Frau, die den Mut hat, ihren Weg bis zum bitteren Ende zu gehen, die Höchstpunktzahl von 5 Sternen verdient.