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Veröffentlicht am 20.08.2022

Wie kam der Rhododendron nach Heligan?

Die Gärten von Heligan - Ruf der Fremde
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Mit „Die Gärten von Heligan – Ruf der Fremde“ hat Inez Corbi den 2. Band (einer Trilogie) über die „Lost Gardens of Heligan“ in Cornwall vorgelegt. Ja, ich gestehe: ich bin bekennender Heligan-Fan...schade, ...

Mit „Die Gärten von Heligan – Ruf der Fremde“ hat Inez Corbi den 2. Band (einer Trilogie) über die „Lost Gardens of Heligan“ in Cornwall vorgelegt. Ja, ich gestehe: ich bin bekennender Heligan-Fan...schade, dass ich die Bücher nicht vor meinen Aufenthalten gelesen habe!
Nachdem wir im ersten Band erfahren haben, wie Heligan überhaupt entstanden ist, lesen wir jetzt, wie exotische Pflanzen in den europäischen Gärten heimisch wurden – ja, dazu gehören auch die Rhododendren, die heute noch in riesigen Büschen in wundervoller Pracht in Heligan zu bewundern sind.
Geschickt erzählt Inez Corbi ihre Geschichte in zwei – nein, eigentlich in drei – Strängen: einmal in der Gegenwart, dann 1815 in Heligan bzw. ungefähr zeitgleich Averys Erlebnisse in Indien und Nepal.
In der Gegenwart hat Lexy den Auftrag bekommen, für die Ausstellung zum 30. Jahrestag der Wiedereröffnung von Heligan eine geschichtliche Dokumentation vorzubereiten. Der erste Teil (Entstehung von Heligan) ist fertiggestellt und sie wendet sich jetzt der Recherche über die exotische Pflanzenwelt zu. Dabei stellt sie fest, dass Avery Harrington 1815 nach einem „verhängnisvollen Duell“ außer Landes fliehen musste. Lexy selbst leidet noch unter dem Trauma ihres stalkenden ehemaligen Freundes Rob, der sie immer noch mit Briefen und Telefonaten in Angst und Schrecken versetzen kann. Mir hat es gut gefallen, dass und wie die Autorin das schwierige Thema Stalking in ihrem Roman aufgreift...
Der 2. Strang spielt in Heligan 1815. Wir treffen einige Protagonisten aus dem 1. Band wieder, z.B. Damaris und Julian (die Eltern von Avery), meine Lieblingsfigur Allie (Schwester von Damaris). Henry Tremayne und sein Sohn John Hearle (historische Personen) sind ebenfalls wieder dabei. In diesem Teil erfahren wir u.a. über die beginnende Pockenschutzimpfung, dafür wurde der ungefährlichere Erreger der Kuhpocken genutzt – und natürlich gab es prompt Impfgegner, die Sorge hatten, sie könnten sich nach der Impfung in eine Kuh verwandeln. Auch erleben wir in Heligan den Sommer 1816, der in die Geschichte als „das Jahr ohne Sommer“ eingegangen ist (ein Vulkanausbruch in Indonesien führte in Europa zu einem besonders kalten und regenreichen Sommer).
Der 3. Strang ist Averys Flucht nach Indien und Nepal, wo er seine Berufung als „Pflanzenjäger“ findet. Hier schafft es Frau Corbi, uns die „Fremdheit“ dieser Länder zu vermitteln – damals ja viel ausgeprägter als heute. Und in diesem Abschnitt erfahren wir auch die Geschichte des Rhododendrons (und einiger anderer damals unbekannter Pflanzen). Avery hat während seiner Expedition einige Abenteuer zu bestehen, die uns in Atem halten und deren Ausgang nicht so einfach vorhersehbar sind...
Die Übergänge zwischen den einzelnen Strängen wurden geschickt gelöst, z.B. steht Lexi in der Gegenwart bei den Bienen, man schlägt die Seite um: Damaris steht 1815 genau an dieser Stelle. Der lebhafte und flüssige Schreibstil werfen das „Kopfkino“ sofort an und ich konnte gut in die Geschichte „eintauchen“.
Ein Personenverzeichnis am Anfang und ein ausführliches Nachwort runden das Buch perfekt ab.
Ich kann für „Die Gärten von Heligan - Ruf der Fremde“ eine klare Leseempfehlung aussprechen: es ist ein schöner, leichter Sommerroman – natürlich ganz besonders empfehlenswert für alle Cornwall-Urlauber – aber auch ohne Vorkenntnisse ein Lesegenuss!

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Veröffentlicht am 24.07.2022

"Pack' die Badehose ein..."

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
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…nein, an den Wannsee fahren wir mit Julie Heiland in ihrem Roman „Die Freundinnen vom Strandbad – Wellen des Schicksals“ nicht, sondern an den Müggelsee. Der Titel des ersten Bandes der Müggelsee-Saga ...

…nein, an den Wannsee fahren wir mit Julie Heiland in ihrem Roman „Die Freundinnen vom Strandbad – Wellen des Schicksals“ nicht, sondern an den Müggelsee. Der Titel des ersten Bandes der Müggelsee-Saga ist gut gewählt, denn das Strandbad ist der Dreh- und Angelpunkt der drei Freundinnen Clara, Martha und Betty.
Wir lernen sie 1956 als 13-jährige kennen, sie leben in Ostberlin. Wir begleiten sie bis 1961, bis kurz nach dem Mauerbau. Die drei Mädchen kommen aus vollkommen unterschiedlichen Elternhäusern und dementsprechend verschieden sind ihre Hoffnungen, Ziele, Träume und auch ihre Lebensauffassungen. Martha stammt aus einem streng regimetreuen Elternhaus, Claras Vater ist eigentlich Pastor, darf aber den Beruf nicht mehr ausüben und verdient nun seinen Lebensunterhalt als Straßenbahnfahrer in Nachtschicht und Bettys Vater betreibt eben das Strandbad, Bettys größter Wunsch ist es, Schauspielerin zu werden.... Und trotzdem (oder gerade deshalb) werden sie „ziemlich beste Freundinnen“ und gehen gemeinsam durch die nächsten Jahre.
Wir erleben den Alltag mit allen Höhen und Tiefen, sorgen uns um Schulprobleme, zittern bei Wissenswettbewerben mit, regen uns über Ungerechtigkeiten auf, nehmen teil am ersten Kuss, der ersten Liebe – bis hin zu einer wirklich sehr gelungenen Beschreibung der Ereignisse um dem 13. August 1961 (Tag des Mauerbaus).
Der Schreibstil der Autorin ist durchgängig flüssig und angenehm, mit gewissen Spannungselementen (ich war manchmal so vertieft, dass ich die Zeit vergessen habe), sie hüpft gewissermaßen mit leichter Feder zwischen den drei Protagonistinnen hin und her, da wir deren Gedanken, Ängste, Freuden immer in einzelnen Kapiteln aus deren jeweiliger Perspektive erfahren. Die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Personen sind gut herausgearbeitet.
Aber die Autorin kann sich steigern: die Beschreibung der Szenen auf dem Berliner Ostbahnhof am Morgen des 13. August 1961 sind eindrucksvoll und berührend beschrieben, so dass ich zwischendurch das Gefühl hatte, selbst auf dem Bahnsteig zu stehen – und keinen Zug fahren zu sehen... Natürlich kennen wir die historischen Ereignisse, aber es ist schon etwas anderes, die Sorgen und Nöte (aber teilweise auch Genugtuung) zu „spüren“...
Es wurde auch durchgängig deutlich, dass die Autorin über diese frühen Jahre der DDR intensiv recherchiert hat – ich bin zwar nicht in der DDR aufgewachsen, aber die Geschwister meiner Eltern lebten dort, so dass ich vieles entweder in frühen Kindertagen selbst erlebt oder aus Berichten kannte.
Aber bei allem Lob für die Autorin muss ich leider bemerken, dass anscheinend das Lektorat nicht sorgfältig gearbeitet hat: es waren einige „Patzer“ enthalten, z.B. dass einmal eine Biografie mit den beschriebenen Daten absolut nicht übereinstimmen konnte, dies nur als „Spitze des Eisberges“... So etwas stört den Lesefluss leider erheblich, da ich als Leserin lange gegrübelt habe, wie die Daten doch evtl. in Einklang zu bringen wären... wirklich schade für dieses Buch!
Es ist ein leichter, locker-flockiger Sommerroman, der die Stimmung sehr gut einfängt – aber wir erfahren quasi „nebenbei“ sehr viel über den damaligen Zeitgeist, über eine Zeit, über die es m: E. noch nicht so sehr viele Bücher gibt.
Also klar eine Leseempfehlung, aber versehen mit einem kleinen Warnhinweis über einige Ungenauigkeiten, die hoffentlich in der zweiten Auflage verbessert werden!

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Veröffentlicht am 01.06.2022

Paul Stainer ermittelt in den Wirren des Kapp-Putsches...

Engel des Todes
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Dies ist der 3. Band von Thomas Ziebula um den Kriminalinspektor Paul Stainer (1. Band: „Der rote Judas“, 2. Band: „Abels Auferstehung“). Die Zeiträume zwischen den einzelnen Bänden sind erstaunlich kurz, ...


Dies ist der 3. Band von Thomas Ziebula um den Kriminalinspektor Paul Stainer (1. Band: „Der rote Judas“, 2. Band: „Abels Auferstehung“). Die Zeiträume zwischen den einzelnen Bänden sind erstaunlich kurz, so dass sie zeitlich fast nahtlos ineinander übergehen.
Diesmal sind es die Tage im März 1920 während des Kapp-Putsches... Ja, ich wusste, es gab den Kapp-Putsch, der die junge deutsche Demokratie fast zum Scheitern gebracht hätte – und das war's auch schon...Aber der Autor nimmt uns gekonnt mit in diese Zeit: wir erleben die verschiedenen Gruppierungen „hautnah“ mit, sei es durch die Schimpftiraden von Paul Stainers Vater, der das „verfluchte rote Schweinepack besonders herzhaft zur Hölle“ (S.36) wünscht, sei es dass wir mit Mona, Fine und Rosa fast in eine Schlägerei zwischen Spartakisten und Weißgardisten geraten, wir nehmen an Demonstrationen teil – kurz: wir erleben deutsche Geschichte mit – besser, deutlicher und näher geht es nicht! Hier sei dem Autor ein großes Kompliment ausgesprochen, dass er die komplizierte und vielschichtige historische Situation so plastisch, verständlich und nachvollziehbar beschrieben hat, Chapeau, Herr Ziebula!
Schon allein deswegen lohnt sich die Lektüre dieses Buches, aber es gibt ja auch noch einen anderen Strang: anscheinend nutzt ein Serienmörder das Chaos der Zeit, um wahrlich bestialische Morde zu begehen. Kriminalinspektor Stainer und seine Abteilung ermitteln unter Druck, wie und wo ergibt sich eine Verbindung zwischen den Ermordeten?
Da wissen wir Leser*innen immerhin schon etwas mehr: wir dürfen verschiedene Behandlungsprotokolle lesen, in denen wir einiges über den Täter erfahren... Zuerst ahnen wir es nur, langsam verdichtet sich der Verdacht – und wir haben auch so unsere Vermutungen, wer noch gefährdet sein könnte... In der Zwischenzeit ermitteln Paul und seine Assistent Siegfried Junghans in verschiedene Richtungen, da ihnen der „rote Faden“ fehlt... So, aber nun genug über den kriminalistischen Inhalt geschrieben... Auch die „Verzahnung“ der beiden Stränge ist gut gelungen!
Ich habe mich gefreut, Paul, seine Kollegen und seine Freunde wieder zu treffen, das mag ich an gut durchdachten Reihen: wir erleben die Entwicklungen der Menschen mit, können an ihrem Lebensweg teilnehmen – und werden hier noch mit einer besonderen Überraschung konfrontiert!
Aber der wirklich große Verdienst von Thomas Ziebula ist, wie liebevoll er auch scheinbar nebensächliches „Menscheln“ detailliert beschreibt, ich war z.B. ganz gerührt von einer Szene, in der ein kleiner Junge während einer Demonstration auf einmal seine Eltern nicht mehr wiederfinden konnte und wie „unbürokratisch“ ihm einer der Protagonisten geholfen hat ...
Gefallen hat mir auch, dass der Autor die Begrifflichkeiten benutzt, die damals verwendet wurden: Mona verdient einen Teil ihres Einkommens in einer „Schwachsinnigenschule“ - klar, im ersten Moment hält man inne und stutzt, aber das war eben der damalige Sprachgebrauch (und es gab sicherlich noch „bösere“ Worte!).
Kurz: ein großartiges Buch, von dem ich begeistert bin, was ich sehr gern weiterempfehle – und ich freue mich schon heute auf den nächsten Band!

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Veröffentlicht am 05.05.2022

Auf einen Kaffeehausbesuch in Triest...

Caffè in Triest
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Günter Neuwirth lässt Bruno Zabini erneut in Triest ermitteln, es ist das Jahr 1907 und Triest ist zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Umschlagsplatz für den Kaffeehandel.
„Caffè in Triest“ ist der 2. Band ...

Günter Neuwirth lässt Bruno Zabini erneut in Triest ermitteln, es ist das Jahr 1907 und Triest ist zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Umschlagsplatz für den Kaffeehandel.
„Caffè in Triest“ ist der 2. Band einer geplanten Trilogie - ich war mit Bruno bereits in „Dampfer ab Triest“ auf Kreuzfahrt, aber die Bücher sind wohl auch gut unabhängig voneinander zu lesen.
Jure Kuzmin ist ein großes Wagnis eingegangen, er „hatte alles riskiert, zum einen hatte er das gesamte Geld der Familie gesammelt, zum anderen hatte er ein beträchtliches Darlehen aufgenommen.“ (S. 9), um damit in den Kaffeehandel einzusteigen. Seine Geschäftsidee ist gut: er will mit der „Argo“ Steinkohle nach Aden schaffen und auf dem Rückweg Kaffee nach Triest. Aber die Konkurrenz ist groß... Aber Jure ist optimistisch, dass er sich „im Windschatten“ der großen Handelshäuser etwas Eigenes aufbauen kann... hoffnungsvoll ist er auch über seine Liebe zu Elena, sie erwidert seine Liebe – und auch ihre Eltern scheinen einverstanden! Aber auch Dario hat sich in Elena „verguckt“ - und Dario plagt sehr große Eifersucht...
Brunos etwas chaotisches Privatleben (vorsichtig ausgedrückt) treibt auf einen Höhepunkt mit ungewissem Ausgang zu… Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand und Ihre Hoheit Herzogin Sophie von Hohenberg reisen an, um eine Schiffstaufe vorzunehmen und müssen entsprechend geschützt werden – es gibt also genug zu tun in Triest... Und dann findet man ein Mordopfer im Franz-Joseph-Hafen... Bruno hat sich sofort den Tatortkoffer und den Photoapparat (auf sein Anraten fester Bestandteil des Equipments der Mordkommission) gegriffen und ist zum Fundort geeilt – so, mehr wird hier aber nicht verraten...
Ich werde hier auch keineswegs ausplaudern, dass eine kleine (wirklich klitzekleine) Statisten-Nebenrolle mit einem weltbekannten Autor besetzt ist, lt. Wikipedia gilt er „als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne“. Dort wird auch bestätigt, dass besagter Autor tatsächlich zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen in Triest gelebt hat. Neugierig geworden? Mir hat es jedenfalls sehr gut gefallen!
Im 1. Band hatte ich schon mit Bruno die Vorzüge der Zahnpastatube kennengelernt, jetzt im 2.Band halten Schreibmaschinen Einzug in das Polizeirevier in Triest, aber „die wertvollen Schreibmaschinen sollten nur für hochrangige Arbeiten verwendet werden.“ (S. 325)
Aber die Schriftstellerin Luise beschäftigt sich bedeutend pragmatischer mit dem Thema und liebäugelt mit einer Underwood No.5, denn „der Preis war zwar beträchtlich, aber angeblich war dieses Modell das technisch fortschrittlichste der Gegenwart.“ (S. 347)
Bruno erkennt die Vorzüge der Herrenarmbanduhr und Luise und Fedora trinken allein – ohne Herrenbegleitung - Kaffee in einem Kaffeehaus, geradezu revolutionär zum damaligen Zeitpunkt. Es sind viele interessante „Kleinigkeiten“, die der Autor recherchiert und ganz geschickt in die Handlung eingebaut hat: auch die politischen Strömungen in Triest und in Italien werden in die laufenden Ermittlungen eingeflochten.
Erst in Nachhinein ist mir aufgefallen, dass der Krimianteil bei diesem Buch geringer ist als beim 1.Band (so konnte ich Bruno bei seine fortschrittlichen Ermittlungsmethoden weniger „über die Schulter“ schauen), aber ich kann das Buch trotzdem mit sehr gutem Gewissen weiterempfehlen – und freue mich schon auf den 3. Teil!

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Zu große Träume für das eigene Leben?

Die Buchhändlerin: Die Macht der Worte
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„Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ ist der zweite Band (1. Band: „Die Buchhändlerin“) um Christa, einer jungen Frau (1951 ist sie 22 Jahre) Anfang der 1950-er Jahre in Frankfurt. Ich hatte Christa ...

„Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ ist der zweite Band (1. Band: „Die Buchhändlerin“) um Christa, einer jungen Frau (1951 ist sie 22 Jahre) Anfang der 1950-er Jahre in Frankfurt. Ich hatte Christa schon durch die Nachkriegszeit begleitet und hatte dadurch keinerlei Schwierigkeiten, mich in die Geschichte einzufinden. Aber ich glaube, das Buch kann einzeln gelesen werden, denn die Autorin greift zu einem – mir bisher nicht bekannten – Stilmittel: am Anfang schreibt Christa einen „Lebenslauf“, so dass EinsteigerInnen alle wichtigen Fakten kennenlernen!
Wir verfolgen Christas Weg von 1951 – 1968: sie hat trotz aller Schwierigkeiten in der Nachkriegszeit ihr Germanistik-Studium abgeschlossen und schreibt an ihrer Doktorarbeit. Sie teilt ihre (Berufs-) Zeit zwischen Promotion und der Buchhandlung ihres Onkels auf. Christas (Privat-)Leben ist für die damalige Zeit höchst ungewöhnlich: um den 14-jährigen Heinz adoptieren zu können, ist sie eine „Scheinehe“ mit Werner eingegangen, dem Lebensgefährten ihres Onkels (zur Erinnerung: Homosexualität war damals strafbar!). Ihre große Liebe Jago hat sie zwar wiedergefunden, aber sie nimmt ihre Ehe ernst, obwohl sie ja nur auf dem Papier besteht...
Aber ich werde hier nicht die Ereignisse in Christas Leben schildern, sie geht durch Höhen und Tiefen, muss Schicksalsschläge hinnehmen, erlebt auch Positives – ja, wie das Leben eben so ist...
Ines Thorn zeichnet ein sehr gelungenes Bild von Christa inmitten der damaligen Zeit. Wir LeserInnen können uns gut mit Christa identifizieren (obwohl ich nicht jede ihrer Entscheidungen richtig fand, aber sie waren „zeitgemäß“). Es wurde mir wieder einmal deutlich, wie stark sich das Leben – besonders für uns Frauen – in den letzten 70 Jahren verändert hat: „Noch immer bestimmten die Männer. Das Geschäftskonto der Buchhandlung lief auf Werners Namen, das private ebenso, weil Frauen kein eigenes Konto haben durften. Sie durften auch ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner nicht arbeiten.“ (S. 28)
Christa kämpft ebenfalls immer wieder dagegen, dass auch in der Literatur zwischen Frauen- und Männerbüchern unterschieden wird: Gedichte und Kochbücher für Frauen – aber Christa muss leider feststellen, dass tatsächlich viele Frauen eher zum „Der gedeckte Tisch“ als zu Ingeborg Bachmann greifen...
Christa fühlt sich in ihrem Leben nicht zu Hause, sie möchte mehr, sie möchte ihr Leben eigenständig entscheiden, kurz: sie möchte die Gleichberechtigung mit ihren jeweiligen Partnern / Ehemännern – aber sie bemerkt, dass ihre gleichaltrigen Freundinnen vollkommen andere Lebensziele haben als sie: „Und keine war wie sie.“ (S. 141)
Christa hat das Gefühl, dass sie nur für die Bedürfnisse anderer funktioniert – und mit diesem Gefühl fühlt sich sie sich nicht von ihrem Umfeld verstanden... Aber in der großen weiten Welt fangen viele Frauen an, gegen diese Reduktion auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter zu protestieren, z.B. Betty Friedan in den USA mit ihrem Buch „Der Weiblichkeitswahn“. Aber auch Christa findet Lösungsmöglichkeiten – und ich bin sehr optimistisch, dass es ihr langfristig auch gelingen wird...
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, die Autorin hat das Zeitkolorit perfekt eingefangen - ja, die Menschen „tickten“ damals schon etwas anders.- aber sind wir doch ehrlich: ohne Frauen wie Christa hätte es vermutlich keine Frauenbewegung gegeben. Deshalb bin ich Frauen wie Christa dankbar für ihre Zweifel, ihre Zerrissenheit, ihre zwiespältigen Gefühle und Ines Thorn, dass sie dies alles so wunderbar in ihren Roman „eingebaut“ und beschrieben hat!

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