Eine Hommage an den russ. Schriftsteller Dostojewskij,die jedoch nur schwer in die Gänge kommt u.an den Nerven des Lesers zerrt.
Der Meister von PetersburgJ.M. Coetzee konstruiert in seinem Roman eine literarische Fiktion um Fjodor Dostojwskij: Ein alternder Schriftsteller namens Fjodor Michailowitsch reist 1869 von Dresden nach Petersburg, um die näheren ...
J.M. Coetzee konstruiert in seinem Roman eine literarische Fiktion um Fjodor Dostojwskij: Ein alternder Schriftsteller namens Fjodor Michailowitsch reist 1869 von Dresden nach Petersburg, um die näheren Umstände des Todes seines Stiefsohnes Pawel zu erfahren. Ist Pawel von der zaristischen Polizei getötet worden, handelt es sich um Selbstmord, oder sind gar die Anarchistem um Sergej Netschajew für Pawels Tod verantwortlich? Der zwischen Trauer und Schuldgefühlen hin- und hergerissene Fjodor verstrickt sich zusehends in die Petersburger Verhältnisse, die die seines Sohnes waren und nun seine eigenen werden: Er zieht in Pawels ehemaliges Zimmer, schlüpft in dessen Anzug, stellt Pawels Wirtin, der sinnlichen Anna Sergejewna, nach und verbringt einige wilde, verzweifelte Nächte mit ihr. Coetzee schildert Euphorie und Alpdruck, die einem epileptischen Anfall vorausgehen, mit ebenso großem psychologischem Einfühlungsvermögen wie Fjodors vergebliche Versuche, den Tod des Sohnes zu verwinden. Die wahre Trauerarbeit leistet Dostojewskij schließlich schreibend: An Pawels Schreibtisch beginnt er, die ersten Seiten der "Dämonen" zu skizzieren.
Geschickt montiert Coetzee in seinem Roman immer wieder Orte, Situationen und Charaktere, die Assoziationen an Dostojewskijs Werk wachrufen oder an Episoden aus seinem Leben erinnern...(innerer Klappentext)
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Ich bin ein großer Fan der russischen Klassiker und allen voran von Dostojewskij. Daher war es für mich fast schon ein Muss zu diesem Buch zu greifen.
Der Autor J.M. Coetzee selbst, obwohl Literaturnobelpreisträgre, war mir bis dahin gänzlich unbekannt.
Nach dieser Lektüre wage ich es jedoch zu bezweifeln mich nochmals für ein Buch von ihm zu entscheiden.
Ich erwartete anspruchsvolle Literatur und anspruchsvoll war dieser Roman auch, jedoch eher für meine Nerven.
Die Handlung selbst wird im Großen und Ganzen schon im Klappentext beschrieben und mehr passiert auch nicht. Wobei dieses Manko eher dem Verlag zuzuschreiben ist - zu viel Information für dieses 255 Seiten Büchlein.
Der Autor selbst schafft es anfangs einfach nicht in die Gänge zu kommen und die Handlung scheint bereits auf den ersten Seiten festzustecken.
Der Grund - unsinnige und ohne Zusammenhang wirkende geistigen Ergüsse seitens Coetzee, die da z.B. wären:
"Er stellt sich vor, er kehrte zurück ins Ei - oder zumindest
in etwas Glattes, Kühles, Graues. Vielleicht ist es nicht
nur ein Ei, vielleicht ist es die Seele, vielleicht sieht die
Seele aus wie ein Ei."
Solche "Metaphern", die irgendwie aus dem Nichts entstehen, unterbrechen anfangs immerzu die Handlung.
Man benötigt als Leser also einen Batzen Geduld, bis die Handlung endlich Gestalt annimmt und sich einem ein Portrait des russischen Schriftstellers entfaltet.
Denn obwohl dieser Roman nur eine literarische Fiktion aus der Feder J.M. Coetzees ist (Dostojewskij kehrte erst 1871 von seiner Europareise nach Petersburg zurück und nicht bereits 1869. / Es wurde nicht Dostojewskijs Sohn Pawel ermordet, sondern ein russ. Student der dieser Naroduaja Rasprawa angehörte), weist er doch viele Parallelen bezüglich Dostojewskijs auf.
Dadurch entsteht ein Psychogramm des ständig getriebenen, komplizierten und an Epilepsie leidenden Schriftstellers mit Annäherung an dessen Werk "Dämonen"
Diese innere Zerrissenheit, dieses Wurzellose und die Prodromalphase eines Epilepsieanfalls, werden von Coetzee mit all seinen Facetten eingefangen und wiedergegeben. Dadurch erhält der Leser in gewisser Weise Einblick in Dostojewskijs Gefühlswelt und es wird verständlich, weshalb manche Werke einen wahnhaften Touch aufweisen.
Vom psychologischem Standpunkt aus betrachtet Top!
Vom Schriftstellerischem her eher mäßig.
Denn J.M. Coetzee schafft es manchmal nicht Handlungen vollständig zu Ende zu bringen, springt von einer Handlung zur nächsten und schweift zusätzlich in irgendwelche fleischlichen und sexuellen Szenarien ab, welche so gar nicht zum Rest passen wollen.
Bsp.: Im ersten Moment trauert Dostojweskij herzzereißend um seinen Sohn. Im nächsten Absatz überkommt es ihn wie aus dem Nichts und er macht sich an die Wirtin ran, welche sich jedoch ziert und sagt "Nicht jetzt!". Er schien sich mit der Abfuhr abgefunden zu haben und plötzlich tummeln sich die Beiden doch in den Lacken.
Wie die Beiden auf einmal im Bett landen konnten bleibt ein Rätsel.
Diese Handlungen bringt er aber zumindest immer zu Ende und beschreibt diese auch ausführlich.
Diese Sprunghaftigkeit durchzieht den Roman leider mit Konsequenz.
Zusätzlich kommt es häufig zu Längen, welche so überhaupt nicht enden wollen und die ebenfalls an des Lesers Nerven zerren.
Des Weiteren scheint der Autor das Prinzip des inneren Monologes nicht ganz verstanden zu haben.
Manchmal spricht Dostojewskij zu seinem Gegenüber, verfällt dann in einen inneren Monolog, um dann einfach, als hätte er dies Alles zu seinem Gegenüber gesagt, weiterzusprechen.
Die Gesprächspartner scheinen alle Hellseher zu sein, da sie auf diesen inneren Monolog sehr wohl eingehen.
Zudem kommt es vor, dass die Protagonisten ständig ihre Meinung und ihren Standpunkt ändern. Daher drehen sich manche Dialoge regelrecht im Kreis.
Fazit:
Manchmal war ich angetan von der Handlung und dem tiefen Einblick in eine ruhelose Seele. Doch dies wurde immerzu von den oben genannten Mankos unterbrochen und somit quälte ich mich teilweise durch diese 255 Seiten.
Ich für meinen Teil werde wohl in Zukunft nicht mehr so schnell ein Buch von J.M. Coetzee lesen und bleibe lieber den dicken Schicken von Dostojewskij, Tolstoi und Co treu, welche sich trotz der oft 1000 Seiten lange nicht so ziehen wie dieses dünne Büchlein.