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Veröffentlicht am 11.04.2017

Mord und was dieser auslösen kann. Ein Spannungsroman mit überraschender Auflösung und ungewöhnlichem Schreibstil; leider fehlt das Motiv.

Der Kameramörder
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"Ich wurde gebeten, alles aufzuschreiben." Mit diesem Satz beginnt der Ich-Erzähler seinen Bericht über ein Osterwochenende, an dem er und seine Lebensgefährtin ein befreundetes Paar in der Steiermark ...

"Ich wurde gebeten, alles aufzuschreiben." Mit diesem Satz beginnt der Ich-Erzähler seinen Bericht über ein Osterwochenende, an dem er und seine Lebensgefährtin ein befreundetes Paar in der Steiermark besuchen. Während die Medien minutiös über einen Doppelmord an zwei Kindern berichten, den der Mörder mit einer Videokamera aufgenommen haben soll, pendeln die vier Freunde zwischen Fernseher und Kartenspiel, Küche und Gesprächen hin und her. Einerseits angewidert, andererseits fasziniert kommentieren sie dabei Handlungsweise der Medien. Draußen, in der echten Welt, wird gleichzeitig fieberhaft nach dem Mörder gesucht. Ein ebenso verstörender wie atemraubender Kriminalroman...(Klappentext)

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Als Leser verfolgt man mit Spannung die Suche nach dem Mörder aus der Sicht des Ich-Erzählers. Dieser befindet sich mit seiner Lebensgefährtin auf Osterbesuch bei Freunden in der Weststeiermark. In der Nähe geschah ein furchtbarer Mord an zwei Kindern, welcher vom Mörder gefilmt wurde. Dieses Video gelangte an die Meiden und löste mit dem Mord einen regelrechten Dominoeffekt aus. Dieser beinhaltet Kritik an den Medien, der Kirche, sowie an der Sensationsgier der Menschen.
Man fragt sich was davon schrecklicher ist - der Mord, das Snuff-Video, wie daraus eine regelrechte Show veranstaltet wird, der daraus resultierende Quotenkampf, oder die Sensationsgeilheit der Menschen.
Und dann die erschreckende Erkenntnis, daß man damit einen Spiegel vorgehalten bekommt und sich selbst darin erkennt - mehr oder weniger ausgeprägt.
Aufgrund der Thematik ist dieser Roman nichts für schwache Nerven, da man sich mit dem Protagonisten das Video in den Nachrichten ansieht.

Dies alles erfolgt zwar nicht in typischer Glavinic-Manier, jedoch trotzdem in einem ungewöhnlichem Schreibstil - ohne Dialoge und Absätze (also in einer Wurscht geschrieben), sondern in Form einer Niederschrift des Ich-Erzählers. Dieser erzählt dies in einem erschreckend nüchternem Ton und etwas holprig, was jedoch vom Autor so beabsichtigt ist.
Es ist als ob man selbst vor dem TV sitzt, den Nachrichten folgt und dem eigenen Voyeurismus fröhnt.
Die Auflösung war für mich überraschend, da ich jemand ganz anderen auf dem Schirm hatte.
Was mir jedoch dann fehlte war das Motiv, was ihn dazu bewegt hat, ob er dies schon öfters gemacht hat und wie er das hinbekommen hat, dass es keiner in seiner Umgebung merkt. Quasi ein kleines Psychogramm des Täters. Für mich war es daher dann ein etwas unbefriedigendes Ende.

Fazit:
Ein durchaus lesenswerter Roman, der Kritik an den Medien, der Kirche und der Sensationsgier übt, jedoch nichts für schwache Nerven. Nur mit dem Ende war ich etwas unzufrieden.
Absolute Leseempfehlung für einen schon etwas älteren Glavinic.

Veröffentlicht am 10.04.2017

Ein Roman über den schmalen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn - bedrückend u. verstörend, aber auch poetisch und malerisch.

Engel des Universums
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Geboren wurde Páll am 30. März 1949 in Reykjavik, an dem Tag, als Island in die Nato eintrat und noch niemand ahnte, daß Páll eines Tages verrückt werden würde. Páll wächst in einer Kellerwohnung auf und ...

Geboren wurde Páll am 30. März 1949 in Reykjavik, an dem Tag, als Island in die Nato eintrat und noch niemand ahnte, daß Páll eines Tages verrückt werden würde. Páll wächst in einer Kellerwohnung auf und verlebt eine scheinbar ungetrübte Kindheit, in der Kleppur, die Irrenanstalt, jedoch bereits wie ein Leitmotiv immer gegenwärtig ist. Erst auf dem Gymnasium beginnen die Schwierigkeiten, als er die Ausbildung wegen dauernder Kopfschmerzen abbrechen muss und auf die Kunstschule wechselt. Eines Tages verwandelt er sein Zimmer in eine Arche, und da er schon längst davon überzeugt ist, die Nachbarsfrau sei scharf auf ihn, bietet er ihr an, sie bei der kommenden Sintflut zu retten. Er landet in Kleppur, wo man ihn mit Spritzen ruhigstellt, wenn er wieder einmal meint, er sei Gauguin oder van Gogh oder beide zugleich.
Einar Már Gudmundsson hat die tragische Geschichte seines geisteskranken Bruders zu einem aufsehenerregenden Roman verarbeitet...
(Klappentext)

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Der Autor schafft es gekonnt den schleichenden Weg der Schizophrenie aus der Sicht eines Erkrankten zu beschreiben und zwar aus der Sicht seines bereits verstorbenen Bruders. Daher enthält dieser Roman zum Teil auch autobiographische Züge des Autors, da er Selbsterlebtes einbringt.
Er erzählt wie aus einem normalen und aufgewecktem Jungen ein aggressiver und verängstigter Erwachsener mit Schizophrenie wird.
Man spürt die Ängste und innere Zerrissenheit, durchlebt mit dem Protagonisten die stätig wachsende Paranoia, den Gang durch die Dunkelheit und den Nebel zwischen Realität und Wahn, inklusive Filmrisse und taucht ein in seine wirre Gedankenwelt. Man begleitet ihn durch seine Jugend bis hin zu seinen Aufenthalten in der Nervenheilanstalt und lernt Freunde und Mitpatienten kennen.

Der Schreibstil ist flüssig und trotz der Thematik manchmal fast schon poetisch. Zusätzlich enthält dieser Roman malerische Beschreibungen Islands zur Zeit der Modernisierung, sowie der damaligen isländischen Lebensweise und der isländischen Bewohner.
Leider kommt es manchmal zu einer sehr sprunghaften Erzählweise zwischen den Jugendjahren und den des erwachsenen Páll, was den Lesefluß etwas holprig werden lässt. Dies bessert sich jedoch im Verlauf.
Aufgrund der Thematik ist dieser Roman zwar bedrückend, enthält aber auch Szenen die einen schmunzeln lassen. Zudem zeigt sich hier wie schmal der Grat zwischen Normalität und Wahnsinn eigentlich ist und das so mancher Irre normaler ist, als so einige die sich außerhalb einer solchen Anstalt bewegen.

Fazit:
Ein Roman der einem Einblicke in die Gedankenwelt eines Schizophrenen gewährt. Genauso bedrückend und verstörend, wie auch poetisch und malerisch, der mich begeistert und nachdenklich zurücklässt.
Hierfür gibt es von mir eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 09.04.2017

Anspruchsvolle (Jugend-)Literatur sieht anders aus. Das hier ist einfach nur rausgeschmissenes Geld.

Das Licht und die Geräusche
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Es ist Johanna schleierhaft, warum sie und Boris kein Paar sind. Klar, eigentlich ist Boris mit Ana-Clara zusammen, aber die ist weit weg in Portugal, während Johanna und Boris jede freie Minute miteinander ...

Es ist Johanna schleierhaft, warum sie und Boris kein Paar sind. Klar, eigentlich ist Boris mit Ana-Clara zusammen, aber die ist weit weg in Portugal, während Johanna und Boris jede freie Minute miteinander verbringen und über alles reden, außer darüber, warum sie sich noch nicht geküsst haben. Johanna versteht das nicht, und das nervt sie. Und sie will auch verstehen, warum Marcel sich auf der Klassenfahrt nach Barcelona einen Mitschüler wie einen Knecht hält, warum Boris die ganze Zeit kichern muss, während ihn vier Typen auf der Tanzfläche eines Clubs zusammenschlagen wollen, und warum er nach dieser Nacht am See plötzlich verschwunden ist. Gemeinsam mit Ana-Clara und Boris’ Eltern sucht Johanna in Island nach Boris und findet heraus, dass viele Dinge ihr Wesen verändern, je länger man sie betrachtet. Und dass Ana-Claras Augen doch nicht so ausdruckslos sind, wie sie immer gedacht hat.

Man folgt Johanna und ihrer unverstellt ehrlichen Sicht auf sich und ihre Umwelt voller Empathie und Zuneigung. Pointiert, mit zartem Witz und dem sicheren Gespür für die Leichtigkeit in schweren Themen erzählt Jan Schomburg von drei jungen Menschen und ihren Versuchen zu erkennen, wie das eigentlich überhaupt gehen soll: leben...
(Klappentext)

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Nach diesem Klappentext und vor allem nach dem letzten Absatz erwartete ich mir einen anspruchsvollen Roman aus der Sicht einer Jugendlichen. Bekommen habe ich einen seichten Jugendroman ohne Sinn und ohne Message.
Die Highlights, wenn man diese als solche bezeichnen kann, werden außerdem sowieso schon im Klappentext erwähnt, denn sehr viel mehr passiert hier nicht.

Erzählt wird aus Johannas Sicht und diese enthält sehr viele wirre und unzusammenhängende Gedankensprünge ohne irgendwie einem roten Faden zu folgen, bzw. überhaupt einen zu enthalten.
Die Protagonisten bleiben allesamt blass, selbst Johanna. Zudem agieren und reagieren sie alles andere als authentisch und mehr als unglaubwürdig.
Mit der Zeit ging mir Johanna sogar richtig auf die Nerven. So sprunghaft ist selbst ein pubertierender Jugendliche mit einer Sprungfeder im Hintern nicht.

Außerdem scheint es mir als wollte der Autor so viel wie möglich in diesen Roman packen - unglückliches Verliebtsein, Eifersucht, Freundschaft, Mobbing, Lesbenspiele und Suizid. Jedoch wurde das Meiste nur angerissen, kommt aus dem Nichts und/oder wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig, aber eines haben alle Themen gemeinsam - sie werden nicht zum Abschluß gebracht.
So viele wichtige und interessante Themen und dann wird der Leser quasi in der Luft hängen gelassen. Es wird einfach nicht näher darauf eingegangen und es bleiben am Ende die Fragen "Wieso?", "Wozu?", "Weshalb?" und vor allem "WTF??" offen.
Das einzige Positive ist der flüssige Schreibstil, aber der rettet dieses Buch auch nicht mehr.

Fazit:
Nur weil es ein berühmter deutscher Drehbuchautor geschrieben hat und dieses Buch bis zum Erbrechen gehypt wird muss es nicht gut sein. Das beweist dieses Jugendbuch. Von den Themen her wäre hier großes Potenzial gewesen, ist jedoch an der Umsetzung massiv gescheitert.
Daher kann ich dafür keine Leseempfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 09.04.2017

Tiefsinniger, trauriger, aber auch witziger Roman über das Leben und die kleinen Dinge, welche es erst lebenswert machen.

Engel des letzten Tages
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Jophaniel, Hachamel, Nith Haia und die junge Auszubildende Ilmuth – diese vier Engel auf den Brücken von Prag haben eine wichtige Mission: Sie sollen Menschen, die in Kürze sterben werden, eine letzte ...

Jophaniel, Hachamel, Nith Haia und die junge Auszubildende Ilmuth – diese vier Engel auf den Brücken von Prag haben eine wichtige Mission: Sie sollen Menschen, die in Kürze sterben werden, eine letzte Freude machen. Diese himmlischen Wesen tragen keine Flügel, neigen zum Zynismus und sind doch fest davon überzeugt, dass jedes Promille menschlichen Glücks schon ein großer Erfolg ist....(Klappentext)

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Auf nur 126 Seiten eröffnet sich dem Leser ein unglaublich tiefsinniger, trauriger, aber auch witziger Roman über das Leben und den Tod. Vor allem über das Leben, dass erst durch den Tod an Bedeutung gewinnt und welches wir an uns oft nur so vorüberziehen lassen, ohne es bewusst wahrzunehmen. Ein Buch, welches uns lehrt auch die kleinen Dinge zu schätzen und nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Ein Buch das nachallt und zum Nachdenken anregt.
Dies alles schafft der Autor indem er vier Engel nach Prag reisen lässt, um zwei Menschen vor ihrem Tod noch einmal glücklich zu machen.

Hachamel - der Chef dieser Truppe; nimmt die Todesfälle manchmal viel zu persönlich und verträgt angeblich den Klimawechsel nicht immer gut. Er ist der Älteste und Ruhigste unter ihnen.

Nith-Haiah - der Zweitälteste; hat eine Schwäche für Fernsehserien und liebt es daher Menschen mit Berühmtheiten zu vergleichen, aus Serien zu zitieren, oder einfach Situationen aus diesen zu vergleichen.

Jophaniel - sarkastisch und zynisch; glaubt nicht immer an Gott, zumindest zweifelt er an den Logistikfähigkeiten des Arbeitgebers und ist mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden. (dieser Engel war von Anfang an mein Lieblingsengel ^^)

Ilmuth - das weibliche Engelsexemplar unter ihnen und das Nesthäkchen, wenn man das bei jahrhundert alten Engeln so sagen kann. Dieser Einsatz in Prag ist ihr erster und sie ist quasi noch in Ausbildung.

Bis auf Ilmuth kommt jeder Engel zu Wort und mit ihnen besucht der Leser die beiden Todeskandidaten, aber auch deren Angehörigen. Denn die Aufgabe der Engel ist nicht nur das kurzfristige Glück der "Klienten", sondern auch die Hinterbliebenen. Denen wird geholfen mit dem Verlust besser zurecht zu kommen.

Und dann wäre da noch Ester - eine junge Witwe, die noch in der frischen Trauerphase steckt, nachdem ihr Mann an Krebs gestorben ist. Eine Ärztin mit leicht morbidem Humor, welche versucht wieder ins Leben zurückzukehren. Wie sich im Verlauf der Geschichte herausstellt ist sie auch auf gewisse Art ein Engel.

Scheinbar haben die lebenden Protagonisten so gar nichts miteinander zu tun oder gemeinsam und doch ist ihr Schicksal eng miteinander verbunden. Wie eng erfährt der Leser erst während des Lesens.

Der Schreibstil ist flüssig, schnörkellos und nüchtern. Wer also ein esoterisch angehauchtes Engelbuch erwartet liegt komplett falsch.
In diesem Roman geht es aber nicht nur um das Leben und Sterben, sondern vor allem um die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Hoffnung, um die kleinen Dinge des Lebens, die oft schöner sind als die großen, wenn man sie nur bewusster betrachten und beachten würde.
Dabei kommt der Humor nicht zu kurz. Dieser wird immer an den richtigen Stellen eingebracht und lockert die Geschichte auch etwas auf.

Fazit:
Ein Buch wie das Leben selbst - tiefsinnig, traurig, skurril, aber auch zum Schmunzeln und Lachen.
Es regt zum Nachdenken über das Leben an und über die großen und kleinen Dinge die es bereithält.
Von mir gibt es daher eine absolute Leseempfehlung!
In diesem Sinn - CARPE DIEM!

Veröffentlicht am 08.04.2017

Wirrer Erzählstil, undurchsichtige Story ohne mir erkennbarer Message und einem Protagonisten mit verbalem Brech-Durchfall. No Way!!

Deliduman
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Sommer 2013. Der Gezi-Park in Istanbul. Wasserwerfer und Tränengas. Und ein kleines Mädchen, das den Moonwalk tanzt... Çaglars kleine Schwester Çigdem will mit dem Moonwalk zum YouTube-Star werden. Doch ...

Sommer 2013. Der Gezi-Park in Istanbul. Wasserwerfer und Tränengas. Und ein kleines Mädchen, das den Moonwalk tanzt... Çaglars kleine Schwester Çigdem will mit dem Moonwalk zum YouTube-Star werden. Doch im Sommer 2013 blickt die Welt auf den Taksim-Platz in Istanbul und den Aufstand gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Gäbe es einen besseren Ort zum Tanzen als vor den Wasserwerfern der türkischen Polizei? Çaglar und Çigdem sind zwei unter Tausenden inmitten des größten Volksaufstands, den die Türkei je erlebt hat. Sie hören, sehen, riechen und schmecken den Aufruhr, die Solidarität und den Deliduman, den verrückt gewordenen Rauch. Es geht um nichts weniger als die Zukunft!...(Klappentext)

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Im Frühjahr und Sommer 2013 waren viele Augen weltweit auf die Türkei gerichtet. Der Grund waren die Proteste und Demonstrationen von Bürgern gegen die islamisch-konservative Regierung Erdogans und gegen die übermäßige Polizeigewalt die diese gegenüber Andersdenkenden mit sich brachte. Hier spielte vor allem die Einnahme des Gezi-Parks und die Besetzung des Taksim-Platzes durch die Bürger eine wichtige Rolle. Diese Proteste forderten zahlreiche Verletzte und fünf Todesopfer, vor allem auf der Seite der Demonstranten.

Aufgrund der derzeitigen Lage ist dieses Thema aktueller denn je und ließ mich zu diesem Buch greifen. Vor allem weil der türkische Jungautor Emrah Serbes während dieser Proteste "zur Stimme des Volkes" wurde und darüber live im Fernsehen berichtete.
Ich erwartete einen Roman, der diese Proteste aus der Sicht eines Jugendlichen und seiner neunjährigen Schwester beschreibt und diese eine ganz eigene Art des Widerstandes auf die Beine entwickeln.
Bekommen habe ich einen Roman über einen Jugendlichen der hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist, vom Widerstand und der Protestbewegung keine Ahnung hatte und ihn der Grund dafür nicht mal dann interessierte als er mittendrin war. Ihn und seine neunjährige Schwester interessiert nur wie man am besten mit einem Moonwalk Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit berühmt werden kann.
Als dies mit YouTube nicht funktionierte, weil Videos von diesen Protesten mehr Klicks erhielten (verständlicherweise), empfanden sie dies "nicht als Rebellion gegen die Regierung, sondern gegen seine Schwester". Daher bleibt seiner Schwester gar nichts anderes übrig als dorthin zu reisen, damit sie vor einem Wasserwerfer tanzen kann, um...nein, nicht um die Proteste zu unterstützen und ein Statement zu setzen, sondern um berühmt zu werden.
Von den Protesten rund um den Gezi-Park geht es erst auf den letzten 100 Seiten und da auch nur auf eine Art, als würde ihn, den Hauptprotagonisten, das alles nichts angehen.

Es wird aus der Sicht des 17-jährigen Çaglars erzählt und er war mir von Anfang bis Ende unsympathisch.
Er ist frustriert, wütend auf die Welt und die gesamte Menschheit. Ein Junge mit hohem Aggressionspotenzial und großem Beschützerinstinkt gegenüber seiner neunjährigen Schwester, der aber eher eine krankhafte obsessive Beziehung zu dieser Schwester ist. Er schreckt auch davor nicht zurück einem neunjährigen Jungen zu drohen, der angeblich in seine Schwester verliebt ist. Im Grunde beschimpft und bedroht er jeden der nicht seiner Meinung ist, dramatisiert alles bis zum Geht-nicht-mehr und dreht jedem das Wort im Munde um. Er spielt sich als Familiensultan auf und es kommt nicht nur einmal zu familiären Streitigkeiten wobei auch die Fäuste fliegen.
Der Autor bedient sich dabei eines Jargons der mich nicht nur einmal die Luft anhalten ließ - z.B.: Çaglar zu seinem Onkel:
"Mal ganz entspannt bleiben, ja!I Ich ficke gleich deine Hände und
Füße, klar!"

Im Grunde f°°°° dieser Junge alles und jeden, sobald er den Mund aufmacht und bedient sich noch einiger anderer tiefer Schimpfwörter, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Und er ist nicht der Einzige in diesem Roman mit verbaler Diarrhoe.

Zudem verliert sich der Autor in Nebensächlichkeiten, die wiederum in Nebensächlichkeiten abdriften. Man bewegt sich quasi mit der Kirche ums Kreuz und wenn man wieder am Ausgangspunkt ist, ist man so verwirrt und hat keinen Ahnung mehr, um was es denn nun im Grunde ging.
Die Umgebungsbeschreibungen konnten mich auch nicht überzeugen, da sie manchmal genauso wirr sind wie die Story selbst.
Die Story? Tja, irgendwie gibt es keine und eine Message konnte ich darin auch nicht entdecken.

Fazit:
Wirrer Erzählstil, undurchsichtige Story ohne mir erkennbarer Message, ein Junge mit sprachlichem Brech-Durchfall im tiefsten Ghettoslang - kurz gesagt: das Buch ist nicht mal annähernd das was ich erwartete.
Im Grunde geht es nur darum berühmt zu werden und dafür ist jedes Mittel, und in diesem Fall jede Demonstration, recht.
Und wenn ich einen Jugendlichen auf derbste Art und Weise schimpfen hören möchte, brauche ich nur vor meine Türe zu gehen und mich vor das türkische Jugendlokal zu stellen, wobei mir diese Jugendlichen noch um einiges sympathischer sind als dieser Çaglar, da diese immer noch sowas wie Respekt haben und man sich mit denen auch normal unterhalten kann, ohne dabei verbal gef**** zu werden.