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Veröffentlicht am 05.05.2019

Enttäuschung - flache Charaktere, lächerliche Auflösung, Klischees wohin man blickt

DIE KATAKOMBEN
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Paris ist als die Stadt der Lichter bekannt, eine Metropole berühmt für Romantik und Schönheit. Doch unterhalb der geschäftigen Straßen und Cafés liegen die Katakomben, ein Labyrinth aus zerfallenden Tunneln, ...

Paris ist als die Stadt der Lichter bekannt, eine Metropole berühmt für Romantik und Schönheit. Doch unterhalb der geschäftigen Straßen und Cafés liegen die Katakomben, ein Labyrinth aus zerfallenden Tunneln, angefüllt mit sechs Millionen Toten.
Als eine Videokamera mit mysteriösem Bildmaterial auftaucht, wagt sich eine Gruppe von Freunden in die Tunnel, um Nachforschungen anzustellen. Doch was als unbeschwertes Abenteuer beginnt, wird schnell zum Albtraum, als sie ihr Ziel erreichen – und auf das Böse stoßen, das dort lauert....
(Klappentext)

☠☠☠☠☠

">>Ich will nicht so sterben, nicht hier, nicht so, nicht in einem Massengrab. Ich will nicht einfach nur ein weiterer Haufen namenloser Gebeine sein, von der Welt vergessen.
Diese Videokamera.
Diese verdammte Videokamera<<"
(S. 9)


"Die Katakomben" gehört zu der Reihe "Die beängstigendsten Orte der Welt" aus Jeremy Bates Feder. "Suicide Forest" war der Auftakt dieser Reihe, man kann jedoch jedes Buch unabhängig voneinander lesen, da jede Story in sich abgeschlossen ist.

Nach dem 1. Teil dieser Reihe wollte ich diese Reihe eigentlich nicht mehr weiterverfolgen. Zu sehr war ich davon enttäuscht, vor allem vom Ende und den nervigen und blassen Charakteren. Das Setting der Pariser Katakomben hat mich jedoch zu sehr angefixt. Tja, hätte ich es wohl besser gelassen, denn "Die Katakomben" ließ mich noch enttäuschter zurück als der japanische Selbstmordwald. Aber erstmal auf Anfang ...

Die Katakomben von Paris bestehen aus dunklen Gängen, welche sich 350km wie ein Netz unterhalb von Paris schlängeln. Sie liegen ca. 20 Meter unter der Erde und werden hauptsächlich als Gebeinhaus genutzt. Nachdem 1785 mehrere Friedhöfe aufgelassen wurden, wurden tausende Schädel und Knochen in die ehemaligen Steinbrüche gebracht, in denen konstante Temperaturen von 14 Grad herrschen. Die Katakomben sind heute eine schaurige Touristenattraktion, wobei jedoch nur ein kleiner Teil für die Öffentlichkeit zugänglich ist, während der restliche Teil ein komplexes Labyrinth ist, eingebettet in tiefste Dunkelheit.

Mit Will, dem Protagonisten des Buches, begeben wir uns in einen dieser unbekannten Bereiche.
Der Amerikaner ist beruflich in Paris gelandet und hat hier Danièle kennengelernt. Sie und einer ihrer Freunde, Pascal, treiben sich öfters in den Katakomben herum, um diese unbekannten Bereiche zu erforschen. Diesmal ist es jedoch anders.
Pascal hat bei seiner letzten Tour tief in den Katakomben eine Videokamera gefunden. Diese zeigt wie eine Person hektisch und voller Angst durch die Gänge irrt, schließlich zu laufen beginnt und die Kamera schließlich vor Schreck fallen lässt. Danièle und Pascal möchten dem auf den Grund gehen und Danièle überredet Will in den finsteren Untergrund voller Gebeine hinabzusteigen. Mit von der Partie ist auch Rob, ein Kanadier und der Schwager von Danièle. Auch er will die unvergleichliche Atmosphäre der Pariser Katakomben endlich erleben. Es sei nur so viel gesagt - sie hätten es wohl besser lassen sollen.

">>Ich schätze mal, die Deutschen wollten nicht, dass die Frösche in ihr Versteck kamen.<<, sagte Rob.
Ich schüttelte den Kopf.
>>Es gibt nur diesen einen Eingang. Die waren dazu gedacht, die Leute DRINNEN zu halten.>>"
(S. 128)


Man liest aus verschiedenen Perspektiven, z.B. aus der von Danièle und von Pascal. Diese sind jedoch eher kurz gehalten, während Will hauptsächlich zu Wort kommt. Zwischendurch wird die Story von Zeitungsberichten unterbrochen und gewähren in bereits zurückliegende Vorfälle in den Katakomben.

Schon mit den Charakteren hatte ich so meine Probleme. Diese bleiben bis zum Ende hin eher blass und zudem nervten sie mich unheimlich. Das Mimimi von Pascal und Will ist fast nicht zu ertragen, Danièle ist eine manipulative und unsensible Tusse, einzig Rob sorgte bei mir hin und wieder für Schmunzeln. Trotzdem wollte ich jeden einzelnen von ihnen tot sehen und sehnte eine dementsprechende Handlung herbei.

Womit wir bei der Handlung wären.
Abgesehen davon, dass im Prolog schon viel zu viel verraten wird, entwickelt sich die Story leider in eine gänzlich andere Richtung als von mir erwartet und erhofft. Die Auflösung erfolgt übrigens schon in der Mitte des Buches und ich habe selten so einen Schwachsinn gelesen, der im Verlauf nicht wirklich besser wurde. Das Ende kostete mir daher nur einen müden Lacher. Im Grunde war der Rest einfach nur Blabla.
Apropos Blabla, auch hier schweift der Protagonist ständig in seine Vergangenheit ab, dies konnte zwar die Spannung nicht zusammenfallen lassen, da sowieso keine vorhanden war, aber es stört trotzdem. Vor allem da dies absolut keine Relevanz für die Handlung hat.
Dies habe ich schon bei "Suicide Forrest" bemängelt und auch bezüglich der Dialoge scheint sich der Autor nicht weiterentwickelt zu haben.Zudem ist die Story vollgepumpt mit Klischees und Logikfehlern. Es wird sich trotz Schutzhelm der Kopf an einem Felsen blutig geschlagen (beim Gehen daran angestoßen), im ersten Absatz sind die Hände einer Person gefesselt, im nächsten doch wieder nicht, um im übernächsten plötzlich doch wieder gefesselt zu sein, etc.

Während ich bei "Suicide Forrest" von der Settingbeschreibung und der damit einhergehenden Atmosphäre begeistert war, ist dies hier leicht in die Hose gegangen. Der Autor schafft es nicht die drückende und unheimliche Stimmung der Katakomben einzufangen. Einmal, nur ganz kurz, sah ich sie vor Augen und es kam Gruselstimmung auf, doch das war's dann auch schon.
In so manchen Dokumentationen und Reiseberichten werden die Pariser Katakomben besser und unheimlicher beschrieben als in diesem Buch.

"Ein weiteres Klicken. Fast wie das Geräusch, das man macht, wenn man mit der Zunge gegen den Gaumen schnalzt. Pascal erstarrte. Alles in ihm erstarrte.
Wer macht dieses Geräusch?
Was macht dieses Geräusch?
'VERSCHWINDE VON HIER! GEH! JETZT!' er wirbelte zur Flucht herum.
Und schrie."
(S. 180)


Der Schreibstil ist einfach gehalten und das Buch lässt sich dadurch sehr flüssig lesen. das war es aber auch schon mit dem Lob.

Fazit:
Ich habe das Buch zwar in einem Rutsch gelesen, ich wollte jedoch eigentlich nur, dass es so schnell wie möglich endet. Selten so einen Schwachsinn gelesen, angefangen über die flachen und nervenden Charaktere, über die lächerliche und blödsinnige Auflösung, welche einem schon in der Mitte vor die Füße geknallt wird, bis hin zu einer sinnbefreiten Handlung ohne Spannung.
Ich gebe Autoren gerne eine 2. Chance, diese hatte Jeremy Bates mit diesem Buch und hat es in meinen Augen völlig versemmelt.
Ob Jeremy Bates und ich diesbezüglich jemals Freunde werden, wage ich zu bezweifeln und ich würde nun gerne von mir behaupten diese Reihe nie wieder anrühren zu wollen ... doch in Bezug auf die folgenden Teile, die noch folgen werden, kann ich für nichts garantieren: Helltown in Ohio - ein verlassene Indianersiedlung und Isla de las Muñecas - Insel der Puppen in Mexiko, auf der Hunderte verstümmelte Spielzeugpuppen in den Bäumen aufgehängt sind. Und wer kann bei so einem Setting schon widerstehen? So wie es aussieht wird der Autor von mir also noch eine 3. Chance bekommen.

© Pink Anemone (inkl. Leseprobe, Autoren-Info)

Veröffentlicht am 30.04.2019

Eine wunderschöne und spannende Story mit einem Touch von "Stolz und Vorurteil" und welche einen wieder an Bücher mit Magie glauben lässt.

Emma, der Faun und das vergessene Buch
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Als Emma beim Aufräumen in der Bibliothek ihres Internats ein altes Notizbuch findet, denkt sie zunächst, es wäre eine Art Chronik der Schule. Aber es ist genau umgekehrt: Alles, was man in dieses Buch ...

Als Emma beim Aufräumen in der Bibliothek ihres Internats ein altes Notizbuch findet, denkt sie zunächst, es wäre eine Art Chronik der Schule. Aber es ist genau umgekehrt: Alles, was man in dieses Buch hineinschreibt, wird tatsächlich wahr.
Natürlich beginnt Emma sofort damit, den Schulalltag auf Schloss Stolzenburg ein wenig zu „korrigieren“. Doch nichts geschieht so, wie sie es sich gedacht hat. Zumal auch schon früher Chronisten das Buch genutzt haben. Zum Beispiel eine junge Engländerin, die Ende des 18. Jahrhunderts ein Märchen über einen Faun verfasst hat und später eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde. Oder Gina, die vor vier Jahren plötzlich verschwand, nachdem sie ihre Geheimnisse der Chronik anvertraut hatte.
Als sich jetzt auch noch Ginas Bruder Darcy einmischt, ist das Chaos perfekt. Denn Emma und Darcy sind einander in herzlicher Abneigung zugetan – zumindest glauben das die beiden....
(Klappentext)

✽✽✽✽✽

"Wenn ein Mädchen dazu bestimmt ist, eine Heldin zu werden, dann wird das Schicksal schon dafür sorgen, dass etwas in ihre Hände gerät, womit genau das möglich ist."
(S. 94)


Emma, ein 16-jähriges Mädchen, kehrt nach den Sommerferien völlig euphorisch ins Internat zurück. Dieses Jahr soll alles anders werden - besser. Wenn sie nur gewusst hätte WIE anders alles werden wird.
Nicht nur, das sie beim Entrümpeln der alten Schlossbibliothek auf ein geheimnisvolles Chronic-Buch stößt, welches voller Magie zu stecken scheint und alles wahr wird, was man hineinschreibt. Auch dieser arrogante Darcy de Winter, ein ehemaliger Schüler und Nachkomme des einstigen Grafen und Schlossherrn, macht ihr das Leben schwer. Dieser arrogante Schnösel ist auf der Suche nach Hinweisen, um seine Zwillingsschwester zu finden, welche vor 4 Jahren im Internat auf mysteriöse Weise verschwand.
Alles scheint irgendwie zusammenzuhängen und ebenso scheint alles bald unkontrolliert um Emmas Ohren zu fliegen.

Könnt Ihr Euch noch an diese ganz bestimmten Bücher Eurer Kindheit und Jugend erinnern, welche Euch ganz und gar vereinnahmt haben, Euch auf diese ganz spezielle Art und Weise in fremde Geschichten und Welten versetzten?
Als ich 10 Jahre war, verschlang ich alle "Hanni und Nanni"-Bücher (und allgemein alle Bücher mit Internatsgeschichten), reiste mehrmals mit dem "Zauberer von Oz" in eine verrückte magische Welt und klärte mit den "Fünf Freunden" spannende Fälle. Als Kind hatte man irgendwie einen anderen Zugang zu Büchern, es war ein wahres Erlebnis diese Bücher zu lesen und sie riefen ganz eigene "Lesegefühle" in einem aus. Dieses Gefühl verliert man leider im Verlauf des Erwachsenwerdens und hin und wieder sehnt man sich nach dieser kindlichen "Buchmagie".
Dieses Buch schaffte es, mich während des Lesens wieder wie damals als Kind zu fühlen. Ich tauchte nach langem wieder in ein Internatsleben ein, begab mich auf eine Reise in eine verrückte magische Welt, die zwischen zwei Buchdeckeln steckt und zum Ende hin wurde auch noch ein spannender Fall daraus.
Hier versteckt sich also eine Mischung aus "Hanni und Nanni", eines magischen Märchens und eines Mystery-Krimis.

"Später fragte ich mich manchmal, was geschehen wäre, wenn ich nicht darauf gestoßen wäre. Wenn wir gar nicht erst in die Bibliothek gegangen wären. Oder, wenn ich es zwar gefunden, aber einfach beiseite gelegt hätte,. Wenn ich es irgendwo in ein Regal geschoben hätte? Was wäre dann geschehen?"
(S. 14)


In diesem Jugendbuch ist außerdem ein mutiges, selbstironisches und freches Mädchen die Protagonistin, dessen Welt sich nicht ständig um Aussehen, Jungs und Nagellack dreht - endlich! Natürlich gibt es hier auch Schulbälle und natürlich ist auch die erste Liebe ein Thema, aber dabei verliert sich Emma nicht und schmachtet nicht ständig vor sich hin. Sie hat Wichtigeres zu tun, nämlich inter das Geheimnis dieses Buches zu kommen und so Magie in ihr Leben zu lassen. Auch wenn dann alles anders verläuft, als sie es geplant und sich vorgestellt hat.

Als Jane Austen-Fan bin ich natürlich doppelt begeistert, da es sich hier um eine kleine und magische Adaption des Klassikers "Stolz und Vorurteil" handelt, in der auch Jane Austen vorkommt, wenn auch unter einem anderen Namen. Es hat Spaß gemacht Charaktere aus diesem Literaturklassiker und Parallelen zu dieser Story zu entdecken. Doch auch LeserInnen, die Jane Austen und ihr Werk "Stolz und Vorurteil" nicht kennen werden hier auf ihre Kosten kommen. Ich bezweifle nämlich, dass viele 12-jährige diesen Klassiker schon kennen. Es ist einfach nur ein kleines Lese-Goodie für diejenigen die ihn kennen.

Der Schreibstil ist einfach und locker und man liest aus der Ich-Perspektive von Emma. Zwischendurch erhält man aber auch Einblick in das Buch selbst und in das bereits Geschriebene, was sich sehr interessant liest und einen düsteren Touch beinhaltet.

Die Charakterzeichnung von Emma ist gelungen und vor allem authentisch. Wir begleiten ein noch etwas naives aber auch mutiges und sehr humorvolles Mädchen, welches dabei ist sich zu entwickeln.
Die Story selbst fängt eher ruhig an und man erhält einen Einblick in das Internatleben, doch man ist immer von dieser Magie umgeben, welche aus diesem Buch strömt. Im Verlauf und vor allem zum Ende hin wird es immer spannender und es kommt auch zu der ein oder anderen überraschenden Wendung.

"Mit einem Mal lag ein Wispern in der Luft, ein Flüstern, so leise, dass ich es mehr fühlte, als hörte. Ein raschelndes Murmeln, ein Summen, das die Härchen auf meinem Arm zum Vibrieren brachte und beinahe nach einem Namen klang. Meinen Namen."
(S. 22)


Fazit:
Es ist äußerst selten, dass ein Buch in mir dieses bestimmte Lesegefühl hervorruft, welches ich als Kind und Jugendliche so sehr liebte. Dieses Buch hat es geschafft und ließ mich nostalgisch träumen und schließlich begeistert zurück.
Für alle die überzeugt sind, dass Bücher magisch sind, auch wenn sie keine verstaubten Chronic-Bücher wie in dieser Story sind.

"Und ich warte
zwischen den Zeilen, im Dunkel dieser einen Nacht,
höre ich zarte
Flügel sich eilen,
sich nähern mit des Donners Macht.
Wie wünscht ich andre Worte mir,
ein neues Buch und mehr Papier!"
(Auszug aus dem Faunlied / S. 413)


© Pink Anemone (mit Leseprobe, passendem Lese-Sound und Autoren-Info)

Veröffentlicht am 28.04.2019

Ein Coming of Age- und Weird Fiction-Horror vom Feinsten. Ein Highlight sondergleichen!!

Elm Haven
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Es ist der Sommer 1960. Die schwüle Hitze macht allen in Elm Haven, Illinois, schwer zu schaffen, und die Tage fließen träge dahin. Für die fünf Freunde Mike, Duane, Dale, Harlen und Kevin wird diese Zeit ...

Es ist der Sommer 1960. Die schwüle Hitze macht allen in Elm Haven, Illinois, schwer zu schaffen, und die Tage fließen träge dahin. Für die fünf Freunde Mike, Duane, Dale, Harlen und Kevin wird diese Zeit zum Sommer ihres Lebens, dessen Ereignisse ein unzerstörbares Band der Freundschaft und des geteilten Grauens zwischen ihnen schmieden werden. Denn noch ahnen sie nicht, was im Keller ihrer Schule lauert. Noch liegt Elm Haven friedlich in der Sommerhitze … (Klappentext)

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Dieser Wälzer von knapp über 1000 Seiten enthält 2 Bücher:

"Summer of Night" - 1991 Amerikanische Erstveröffentlichung
"A Winter Haunting" - 2002 Amerikanische Erstveröffentlichung

Aufgrund dessen wird dieser Beitrag ebenfalls in gewisser Weise zwei Rezensionen enthalten, da ich auf beide Bücher getrennt eingehe, um dann ein zusammenfassendes Fazit zu erstellen. Nun denn, wollen wir uns nicht mehr mit unnötigem Geplapper aufhalten und begeben uns nach Elm Haven.

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Sommer der Nacht

"Doch dabei fiel dem aufmerksamen Beobachter plötzlich auf, dass die hohen Fenster große, schwarze Löcher waren, als wären sie entworfen worden, um das Licht zu verschlucken, anstatt es einzulassen oder zu reflektieren. Die theatralischen pseudoitalinienischen Verzierungen waren einem brutalen und gewöhnlichen Stil aufgepfropft worden, den man als Schul-Gotik des mittleren Westens bezeichnen konnte; der abschließende Eindruck war nicht der eines atemberaubenden Bauwerks, nicht einmal der einer wahren architektonischen Kuriosität, sondern lediglich der einer zu groß geratenen, schizophrenen Anhäufung von Ziegeln und Steinen, gekrönt von einem Glockenturm, der eindeutig von einem Wahnsinnigen entworfen worden war."
(S. 11)


Wir befinden uns im Jahr 1960 und in Elm Haven, einer Kleinstadt in Illinois. Der letzte Schultag und zugleich auch der letzte Tag der Old Central School, welche ab nun geschlossen und verlassen sein wird. Die Vögel zwitschern, die Straße flimmert in der Sommerhitze und für die Kinder haben nun die Sommerferien begonnen. Unter ihnen die sechs Jungen Dale, Mike, Duane, Kevin, Jim und Lawrence, der kleine Bruder von Dale und sie haben die Ferien schon herbeigesehnt. Doch diesmal verlaufen die Sommerferien anders als geplant. Es verschwindet plötzlich ihr Schulkamerad Tubby und die Jungs machen es sich zur Aufgabe ihn zu finden. Da alles mit der Old Central School zusammenzuhängen scheint, beginnen sie genau dort mit der Suche. Doch das Verschwinden von Tubby ist nicht das einzige und schon gar nicht das unheimlichste Ereignis in Elm Haven. Es hat damit lediglich begonnen.

Die Jungs:

Dale: 11 Jahre, liest mehrere Bücher pro Woche und am liebsten die ACE-Science-Fiction-Reihe - Der Besonnene
Mike: Dales bester Freund, ein fröhlicher Junge und immer zu Späßen aufgelegt, obwohl er in ärmlichen Verhältnissen aufwächst - Der Anführer
Jim Harlen: von allen nur Harlen genannt; er schneidet nur zu gerne Grimassen und bringt die anderen dadurch in den unmöglichsten Situationen zum Lachen und er hat eine verdammt große Klappe - Der Sarkastische
Kevin: 9 Monate jünger als Dale und daher nicht in der selben Klasse; er ist eher der ruhige und schüchterne dieser Truppe - Der Ängstliche
Duane: ein pummeliger und eher stiller Junge und hochbegabt, was jedoch von den Lehrern nicht erkannt wird und er den anderen Jungs sicher nicht auf die Nase bindet; er möchte unbedingt Schriftsteller werden - Der Denker
Lawrence: der 3 Jahre jüngere Bruder von Dale und auch immer mit dabei. Er hat vor nichts Angst, außer der Dunkelheit - Der Mutige

Die Story beginnt ruhig und bedächtig, indem die Kleinstadt, die Protagonisten und die Old Central School vorgestellt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht schon hierbei Gänsehaut aufkommt. Schon die Beschreibung der Old Central School löst leichte Beklemmung aus und zwischendurch, manchmal nur am Rande erwähnt, passiert etwas, etwas das man nicht greifen kann, man aber weiß das es vorhanden ist und einem eine leichte Gänsehaut auffahren lässt - ein Schrei, raschelndes Maisfeld an einem windstillen Tag, unheimliches Flüstern, etc. Diese Dinge kommen immer wieder wie aus dem nichts. Man geht z.B. gerade ins Freiluftkino, um sich eine Abendvorstellung anzusehen, der Geruch von frisch gemähten Gras liegt in der Luft, Grillen zirpen, man freut sich seine Freunde zu sehen und dann ... ZACK ... wird es plötzlich unheimlich und die Nackenhaare stellen sich einem auf.

"Dale und Lawrence standen erstarrt auf dem Gehweg, umklammerten ihre Popcorntüten und blickten nach oben, wo die Fledermäuse ihre beiden Namen schrien, mit einer Schärfe, als würden Zähne über eine Schiefertafel gezogen. Weit, weit entfernt sagte die verstärkte Stimme von Schweinchen Dick: 'D-d-d-as war's Leute!'
>>Lauf!<<, flüsterte Dale."
(S. 81)


Anfangs treten diese Dinge nur sporadisch auf, doch im Verlauf der Story wird die Atmosphäre und die unheimlichen Geschehnisse zunehmend beklemmender und die ruhigen Passagen dazwischen kürzer - als würde sich langsam aber stetig die Schlinge des Horrors langsam zuziehen, bis es z um großen Knall kommt.

Der Schreibstil von Simmons ist einmalig, der Plot packend und die Charaktere hervorragend ausgearbeitet. Man liest hierbei aus der Perspektive jedes Jungen und daher schließt man jeden einzelnen von ihnen ins Herz, fiebert mit ihnen mit und sieht ihnen dabei zu, wie sie sich entwickeln und über sich hinaus wachsen.

Mich konnte jedoch vor allem die dichte Atmosphäre begeistern. Der Autor schafft es auf hervorragende Weise den Leser in einen Sommer der 60er zu katapultieren. Man sieht Elm Haven mit seinen Farmen, die von Maisfeldern umgeben sind, spürt die Hitze des Sommers auf der Haut, während man mit dem Fahrrad über staubige Landstraßen radelt. Die Atmosphäre macht auch bei den beklemmenden und unheimlichen Stellen nicht Halt. Manchmal war es so spannend und furchterregend, dass ich überlegte ans Ende zu blättern, um mich zu vergewissern, dass alles gut geht und ich gehöre keineswegs zu dieser Art von Lesern die das normalerweise machen. Ich habe es natürlich nicht gemacht und das war auch gut so, denn sonst hätte ich mich um so einige überraschende Wendungen gebracht.

"Er hob die langen Finger. Sein Gesicht ... schmolz ... das Fleisch unter der Haut wallte, Knorpel und Knochen gruppierten sich neu, die lange Nase und das Kinn wuchsen zusammen und bildeten die Schnauze, die Mike bei dem Soldaten auf dem Friedhof gesehen hatte."
(S. 608)


Es ist ein typischer Coming of Age-Horror im Stile von Stephen King und in gewisser Weise eine Mischung aus "IT" und "The Body" (im deutschsprachigen Raum als "Stand by me" bekannt). Doch während King manchmal einen sehr ausschweifenden und "blumigen" Erzählstil hat und seine Stories daher die ein oder andere Länge aufweisen, konzentriert sich Simmons auf das Wesentliche, die Charaktere und Atmosphäre. Längen sucht man hier vergebens.

Dieses Buch beschwerte mir das schönste und gleichzeitig gruseligste Leseerlebnis seit Langem und ich wollte die Jungs am Ende überhaupt nicht mehr verlassen.

Im Auge des Winters

"Als er gegen drei Uhr eine Pause für ein spätes Mittagessen einlegte, floss das Licht bereits wieder aus dem Tag wie graues Abwaschwasser aus der Spüle."
(S. 974)


Hier begeben wir uns wieder nach Elm Haven. Inzwischen sind 41 Jahre vergangen und der Winter steht vor der Tür.
In dieser Story lesen wir aus der Sicht von Dale. Dieser lebt nun in Montana und zu seinen früheren Freunden hat er keinerlei Kontakt mehr. Selbst der Kontakt zu seinem Bruder Lawrence beschränkt sich auf nur wenige Telefonate zu allen heiligen Zeiten. Er ist Literaturprofessor und Autor, Letzteres eher schlecht als recht und seine Ehe hat er aufgrund einer Affäre mit einer Studentin in den Sand gesetzt. Ihn plagen Depressionen, Alpträume und er hat auch einen Selbstmordversuch hinter sich.
Eines Tages beschließt er nach Elm Haven zurückzukehren, um ein Buch zu schreiben, so sagt er sich, denn den wahren Grund kann er sich selbst nicht wirklich beantworten. Er mietet das Farmhaus seines verstorbenen Freundes und schon bei seiner Ankunft geht es nicht mit rechten Dingen zu. Was hat ihn wirklich nach Elm Haven gezogen?

"Wie auch immer, Dale war davon überzeugt, dass hier in diesem kalten Farmhaus im hintersten Illinois die Wehen eingesetzt hatten und dass eine wüste Bestie auf das Glückliche Eck zukroch, um entweder geboren zu werden oder zu sterben."
(S. 967)


Hier lesen wir nicht nur aus Dales Perspektive, sondern auch aus der seines verstorbenen Freundes. Auf diesen möchte ich jedoch nicht näher eingehen, da ich sonst die erste Story spoilern würde. Man trifft zwar nicht auf die Freunde aus seiner Kindheit, doch der ein oder andere bekannte Charakter läuft uns vor die Füße.
Auch hier kann Simmons mit der Atmosphäre punkten und auch hier beginnt es eher ruhig und die unheimlichen Passagen treten nur vereinzelt auf. Trotzdem weiß man von Anfang an, dass hier etwas lauert und einem während des Lesens permanent im Nacken sitzt. Im Verlauf werden sowohl Story, als auch die Atmosphäre zunehmend beklemmender und unheimlicher.

Zwischendurch reist man immer in die nahe Vergangenheit von Dale und vor allem die Affäre nimmt hiebei einen großen Platz ein. Ich fragte mich manchmal wieso all dies relevant sei, da ich absolut keinen Zusammenhang zur Hauptstory sah und überlegte, ob dies eventuell Lückenfüller sein sollen. Ab der Mitte hatte ich auch das Gefühl zu wissen wohin das alles führt, las jedoch aus Neugierde weiter, da ich wissen wollte wie der Autor das alles aufdröselt und zu Ende bringt. Mann, was hat mich Simmons hinters Licht geführt. Es kommt nämlich alles anders als gedacht und hat mich richtig geflasht.


"Jetzt, mehr als vierzig Jahre später, legte sich Dale schlafen und lächelte über die Erinnerung. Er hörte nicht das Kratzen, das an die Stelle des heulenden Winds getreten war - ein Kratzen, das aus der Finsternis hinter dem Ofen kam, wo die Öffnung zum Kohlenverschlag war."
(S. 785)


Zum Schreibstil sage ich hier nicht mehr viel, denn auch hier stimmt einfach alles. Ich spürte die Kälte des Winters ebenso wie die kalte Umklammerung des Unheimlichen. Diese Story ist Weird Fiction-Horror vom Feinsten.

Fazit:
Wenn ich einen Wälzer von 1000 Seiten innerhalb von 3 Tagen verschlinge, dann will das selbst bei mir etwas heißen. Ich konnte und wollte nicht aufhören zu lesen. Beide Stories sind auf ihre eigene Art packend und einnehmend, weisen jedoch unterschiedliche Atmosphären auf.
"Sommer der Nacht" ist hierbei mein Favorit, wobei das auch an der King-Nostalgie, gelegen haben kann, welche ich dabei empfand. Ich bin ein absoluter Stephen King-Fan, sammle sogar alle seine Ersterscheinungen, aber selbst ich muss zugeben, dass Dan Simmons mich wesentlich mehr packen konnte und mich auf keiner Seite langweilte. Ich wage sogar zu behaupten, dass Simmons ein besserer King ist, wenn man einen Vergleich ziehen möchte.
Dieses Buch katapultierte sich somit zu einem meiner absoluten Lesehighlights und am liebsten würde ich wieder von vorne beginnen zu lesen.

© Pink Anemone

Veröffentlicht am 27.04.2019

Ein wunderschön gestaltetes Backbuch mit Liebe zum Detail und vor allem zu Jane Austen

Tea Time mit Jane Austen
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Die Tea Time – eine Tradition, die sich nicht nur in Großbritannien enormer Beliebtheit erfreut. Tee und das Reichen von kleinen kulinarischen Köstlichkeiten wurden bereits zu Jane Austens Zeit am Nachmittag ...

Die Tea Time – eine Tradition, die sich nicht nur in Großbritannien enormer Beliebtheit erfreut. Tee und das Reichen von kleinen kulinarischen Köstlichkeiten wurden bereits zu Jane Austens Zeit am Nachmittag ausführlich zelebriert. Dies zeigt sich in vielen ihrer Romane sowie in der Überlieferung, dass Jane Austen auch in ihrer Familie für die Verwaltung des kostbaren Tees zuständig war. Dieses Buch verbindet die besten Rezepte für eine genussreiche Tea Time – von Scones über feine Törtchen bis hin zu den typischen Sandwiches – bereichert durch die schönsten Zitate aus Jane Austens Romanen und vielen nostalgischen Abbildungen... (Klappentext)

❦❦❦❦❦

Wer mich kennt weiß, dass ich ein Jane Austen-Fan bin und auch, dass ich an schön gestalteten Koch- und Backbüchern nicht vorüber gehen kann. Dieses Backbuch vereint diese zwei Leidenschaften auf wunderbare Weise. Es ist nämlich nicht nur ein Backbuch, sondern enthält auch Zitate aus Jane Austen-Romanen und das in wunderschöner Aufmachung.

Einteilung

Jane Austen und ihre Liebe zu Tee

"Der Tee war für Jane nicht nur etwas ganz Besonderes, sondern er war auch ihre Aufgabe innerhalb ihrer Familie. Die Familie bewahrte den Tee - welcher in speziellen Dosen, meist mit dem Zucker oder Kandis zusammen gelagert wurde - in einer Kommode des Esszimmers auf und nur Jane hatte den Schlüssel zu dieser Kommode." (S. 8)

Natürlich haben Engländer prinzipielle eine ganz besondere Beziehung zu Tee und vor allem zu ihrer Teatime. Hier erhält man einen kleinen Einblick in Englands Tee-Geschichte, wieso die Teatime auch in Jane Austens Romanen eine wichtige Rolle spielt und in Jane Austens Tee-Alltag.

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Süße Kleinigkeiten

Hier finden sich traditionelle Rezepte, welche in ein neues Kleid gesteckt wurden, z.B. Madeleins, Butterplätzchen oder Himbeer-Mascarpone-Macarons mit Rosenwasser. Dieses Kleingebäck wird hier zum Hingucker für den einfache Kaffee- und Teetisch.

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Törtchen und kleines Gebäck

Wenn man durch die Rezepte von Cupcakes, Tartelettes und Mini-Küchlein und -Törtchen blättert, wird einem nicht nur der Mund wässrig. Man sieht die Etageren mit diesen bunten Köstlichkeiten regelrecht vor Augen.
Ich habe mich an die Küchlein mit Lemon Curd gewagt und ich habe diesen Geschmack nach Zitrone und die fluffige Konsistenz immer noch in herrlicher Erinnerung. Dieses Rezept wurde von mir auch aus dem Buch herausgepickt, um es auf meinem Blog vorzustellen.

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Kuchen

Auch hier trifft Tradition auf neue Ideen. Von Brownies mit dunkler Schokolade, über Mandelkuchen mit Himbeerkonfitüre, Cheesecake mit Rotem Beeren-Coulis, Beerenkuchen mit Macarons und Biskuitrolle mit Himbeer-Rossen-Mousse (um nur ein paar Rezepte zu erwähnen), lassen einem im Kuchenhimmel schweben.
Ich habe die Biskuitrolle ausprobiert und auch diese war absolut lecker. Vor allem der leichte Rosengeschmack machte diese zu etwas ganz besonderem.

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Sandwiches und Herzhaftes

In England wird zur Teatime nicht nur Süßes gereicht, sondern auch pikante Häppchen, allen voran Sandwiches. Dieses Kapitel beinhaltet leider nur drei Rezepte: Spargelröllchen mit Schinken und Spinat, Verschiedene Mini-Sandwiches zum Tee und die traditionellen Gurken-Frischkäse-Sandwiches.
Hier hätte ich mir etwas mehr Rezepte gewünscht, aber die Sandwich-Spargelröllchen waren ein Traum (nachdem ich den Schinken weggelassen habe, da ich keinen Schinken mag) und ließen mich schlußendlich darüber hinwegsehen.

❦❦❦❦❦

Die Rezepte sind verständlich erklärt, leicht nachzubacken und benötigen keine allzu ausgefallenen Zutaten. Es ist also auch für Backanfänger mit Grundkenntnissen gut geeignet. Ich persönlich finde jedoch, dass die süßen Leckereien wesentlich weniger Zucker benötigen. Mir war es manchmal viel zu süß, was jedoch Geschmackssache ist.
Jedes Rezept wird durch ein stimmungsvolles Bild in Szene gesetzt und lässt einem beim Betrachten schon das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Zwischendurch findet man Zitate und Auszüge aus den bekanntesten Jane Austen-Romanen, wie z.B. "Stolz und Vorurteil", "Emma", "Sinn und Sinnlichkeit", etc. Alle natürlich in Bezug auf die Teatime, die Teegesellschaft und die gereichten Häppchen. Hier findet man Illustrationen im Vintagestil, welche diese ebenso stimmungsvoll begleiten.

Fazit:
Hier eröffnet sich einem ein qualitativ hochwertiges Buch, dessen Liebe zum Detail und vor allem zu Jane Austen und der traditionellen Teatime auf jeder Seite spürbar ist. Dieses Backbuch lässt also jedes Janiete-Herz höher schlagen.
Es ist herrlich mit einer Tasse Earl Grey darin zu schmökern, Pläne für die nächste Teegesellschaft (in meinem Fall eher Besuch für ein, zwei Tassen Kaffee) mit köstlichem Gebäck zu schmieden und gleichzeitig von Jane Austen-Zitaten begleitet zu werden.

© Pink Anemone (mit vielen Bildern aus dem Buch & ein herausgepicktes Rezept wird vorgestellt)

Veröffentlicht am 22.04.2019

Actiongeladene und atmosphärisch dichte Dystopie mit einer starken Frau als Protagonistin. Ich bin begeistert!

Infiziert
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Die Menschheit ist tot, ihre Städte verfallen. Die Natur holt sich zurück, was ihr gestohlen wurde. Infizierte beherrschen die neue Welt und jagen die letzten Überlebenden. Charlie ist gut darin, zu überleben ...

Die Menschheit ist tot, ihre Städte verfallen. Die Natur holt sich zurück, was ihr gestohlen wurde. Infizierte beherrschen die neue Welt und jagen die letzten Überlebenden. Charlie ist gut darin, zu überleben und andere am Leben zu halten, denn sie kann sich nicht infizieren. Wieso, das weiß niemand. Nicht einmal sie selbst.
Aber ihre Immunität ist nicht das einzige Rätsel. Wer ist der Schatten, der ihr über die Dächer der Stadt folgt, sich ihr jedoch nie nähert?
Im Kampf um das Überleben ihrer Gruppe und auf der Suche nach Antworten stößt sie auf ein Geheimnis, das größer ist, als sie sich jemals hätte vorstellen können. ...
(Klappentext)

☠☠☠☠☠

"Sie sah hinunter auf die zerstörte Stadt. Bis zum Horizont erstreckten sich Ruinen ihrer untergegangenen Zivilisation. Da gab es kein Wiederauferstehen, nur Verfall, Vergesse und Tod."
(S. 32)


Bei Elenor Avelle ist man von der ersten Seite an mitten im Geschehen. Während man über Motorhauben hechtet und Jägern die Machete in die Eingeweide rammt, lernt man die Charaktere und die dystopische Welt kennen. In dieser kam es vor acht Jahren zu einem Seuchenausbruch.
Die Infizierten, auch Jäger genannt, sind jedoch keine Zombies, wenn sie auch manchmal wie solche agieren. Wie Zombies sind sie von Hunger getrieben, gieren nach frischem und auch totem Fleisch, fressen sich also auch schon mal selbst. Sie sind schnell, laufen manchmal wie Tiere auf allen Vieren und können auch wie diese Witterung aufnehmen. Die Jäger können aber wie Nicht-Infizierte getötet werden. Es muss also nicht zwangsweise der Schädel und somit das Gehirn zerstört werden. Man wird nicht nur einer von ihnen, wenn man gebissen wird, oh nein, es reicht schon der Kontakt mit der Körperflüssigkeit von diesen Jägern. Selbst Spucke ist infektiös und sie spucken und geifern viel. Dies mach die Seuche und vor allem diese Infizierten so gefährlich ... außer für Charly. Sie ist immun und scheint die Einzige mit dieser Immunität zu sein.
Charly ist eine junge Frau, hart im Nehmen und noch härter im Töten von Jägern und sie und ihre Gruppe versuchen in dieser zerstörten Welt zu überleben. Nebenbei versucht Charly herauszufinden wer der Typ ist, welcher sie seit Beginn an verfolgt, ihr auch schon mal hilft, sich ihr jedoch nicht zu erkennen gibt und ihr nie zu nahe kommt. Und so beginnt der Kampf, das nackte Überleben in dieser dystopischen Welt und nicht jeder wird es schaffen.

"Die Infizierten hielten, verwirrt vom Blut, neben dem Bus inne. IHre dreckigen Kleider hingen in Fetzen von den ausgemergelten Körpern. Die langen Haare hingen verfilzt und mit Laub gespickt in ihre Gesichter. Ihre Hände hielten sie wie Klauen und die Nägel an ihren rostrot verfärbten Finger waren teilweise abgerissen. Einige hatten Fleischwunden an Armen und Beinen. Vermutlich Bisswunden von ihren Artgenossen."
(S. 68)


Man liest aus der Sicht von Charly und ich bin von diesem Charakter begeistert. Endlich eine Dystopie mit einer starken weiblichen Protagonistin. Dies findet man in diesem Genre ja eher selten. Sie steht den Männern in nichts nach und zieht mit der Machete schwingend durch die Gegend, springt über Dächer und hat so einige coole Moves drauf. Sie ist die einsame Wölfin in der Gruppe, denn sie liebt ihre Unabhängigkeit und zieht auch schon mal alleine durch die Gegend. In gewisser Weise erinnert sie mich an Michonne aus "The Walking Dead".
Die Figur Charly enthält also Tiefe, doch auch alle weiteren Figuren sind durchaus gut gezeichnet und vor allem authentisch.
Vereinzelt liest man aber auch aus der Perspektive dieses "Schattens", welcher Charly verfolgt und dieser hält einige Überraschungen bezüglich der Handlung bereit.

Man lernt diese dystopische Welt jedoch nicht nur durch die Charaktere kennen. Die Autorin hat es drauf dieser Welt Atmosphäre einzuhauchen, sodass Bilder einer zerstörten Welt vor Augen erscheinen. Eine Welt ohne Strom und ohne fließendes Wasser, welche langsam von der Natur zurückerobert wird und die Gefahr hinter jeder Ecke lauert ... und eine Welt in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Da der Ausbruch in der Vorweihnachtszeit statt fand, findet man überall Lichterketten, vertrocknete Girlanden und Christbäume, Weihnachtsdeko und zurückgelassene Geschenke. Dies führt während des Lesens noch zusätzlich zu einer ganz besonderen Atmosphäre. Atmosphäre schaffen kann Elenor Avelle also und das nicht zu knapp.



"Die geplünderten Geschäfte trugen das gleiche aberwitzige, abgetragene Gewand wie der Rest der Stadt. Kitschige Tannenbäumchen mit angelaufenem Lametta und staubigen, roten Kugeln standen in regelmäßigen Abständen im Flur. Die leere Hülle eines aufblasbaren Schneemanns lag auf dem Boden, als wäre er in der Sonne geschmolzen. Reklameschilder wiesen auf Weihnachtsangebote hin und große Papptafeln, die von der Decke hingen, wünschten ein frohes Fest."
(S. 219)


Weiters bin ich vom Schreib- und Erzählstil der Autorin begeistert. Es erwartet einen ein klarer und flüssiger Schreibsil, eine packende Story mit Wendungen, die ein oder anderen Actionszene, die einem die Luft anhalten lassen, sowie beklemmende und spannende Szenen.
Der Untertitel "Geheime Sehnsucht" ist das Einzige was, meiner Meinung nach, etwas unglücklich gewählt ist, suggeriert dieser doch in gewisser Weise es könne sich hier um einen Erotik- oder Liebesroman handeln (gibt es nicht eine amerikanische Soap die auch diesen Titel trägt?). In dieser Dystopie kommt es zwar zu der ein oder anderen Liebesszene und romantische Gedankengänge sind auch vorhanden, doch diese stehen weder im Vordergrund, noch sind sie kitschig und werden nur kurz angeschnitten, worüber ich persönlich ja sehr froh bin, da ich damit so überhaupt nichts anfangen kann.

Fazit:
Hier passt meiner Meinung nach einfach alles! Gut gezeichnete und authentische Charaktere, dichte und kopfkinoerzeugende Atmosphäre und eine Story, die einen packt und nicht mehr loslässt. Ich habe das Buch, aufgrund so mancher Szene nägelkauend verschlungen und am Ende ließ es mich begeistert zurück. Da soll noch einer sagen Frauen können keine actiongeladenen Dystopie schreiben. Elenor Avelle beweist das Gegenteil udn gelangt daher als Autorin auf meine Must-Read-List und daher wird auch der 2. Teil der Charly-Reihe wohl demnächst bei mir einziehen.

© Pink Anemone