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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.08.2022

Zu simpel gehalten

Der Geruch von Wut
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Nachdem sein Vater bei einem Autounfall gestorben ist, ist für Alex klar, dass der Fahrer des anderen Wagens schuld ist und für seine Tat bezahlen muss. Über einen Freund nimmt er Kontakt zu einer gewaltbereiten, ...

Nachdem sein Vater bei einem Autounfall gestorben ist, ist für Alex klar, dass der Fahrer des anderen Wagens schuld ist und für seine Tat bezahlen muss. Über einen Freund nimmt er Kontakt zu einer gewaltbereiten, rechtsradikalen Gruppe auf. Schnell schlittert Alex immer tiefer in diese Welt hinein, aus der es kein Entkommen gibt.
Beim Lesen wird schnell deutlich, dass es sich bei "Der Geruch von Wut" um ein Jugendbuch handelt. Mir war es an vielen Stellen aber selbst dafür nicht genug in die Tiefe gehend; vieles fand ich zu vereinfacht dargestellt, und ich glaube, dass gerade heutzutage Jugendliche da sehr viel aufgeweckter sind und und sehr viel mehr verstehen wollen und können, als dieses Buch ihnen an Informationen bietet. Wenn überhaupt wäre es daher in meinen Augen eher für "jüngere" Jugendliche geeignet, wobei dann aber die teilweise gewaltsamen Szenen vermutlich zu heftig sind. Mir stellt sich also die Frage, an wen genau sich der Roman eigentlich richtet.
Vom Schreibstil her ist das Buch eher simpel gehalten, es liest sich gut und man kommt schnell durch. Die Figuren waren mir aber zu flach und da hätte ich mir noch tiefere Einblicke in ihr Leben und ihre Gedanken gewünscht. Auch viele Abläufe waren mir zu ungenau bzw. zu einfach dargestellt (nach dem Motto 'Wir kennen dich nicht, aber du willst Teil unserer rechtsextremen Gruppe werden? Kein Problem, wir treffen uns an diesem und jenem Ort, komm einfach vorbei.' etc.). Die Auflösung am Ende ging dann ziemlich schnell und ohne Probleme vonstatten, in der Realität würde es so vermutlich nicht laufen. Auch hier hätte ich mir wieder mehr Authentizität und mehr Details gewünscht.

Alles in allem bietet der Roman einen nettern, kurzen ersten Einblick darauf, wie schnell man in die falschen Kreise abrutschen kann - viel mehr aber leider nicht.

Veröffentlicht am 06.06.2022

Leider nicht sehr spannend

Die neue Wildnis
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Dystopische Szenarien scheinen in unserer heutigen Welt immer weniger unwahrscheinlich - Kriege, Klimawandel und Umweltkatastrophen bieten viel Raum für düstere Vorhersagen. Gerade weil wir gar nicht so ...

Dystopische Szenarien scheinen in unserer heutigen Welt immer weniger unwahrscheinlich - Kriege, Klimawandel und Umweltkatastrophen bieten viel Raum für düstere Vorhersagen. Gerade weil wir gar nicht so weit weg von solchen Vorstellungen sind, üben dystopische Romane auf mich immer wieder eine große Faszination aus.

So auch "Die neue Wildnis" von Diane Cook, das im Amerika der nahen Zukunft spielt und das Leben einer etwa 20-köpfigen Gruppe von Menschen im sogenannten "Wildnis-Staat" beschreibt. Diese Wildnis ist die letzte, die es noch gibt; die Städte sind überfüllt und vermüllt und lassen wortwörtlich kaum Luft zum Atmen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts darf eine kleine Gruppe Freiwilliger nun auswandern in diesen Wildnis-Staat, der an eine Art Nationalpark erinnert und von Rangern betreut wird. Es gibt strenge Auflagen für die Gruppe - sie müssen das Leben von Nomaden führen und dürfen nirgendwo länger als ein paar Tage verweilen, sie dürfen kaum persönliche Gegenstände mitnehmen und vor allem dürfen sie keinerlei Müll oder sonstige Spuren hinterlassen. Ein solches Leben ist hart, auf eine ganz andere Weise, als sie es aus der Stadt gewohnt sind. Plötzlich müssen sie sich mit wilden Pumas arrangieren, müssen auf ihren Wanderungen reißende Flüsse überqueren und nachts und im Winter Kälte und Hunger ertragen. Viele sterben.

Im Zentrum der Handlung stehen Bea, ihr Mann Glen, der einer der Mitentwickler des Programms war, und deren kleine Tochter Agnes. Der Roman schildert die Spannungen in der Gruppe, beschreibt die Schwierigkeiten des Überlebens in freier Natur, die die Gruppe immer wieder an ihre Grenzen führt.

Der Roman klang wirklich toll und hat sofort mein Interesse geweckt; leider war es dann aber doch eine recht kurze Liebe zwischen uns. Mein Problem ist weniger, dass mir Bea (aus deren Sicht der erste Teil der Geschichte erzählt wird) ausgesprochen unsympathisch war. Das hätte ich verkraftet, hätte die Geschichte etwas mehr Spannung entwickelt. Leider plätschert sie die meiste Zeit über jedoch merklich langsamer dahin als die zahlreichen Flüsse, die die kleine Gruppe durchqueren muss, ist also nicht gerade mitreißend; dazu kommt, dass vieles nicht mit der Tiefe beschrieben und erklärt wird, die ich mir gewünscht hätte. Wirklich schade, denn Beas Tochter Agnes und ihre Sicht auf die Welt mochte ich sehr, nur hat auch hier zu oft einfach der Schwung gefehlt und statt einer spannenden Dystopie habe ich, trotz einiger tragischer Szenen, das Gefühl, ein Buch über einen dezent eskalierenden Campingausflug gelesen zu haben. Und das war nicht das, was ich haben wollte.

Veröffentlicht am 14.05.2022

360 Seiten Langeweile

Das Leben eines Anderen
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Nach dem Tod Daisukes muss Rie feststellen, dass ihr Ehemann nicht der war, für den sie ihn gehalten hat. Stattdessen hat er sie und sein gesamtes Umfeld die ganze Zeit ihrer Bekanntschaft hindurch über ...

Nach dem Tod Daisukes muss Rie feststellen, dass ihr Ehemann nicht der war, für den sie ihn gehalten hat. Stattdessen hat er sie und sein gesamtes Umfeld die ganze Zeit ihrer Bekanntschaft hindurch über seine wahre Identität getäuscht. Akira Kido, Anwalt, Ehemann und Vater, selbst mit dem Alltagstrott seines Lebens unzufrieden, soll nun nachforschen und herausfinden, wer Daisuke wirklich war.

Achja. Die Kultur Japans, persönliche Konflikte, der Tausch zweier Identitäten - es klang so vielversprechend. Der Einstieg hat mir auch noch recht gut gefallen, dann wurde es allerdings schnell zäh und meine Lust zum Weiterlesen war bald verflogen. Die Suche danach, was Daisuke dazu bewogen hat sein altes Leben hinter sich lassen zu wollen, und die Frage, wie ihm dies gelungen ist, hätten wirklich spannend sein können - waren sie aber nicht. Mir hat die Beschäftigung mit der Persönlichkeit der Figuren gefehlt, bzw. hat sie mich dort, wo sie vorhanden war, nicht packen können. Gespräche wirkten zu häufig zu konstruiert, und statt einem tiefen Einblick in die japanische Kultur blieb dieses Thema (ebenso wie andere eigentlich interessante Punkte) sehr oberflächlich und nur am Rande abgehandelt. Ich hatte irgendwann das Gefühl, eine Art (wenig spannenden) Krimi zu lesen - und das ist leider nicht, was ich mir von diesem Roman erhofft hatte. Dass laut Klappentext irgendwann auch Ries Anwalt in Versuchung gerät, sein Leben hinter sich zu lassen und eine andere Identität annimmt, hat mich noch eine Weile hoffen lassen; aber auch dieser Aspekt konnte es für mich letzten Endes nicht mehr retten.

Ich hatte mir viel erhofft von diesem Roman, zumal "Identitätstausch" etwas ist, womit ich mich bisher noch nie auseinandergesetzt habe. Leider ist meine Enttäuschung nach dem Lesen aber mindestens so groß wie meine Vorfreude vor dem Lesen. Mein Hauptgefühl währenddessen war Langeweile.

Veröffentlicht am 02.04.2022

Es hapert in der Umsetzung

Der Flussregenpfeifer
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Oskar Speck ist kaum jemandem ein Begriff, und das, obwohl er zu Beginn des 20. Jahrhunderts Unglaubliches vollbracht hat: Er ist von Ulm aus über zahlreiche Flüsse und den Ozean bis nach Australien gereist ...

Oskar Speck ist kaum jemandem ein Begriff, und das, obwohl er zu Beginn des 20. Jahrhunderts Unglaubliches vollbracht hat: Er ist von Ulm aus über zahlreiche Flüsse und den Ozean bis nach Australien gereist - und zwar mit einem Faltboot. In diesem Buch wird die Geschichte Oskars in Romanform verarbeitet.
Anlass für die Reise sind ein akutes Geldproblem und eine Zeitungsannonce, in der Arbeiter für eine Kupfermine auf Zypern gesucht weden. Allein diese Strecke sorgt schon für einiges Aufsehen, und noch ahnt niemand - am wenigsten vielleicht Oskar selbst - dass er am Ende noch sehr viel weiter paddeln wird. Denn ohne Oskars Zutun wird seine Reise von Männern, die selbst davon profitieren wollen, in einen Wettbewerb umgewandelt, sodass Oskar sich plötzlich mit besser ausgerüsteten und skrupellosen Gegnern konfrontiert sieht, die ihn um seinen Sieg und damit das dringend benötigte Geld bringen wollen.

Der Roman gliedert sich in mehrere Handlungsstränge. Einmal den um Oskar, ein weiterer widmet sich den Inittiatoren des Wettbewerbs, und dann gibt es noch einen Strang, in dem eine junge Frau die Geschichte des in einem Hospital liegenden Oskars niederschreibt. Im Laufe des Romas verbinden sich all diese Handlungsstränge. Dazwischen gibt es immer wieder bearbeitete, aber größtenteils trotzdem originale Briefe und Tagebucheinträge Oskar Specks zu lesen.

Leider hat mich der Roman nicht überzeugen können. Die Reise Oskars ist wirklich beeindruckend und spannend, die Umsetzung in Romanform aus meiner Sicht aber nicht geglückt. Bei sämtlichen Figuren mangelt es mir an Tiefe, da keine von ihnen eine wirkliche Gefühlswelt zu haben scheint; einschlägige, traurige Ereignisse werden in wenigen Sätzen abgehandelt und offenbar direkt danach aus dem Gedächtnis der Protagonist*innen gestrichen, jedenfalls kommt später nie mehr die Sprache darauf und es beeinflusst sie auch nicht in ihrem Handeln. Haupt- wie Nebenfiguren blieben mir insgesamt viel zu blass. Zusätzlich ist es gerade zu Beginn des Romans recht schwierig, den Überblick über die verschiedenen Zeitebenen und die recht vielen Figuren zu wahren; das gibt sich zwar mit der Zeit, hat mir aber den Einstieg in die Geschichte deutlich erschwert. Dazu kommt, dass mich einer der Handlungsstränge so gar nicht interessiert hat, es hier also einige Längen gibt, und das Ende ziemlich offen blieb; Recherchen im Internet helfen da zwar weiter, ich hätte mir das aber trotzdem mit im Buch gewünscht.

Zusammnfassend ist "Der Flussregenpfeifer" ein Roman, der ausgehend von der Hintergrundgeschichte wirklich Potential hätte und der mir in Hinblick auf diesen Hintergrund auch viele interessante Informationen geliefert hat, der mich aber in seiner Umsetzung als Roman einfach nicht packen und berühren konnte.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

"Nichts" zu tun ist nicht immer die beste Entscheidung

Zusammenkunft
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Manchmal will man ein Buch mögen, kann sich aber einfach nicht damit anfreunden. So ging es mir bei "Zusammenkunft".

Im Zentrum des Romans stehen eine junge Frau und Themen wie Rassismus und Sexismus. ...

Manchmal will man ein Buch mögen, kann sich aber einfach nicht damit anfreunden. So ging es mir bei "Zusammenkunft".

Im Zentrum des Romans stehen eine junge Frau und Themen wie Rassismus und Sexismus. Wir begleiten die namenlose, afro-britische Protagonistin, die im Londoner Finanzsektor arbeitet und mit aller Kraft nach oben strebt. Die Handlung beschränkt sich auf einen Ausschnitt von etwa 24 Stunden, in denen sie sich auf die Gartenparty der Eltern ihres (reichen, weißen) Freundes vorbereitet und die ersten paar Stunden dort verbringt.
Das ist selbst für ein solch kurzes Buch sehr wenig Handlung, und so liegt der Fokus mehr auf ihrer Wahrnehmung der britischen Klassengesellschaft, von der sie ihrer Herkunft wegen noch immer ausgegrenzt wird.

Das klingt so weit alles ganz spannend, für mich hat dieses Buch aber leider einfach nicht funktioniert. Das liegt insbesondere an der Tatsache, dass die Protagonistin im Laufe der Geschichte immer wieder darauf hinweist, was sich alles ändern muss, immer wieder anspricht, dass sie so viel mehr Möglichkeiten hat als all ihre Vorfahren - dann am Ende des Buches aber kurz und knapp gesagt einfach gar nichts tut. Sie leidet, sie klagt an. Aber die Möglichkeit, zu kämpfen und etwas zu ändern (und die Möglichkeit hat sie mit ihrer Position in meinen Augen durchaus), ergreift sie nicht. Stattdessen lässt sie sich am Ende kleinhalten, versteckt sich (wortwörtlich und metaphorisch) auf einer Party voller Weißer in einer abgelegenen Ecke und wartet einfach ab. Sie selbst sagt mehrmals, dass "Nichts" auch eine Entscheidung ist, und ja, vielelicht ist es das, aber eine besonders gute ist es dann nicht. Sie sagt, dass sie all die Chancen nutzen nöchte, die ihre Vorfahren nicht hatten, entscheidet sich dann aber bewusst gegen den Versuch, etwas zu verändern, und zieht sich unauffällig aus der Affäre.

Und das ist es, was mich so sehr an diesem kurzen Roman gestört hat. Er ist zweifellos gut geschrieben. Ich habe kein Proble mit der Handlungsarmut. Ich mag den Aufbau und finde die zentralen Themen spannend und wichtig. Aber der mangelnde Handlungswille der Protagonistin bleibt mir unverständlich.