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Veröffentlicht am 19.02.2022

Gerne mehr davon

Wir sind das Licht
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Eine Frau verhungert, und das mitten in einer ganz normalen Wohnsiedlung und vor den Augen ihrer drei Mitbewohner. Nach Elisabeths Tod ist die Polizei ratlos - liegen hier Totschlag und unterlassene Hilfeleistung ...

Eine Frau verhungert, und das mitten in einer ganz normalen Wohnsiedlung und vor den Augen ihrer drei Mitbewohner. Nach Elisabeths Tod ist die Polizei ratlos - liegen hier Totschlag und unterlassene Hilfeleistung vor, oder hat Elisabeth eigenmächtig entschieden, keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen?
Wer jetzt einen spannenden Thriller erwartet, ist hier an der falschen Adresse; Gerda Blees' Roman überzeugt auf einer ganz anderen Ebene. Denn statt ganz herkömlich eine oder mehrere Figuren zu Wort kommen zu lassen, sind es hier fast ausschließlich Gegenstände und Abstrakta wie etwa ein Brot, der Ermittlungsbericht oder die Zweifel, die die merkwürdige Geschichte der "Wohngruppe Klang und Liebe" nacherzählen. Und das funktioniert unfassbar gut.

Im Zentrum steht dabei Melodie, die Begründerin der Gruppe, die die anderen nach und nach ihrer eigenen Urteilskraft und Entscheidungsfähigkeit beraubt - und das auf eine so subtile, manipulative Art und Weise, dass man sich ihr kaum entziehen kann. Auch dann nicht, wenn nicht mehr nur die eigene Gesundheit, sondern auch das Leben an sich in Gefahr sind. Denn Melodie ist der festen Überzeugung, dass der Verzicht auf Nahrung vollkommen natürlich und förderlich ist, weshalb sie die Gruppe nach und nach auf eine reine Ernährung von Licht umstellen will - dass Elisabeth, Muriel und Petrus zum Zeitpunkt des ersten Zusammentreffens alle auf ihre Art psychisch instabil und damit sehr leicht zu beeinflussen sind, kommt ihr dabei sehr entgegen.
Durch die regelmäßigen Perspektivwechsel gelingt es der Autorin, ein extrem umfassendes und vielschichtiges Bild der vier WG-Mitglieder zu zeichnen. Als Leserin wahrt man stets eine gewisse Distanz zu den Figuren, erhält aber zugleich einen viel tiefergehenden Einblick in die Mechanismen ihres Zusammenlebens, als die Protagonistinnen selbst ihn hätten liefern können. Ich konnte beim Lesen vor lauter Unverständnis für Melodies Gedankenkonstrukt nur kontinuierlich den Kopf schütteln, und hätte dabei doch am liebsten sie selbst wachgeschüttelt.

Für mich war "Wir sind das Licht" ein unerwartetes Highlight, das ich sehr gerne empfehle!

Veröffentlicht am 08.02.2022

Manchmal ist weniger mehr

Zum Paradies
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Wo fängt man an bei einem Roman, der eigentlich aus drei größtenteils unabhängigen Geschichten besteht? Vielleicht genau damit, denn das war es, was mein Gefühl beim Lesen geprägt hat. Zwischen den einzelnen ...

Wo fängt man an bei einem Roman, der eigentlich aus drei größtenteils unabhängigen Geschichten besteht? Vielleicht genau damit, denn das war es, was mein Gefühl beim Lesen geprägt hat. Zwischen den einzelnen Geschichten liegen jeweils hundert Jahre, sie spielen alle auf dem amerikanischen Kontinent und behandeln alle Themen wie Homosexualität, Armut vs. Reichtum, Krankheit, Sehnsucht. Was mir aber gefehlt hat, ist eine wirkliche Verbindung, die über die thematische hinausgeht. Ja, es gibt einige wenige Anspielungen auf den möglichen Fortgang der jeweils anderen Geschichten, aber im Großen und Ganzen bleiben ihre Enden mehr als offen. Erwartet hatte ich eine Handlung, die sich über drei Jahrhunderte erstreckt, stattdessen musste ich mich gleich dreimal auf völlig neue Geschichten einlassen, die sich in ihrer Weitschweifigkeit verlieren.

Dabei macht Yanagihara durchaus deutlich, dass sie schreiben kann. Die Figuren und ihr Schicksal werden einfühlsam beschrieben, ihr Leid in allen Facetten geschildert - und doch habe ich bis zur dritten Geschichte gebraucht, um mich darauf einlassen zu können. Erst hier wurden die Protagonist*innen für mich greifbarer, erst hier konnte ich mich in sie hineinfühlen und mit ihnen hoffen. Sicherlich hat dazu auch die spannende bis beklemmende dystopische Grundstimmung beigetragen, die hier vorherrscht; in den beiden vorherigen Teilen hat mir diese Spannung größtenteils gefehlt. Gerade die zweite empfand ich über weite Strecken als sehr anstrengend, was das Weiterlesen manches Mal zur Überwindung gemacht hat.

Meine Kritik besteht hauptsächlich in der für meinen Geschmack zu losen Verknüpfung und der darunter leidenden, fehlenden Tiefe der Charaktere und Handlung(en). Ich frage mich, ob es wirklich notwendig war, drei Geschichten in ein Buch zu packen? Meiner Meinung nach nicht unbedingt.
Insgesamt ein Roman, den man lesen kann, aber nicht muss - mich hat er eher weniger überzeugt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.01.2022

"Nichts" zu tun ist nicht immer die beste Entscheidung

Zusammenkunft
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Manchmal will man ein Buch mögen, kann sich aber einfach nicht damit anfreunden. So ging es mir bei "Zusammenkunft".

Im Zentrum des Romans stehen eine junge Frau und Themen wie Rassismus und Sexismus. ...

Manchmal will man ein Buch mögen, kann sich aber einfach nicht damit anfreunden. So ging es mir bei "Zusammenkunft".

Im Zentrum des Romans stehen eine junge Frau und Themen wie Rassismus und Sexismus. Wir begleiten die namenlose, afro-britische Protagonistin, die im Londoner Finanzsektor arbeitet und mit aller Kraft nach oben strebt. Die Handlung beschränkt sich auf einen Ausschnitt von etwa 24 Stunden, in denen sie sich auf die Gartenparty der Eltern ihres (reichen, weißen) Freundes vorbereitet und die ersten paar Stunden dort verbringt.
Das ist selbst für ein solch kurzes Buch sehr wenig Handlung, und so liegt der Fokus mehr auf ihrer Wahrnehmung der britischen Klassengesellschaft, von der sie ihrer Herkunft wegen noch immer ausgegrenzt wird.

Das klingt so weit alles ganz spannend, für mich hat dieses Buch aber leider einfach nicht funktioniert. Das liegt insbesondere an der Tatsache, dass die Protagonistin im Laufe der Geschichte immer wieder darauf hinweist, was sich alles ändern muss, immer wieder anspricht, dass sie so viel mehr Möglichkeiten hat als all ihre Vorfahren - dann am Ende des Buches aber kurz und knapp gesagt einfach gar nichts tut. Sie leidet, sie klagt an. Aber die Möglichkeit, zu kämpfen und etwas zu ändern (und die Möglichkeit hat sie mit ihrer Position in meinen Augen durchaus), ergreift sie nicht. Stattdessen lässt sie sich am Ende kleinhalten, versteckt sich (wortwörtlich und metaphorisch) auf einer Party voller Weißer in einer abgelegenen Ecke und wartet einfach ab. Sie selbst sagt mehrmals, dass "Nichts" auch eine Entscheidung ist, und ja, vielelicht ist es das, aber eine besonders gute ist es dann nicht. Sie sagt, dass sie all die Chancen nutzen nöchte, die ihre Vorfahren nicht hatten, entscheidet sich dann aber bewusst gegen den Versuch, etwas zu verändern, und zieht sich unauffällig aus der Affäre.

Und das ist es, was mich so sehr an diesem kurzen Roman gestört hat. Er ist zweifellos gut geschrieben. Ich habe kein Proble mit der Handlungsarmut. Ich mag den Aufbau und finde die zentralen Themen spannend und wichtig. Aber der mangelnde Handlungswille der Protagonistin bleibt mir unverständlich.

Veröffentlicht am 05.12.2021

Ganz ok

Regenglanz
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Simon und Alissa begegnen sich in einem Tattoo-Studio. Er möchte das peinliche Tattoo, dass er sich einst für seine Ex hat stechen lassen, unter einem neuen verschwinden lassen, sie studiert an der Kunsthochschule ...

Simon und Alissa begegnen sich in einem Tattoo-Studio. Er möchte das peinliche Tattoo, dass er sich einst für seine Ex hat stechen lassen, unter einem neuen verschwinden lassen, sie studiert an der Kunsthochschule und arbeitet dort. Obwohl Alissa sich fest vorgenommen hat, sich niemals in einen Kunden zu verlieben, muss sie sich schon bald eingestehen, etwas für Simon zu empfinden - und ihm geht es ähnlich.

Normalerweise habe ich in solchen Romanen eher ein Problem mit dem Typen als mit der Frau - hier war es andersherum. Simon ist insgesamt wirklich ein guter Kerl. Alissa dagegen hat mich nach einer Weile sehr angestrengt, weil sie sich von allen (und von ihrer kleinen Schwester im Besonderen) herumschubsen lässt und nie etwas dagegen tut. Dabei kann sie nichts für das, was geschehen ist, und ihre Schwester und ihr Vater verhalten sich wirklich unmöglich ihr gegenüber. Doch statt das klarzustellen, versucht sie weiter, die Liebe der beiden zurückzugewinnen.

Von diesem einen Punkt abgesehen ist "Regenglanz" nicht viel anders als die meisten anderen Bücher des Genres auch. Es lässt sich gut und zügig lesen und bietet nette Unterhaltung für zwischendurch, aber die Protagonistin war mir letzendlich doch zu schwach und den entscheidenen Plottwist fand ich mehr als unglaubwürdig.

Veröffentlicht am 05.12.2021

Mit einigen Schwächen, aber unterhaltsam

Barbara stirbt nicht
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Herr Schmidt ist es gewohnt, von seiner Frau Barbara umsorgt zu werden. Als diese dann plötzlich erkrankt und er den Haushalt selbst übernehmen muss, stellen sich Überforderung und Verdruss ein: Wie genau ...

Herr Schmidt ist es gewohnt, von seiner Frau Barbara umsorgt zu werden. Als diese dann plötzlich erkrankt und er den Haushalt selbst übernehmen muss, stellen sich Überforderung und Verdruss ein: Wie genau macht man eigentlich Kaffee? Und wie funktioniert das mit dem Kochen?

Schon bald entdeckt Walter Schmidt in den Untiefen des Internets ein Forum, in dem sich regelmäßig Menschen über Rezepte austauschen, und macht so das Kochen und Backen zu seiner neuen Passion. Mit seiner griesgrämigen Art braucht es jedoch ein wenig, bis er sich unter den anderen Menschen zurechtfindet.

"Barbara stirbt nicht" punktet nicht gerade mit sympathischen Protagonisten. Herr Schmidt macht sich bei Mitmenschen und Leser/innen meist eher unbeliebt. Und doch schließt man ihn auf eine ganz merkwürdige Art ins Herz, weil er einem eigentlich nur leidtun kann, dieser ältere Herr, der keine Ahnung vom Leben hat und der trotz aller Beschwerden doch versucht, für seine Frau zu sorgen.

Insgesamt hat mir am Ende aber etwas gefehlt - ein bisschen mehr Wärme in der Handlung, ein wenig mehr logisches Denken und Handeln der Figuren, ein etwas klärenderes Ende. Dennoch ist "Barbara stirbt nicht" eine schöne Geschichte übers Leben, die (fast muss man sagen: leidder) mehr oder weniger genauso auch in der Realität geschehen könnte.