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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.02.2024

Zwischen zwei Welten

Mühlensommer
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Ein Anruf lockt Maria aus der Stadt zurück in ihre alte Heimat aufs Land: Der Vater hatte einen Unfall und so kehrt sie zurück zur Mühle, in der ihre Familienmitglieder aus drei Generationen leben.
Aufgrund ...

Ein Anruf lockt Maria aus der Stadt zurück in ihre alte Heimat aufs Land: Der Vater hatte einen Unfall und so kehrt sie zurück zur Mühle, in der ihre Familienmitglieder aus drei Generationen leben.
Aufgrund der lebensbedrohlichen Lage des Vaters wird endlich über ein Thema gesprochen, das bisher lieber verdrängt wurde: Die Zukunft des Hofes.

Das Cover von "Mühlensommer" lässt einen die Hitze und die Landluft geradezu spüren und genauso ergeht es einem beim Lesen: Martina Bogdahn schafft mit Worten eine Atmosphäre, in die man mit Leichtigkeit eintauchten kann.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Gegenwart und Marias Kindheit erzählt, welche offenbart, dass das Leben auf dem Land zwar schön, aber auch alles andere als einfach war.
Sehr gelungen fand ich die Darstellung des Streitthemas: Wie es mit der Mühle und dem Hof weitergehen soll, ob er noch eine Zukunft hat und dass die Viehhaltung allein aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr ausreicht.
Auch Marias innerer Konflikt ist sehr nachvollziehbar: Einerseits genießt sie die Freiheiten in der Stadt, andererseits liebt sie die Mühle auf dem Land, ihre Heimat, und möchte diese nicht ganz aufgeben.

Etwas zu viel waren mir die detaillierten, seitenlangen Gewaltdarstellungen an Tieren (Schlachten des Lieblingsschweines, Ertränken der ungewollten Katzenbabys etc.): Nicht weil die Tatsache, dass es tagtäglich so passiert, mich sonderlich schockiert, sondern weil die Beschreibungen zu aufdringlich sind. Man hätte auch unterschwelliger zeigen können, wie hart und teilweise brutal das Landleben ist - hier wäre weniger mehr gewesen.

Auch das sehr offene Ende kam mir etwas zu plötzlich. So erfährt man zwar viel über Marias Kindheit, der gegenwärtige Konflikt wird allerdings nicht wirklich aufgeklärt.

Weil mir zwar die Geschichte und vor allem die Erinnerungen vor dem Setting der alten Mühle sehr gefallen haben, mir aber eine Entwicklung der Protagonistin und etwas mehr Tiefe gefehlt haben, gebe ich ⭐️3,5/5⭐️

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Veröffentlicht am 16.02.2024

So wichtig

Mutter ohne Kind
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Wer mich trifft, sieht eine Mutter mit zwei gesunden Kindern. Was keiner sieht: Da waren noch zwei Schwangerschaften, die zu früh geendet haben.
Und mit diesem Schicksal bin ich nicht alleine, ca. 30 % ...

Wer mich trifft, sieht eine Mutter mit zwei gesunden Kindern. Was keiner sieht: Da waren noch zwei Schwangerschaften, die zu früh geendet haben.
Und mit diesem Schicksal bin ich nicht alleine, ca. 30 % aller Schwangerschaften enden mit einer Fehl- oder Stillen Geburt.
Wer nicht selbst betroffen ist, kennt diese hohe Zahl nicht, denn es spricht kaum jemand darüber.

Eva Lindner bricht mit ihrem Buch "Mutter ohne Kind" dieses Schweigen. Nach ihrer eigenen Fehlgeburt beschäftigt sich die Journalistin intensiv mit dem Thema, spricht mit anderen betroffenen Frauen und Familien und schaut sich die aktuelle Forschungslage an.

Das Buch ist in zehn Kapitel unterteilt. Jedes beginnt mit einem Erfahrungsbericht und wird dann mit genau recherchierten Fakten fortgesetzt. Dabei hat jedes einen eigenen Themenschwerpunkt.

Viele Zahlen und Gegebenheiten sind schockierend, daher empfehle ich jeder und jedem dieses Buch, nicht nur Betroffenen. Denn statistisch gesehen kennt jede*r eine Person, die bereits eine Fehlgeburt erlitten hat oder noch erleiden wird.

Die Mischung aus persönlichen Geschichten und Fakten sowie der angenehme Schreibstil ließen mich das Buch kaum aus der Hand legen, ich habe es verschlungen wie einen Roman.

Es bekommt definitiv eine klare Leseempfehlung meinerseits und hat mir gezeigt, dass ich öfter mal zu einem Sachbuch greifen sollte.

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Veröffentlicht am 16.02.2024

Was passiert, wenn der Lebenstraum wegfällt?

Spinner
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Nach dem Abitur hat Jesper alle sozialen Beziehungen gekappt und ist nach Berlin gezogen, um seinen Traum zu verfolgen: ein Buch schreiben und erfolgreicher Schriftsteller werden.
In einer ereignisreichen ...

Nach dem Abitur hat Jesper alle sozialen Beziehungen gekappt und ist nach Berlin gezogen, um seinen Traum zu verfolgen: ein Buch schreiben und erfolgreicher Schriftsteller werden.
In einer ereignisreichen Woche kommt dann doch alles anders und er muss aufhören, krampfhaft seinem einzigen Traum nachzujagen.

Benedict Wells überrascht in jedem seiner Romane mit einem ganz anderen Schreibstil und dennoch ist es jedes Mal unverkennbar Wells. In "Spinner" schreibt er sehr locker, ironisch, spricht manchmal den Leser/ die Leserin direkt an; und passt seine Ausdrucksweise so wunderbar dem eigensinnigen, zynischen und jungen Protagonisten an.
Oft finde ich die Sprache in Jugendromanen zu übertrieben, hier nimmt man dem Autoren jedes Wort ab. Es wirkt einfach authentisch. Vielleicht liegt es auch daran, dass Benedict Wells selbst erst 19 Jahre alt war, als er die erste Fassung des Buches schrieb.

Jesper ist ein Protagonist, den man einfach ins Herz schließen muss. Neben all seinen Eigenarten hat er ein Ziel, einen Traum, der sein Leben bestimmt.
Als er realisiert, dass dieser Traum mehr und mehr wegfällt, gerät er in eine Orientierungslosigkeit, die man nur allzu gut nachvollziehen kann. Seine Wirklichkeit vermischt sich mehr und mehr mit Tagträumen und auch als Leser*in fragt man sich teilweise bis zum Schluss, was wahr und was nur ein Hirngespinst war.
Besonders ist auch, dass die komplette Handlung des Romans auf den Zeitraum von einer Woche verdichtet wurde.

Inhaltlich ist es also "nur" ein weiterer Roman über das Erwachsenwerden, aber Wells' origineller Charakter, der lockere, selbstironische Schreibstil und die Tragikomik, die sich durchs ganze Buch zieht, machen es für mich zu einem der besten aus dieser Kategorie.

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Veröffentlicht am 13.02.2024

Wichtiges Thema

Liebe ist gewaltig
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Juli wächst in einer absoluten Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie selbst ist Klassenbeste. Was nur kein Außenstehender ahnt: Ihr überall beliebter und hoch angesehener Vater übt zu ...

Juli wächst in einer absoluten Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie selbst ist Klassenbeste. Was nur kein Außenstehender ahnt: Ihr überall beliebter und hoch angesehener Vater übt zu Hause physische und psychiche Gewalt aus, während ihre Mutter Meisterin im Verdrängen ist.

In "Liebe ist gewaltig" behandelt Claudia Schumacher ein überaus wichtiges Thema: Häusliche Gewalt.
Was den Roman von vielen anderen unterscheidet und so realtistisch macht, ist die Familie der Protagonistin: Juli wächst nicht in einer finanziell schwachen Umgebung auf, sondern als Tochter eines Juristen-Paares, bei dem niemals jemand Gewalt vermuten würde. Dass so etwas in "gutem Hause" passiert, können sich wohl die wenigsten wirklich vorstellen.

Als Leser*in verfolgt man Julis Geschichte über drei Jahrzehnte lang, dabei zeigt die Autorin eindrücklich auf, wie sehr einen kindliche Erfahrungen prägen und sich bis ins Erwachsenenalter ziehen und wie schwierig es für Betroffene ist, sich aus diesem Gewaltkreislauf zu befreien.
Wirklich gut gelungen ist auch die Darstellung von Julis Entwicklung und ihr Ausbruch (bzw. der Versuch dessen) aus dem Ganzen.

Einzig negativ war für mich die Protagonistin; es fiel mir wirklich schwer, einen Zugang zu ihr zu finden und so richtig ist mir das bis zum Ende nicht gelungen und so musste ich mich manchmal wirklich aufraffen, ihre Geschichte weiterzuverfolgen.

Insgesamt also eine ziemlich gute und authentische Darstellung eines Lebens, welches schon im Kindesalter von Gewalt geprägt wurde mit einer etwas unzugänglichen Protagonistin.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Ein Roman über Musik und so viel mehr

Becks letzter Sommer
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Lehrer Robert Beck führt ein tristes Leben, bis er beinahe gleichzeitig auf seine erste große Liebe Lara und auf den musikalisch hochbegabten Schüler Rauli trifft. Dieser weckt Erinnerungen an seine eigene ...

Lehrer Robert Beck führt ein tristes Leben, bis er beinahe gleichzeitig auf seine erste große Liebe Lara und auf den musikalisch hochbegabten Schüler Rauli trifft. Dieser weckt Erinnerungen an seine eigene Karriere als gescheiterter Musiker und den Traum, diese wieder aufleben zu lassen.

Benedict Wells überrascht in jedem seiner Romane mit einem anderen Stil: In "Becks letzter Sommer" schreibt er humorvoll, sarkastisch und trotzdem todernst.
Die ganze Geschichte ist sehr dynamisch, lebendig, gleichzeitig tiefgründig und melancholisch. Sie nimmt einen als Leser*in einfach mit, man kann gar nicht anders als ihr zu folgen.
Jeder Charakter überzeugt durch seinen Charme und seine Eigenheiten und obwohl es manchmal ins Absurde geht, nimmt man dem Autor alles ab.

Es geht um Musik, um das Streben nach Glück, um Liebe und um grundlegende Fragen des Daseins. Die Story ist ein Auf und Ab, ebenso wie das reale Leben.

Ich habe mich wieder einmal gern auf Benedict Wells' Charaktere und Geschichte eingelassen, es ist kaum zu glauben, dass er das Buch schon mit Anfang 20 geschrieben hat.

Zur Hörbuchversion: Ich hatte zuerst meine Zweifel, ob Christian Ulmen und Benedict Wells zusammenpassen, sobald ich losgehört habe, wurde mir allerdings bewusst, dass es keine bessere Besetzung hätte geben können. Ulmen inszeniert Beck so perfekt, haucht aber auch allen anderen Figuren so viel Leben ein, dass es ein wahres Vergnügen war, dem Hörbuch zu folgen.

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