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Veröffentlicht am 18.10.2021

Damals wie heute

Die militante Madonna
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„Ich betrachte Sie in ihrem seltsamen Jahrhundert voller Verwunderung. Zweihundertfünfzig Jahre nach meiner Zeit glauben sie offenbar, sie hätten die Wahlfreiheit erfunden, ein Mann oder eine Frau zu sein. ...

„Ich betrachte Sie in ihrem seltsamen Jahrhundert voller Verwunderung. Zweihundertfünfzig Jahre nach meiner Zeit glauben sie offenbar, sie hätten die Wahlfreiheit erfunden, ein Mann oder eine Frau zu sein. … In meiner Zeit und in meinen Kreisen sprachen wir, wie es uns gefiel, in den obersten Gesellschaftsschichten, am kultiviertesten Hof der Welt kleideten sich die Männer wie Frauen und die Frauen wie Männer, und niemand regte sich über solche Kinkerlitzchen auf.“ (6)

So spricht der Chevalier d’Éon de Beaumont die Leserschaft gleich an den ersten Seiten seiner Erzählung an. In einer theatralischen selbstgefälligen Sprache erzählt er die Geschichte seines turbulenten Lebens in der Zeit vom 1728 bis 1810. Der Chevalier war ein französischer Diplomat, Soldat, Freimauer, Schriftsteller und Degenfechter. Als treuer Diener und Spion des französischen Königs Ludwig XV. verweilt er einige Zeit unter dem Namen Lea de Beaumont am Hof der Zarin Elisabeth von Russland.

Da er genauso gern den Dragoneruniform wie auch weibliche Kleider trägt und sein wahres Geschlecht nicht verraten will, wurden in London, wo er zuerst als Interimsbotschafter weiterhin in Diensten des Ludwig XV. steht, mehrere Wetten mit extrem hohen Einsätzen abgeschlossen. Das Thema seiner Identität überwiegt in dem Roman, genauso wie sie auch sein wahres Leben beeinflusst und zum größten Teil bestimmt hat. Denn die Neugier über sein wahres Ich ist unermesslich und, genauso wie die unaufgelösten Wetten, ruft sie unterschiedliche Reaktionen in der Gesellschaft und dem Freundeskreis auf.

Ausführlich berichtet der Ich-Erzähler d`Eon über das gesellschaftliche Leben in London und Frankreich des 18. Jahrhunderts, über politische Intrigen und Machtspielen, ungewöhnliche Freundschaften, Liebe und Verrat. Bekannte historischen Persönlichkeiten, wie Voltaire oder Benjamin Franklin, durchkreuzen sein Leben, wichtige politische Ereignisse bestimmen es.

„Die militante Madonna“ ist jedoch keine Biografie des ungewöhnlichen Chevaliers. Es ist vielmehr ein Roman, der auf viele Parallele zwischen Damals und Jetzt aufmerksam macht und der heutigen Leserschaft ermöglicht, einen kritischen Blick nicht nur auf das Leben einer ungewöhnlichen, historisch belegten Figur zu werfen. Der Roman animiert uns auch mit einem kritischen Blick die „Kinkerlitzchen“ der heutigen Welt zu betrachten. Denn wir die Autorin in dem Sinne fast zum Schluss schreibt: „es geschieht nichts Neues unter der Sonne“. (165)

Mich hat die Figur des Romans fasziniert; ihr Wissen, ihre Gewandtheit, Kampfgeist und Anpassungsfähigkeit in allen Lebenslagen sind bemerkenswert. Der Roman hat mir viele fesselnde, lehrreiche Lesestunden beschert. Ich kann ihn wärmstens empfehlen!

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Veröffentlicht am 09.10.2021

Der Preis für ein besseres Leben

Wenn ich wiederkomme
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Heimlich verlässt Daniela ihre Familie um in Italien als Altenpflegerin zu arbeiten. Der Job soll ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen; eine gute schulische Ausbildung und ein Leben ohne finanzielle ...

Heimlich verlässt Daniela ihre Familie um in Italien als Altenpflegerin zu arbeiten. Der Job soll ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen; eine gute schulische Ausbildung und ein Leben ohne finanzielle Probleme. Doch der 14-jährige Sohn Manuel und seine acht Jahre ältere Schwester Angelica können die Entscheidung ihrer Mutter nicht akzeptieren. Das Gefühl verlassen zu werden verstärkt sich, als kurze Zeit später auch der Vater weggeht, um in einem fremden Land nach Arbeit zu suchen.

Auch Daniela ist in Italien unglücklich. Sie vermisst ihre Familie und leidet unter der spürbaren Ablehnung ihrer Kinder. Als sie vom schweren Unfall ihres Sohnes erfährt, fährt sie sofort nach Rumänien zurück.

Im Krankenhaus weicht sie nicht vom Bett ihres schwer verletzten Sohnes ab und erzählt Manuel, der nicht ansprechbar ist, ihre Geschichte. Es ist eine bewegende Geschichte, die Danielas Beweggründe und ihre Pläne klar und überschaubar macht. Trotzdem kann mich Daniela als Mutter nicht überzeugen. Zwar kann ich ihre Gefühle und Ängste besser verstehen, aber mir fehlt das Verständnis für ihr Verhalten.

Der Grund dafür ist mit aller Wahrscheinlichkeit der Anfang dieser Geschichte, der aus Sicht von Manuel im ersten Teil des Romans erzählt wird. Der Titel dieses Abschnitts „Wo bist du“ unterstreicht klar und deutlich, wie schmerzhaft Mutters heimliches Weglaufen für den 14-jährigen Manuel ist. Es ist der Teil des Romans, der mich am meisten berührt hat.

Im dritten Teil des Buches kommt Angelica zu Wort. Auch bei ihr haben die Entscheidungen der Eltern tiefe Spuren hinterlassen und neue Weichen für ihre Zukunft gestellt.

In dem Roman „Wenn ich wiederkomme“ spricht Marco Balzano einige wichtige Probleme unserer europäischen Gesellschaft an. Es ist vor allem die Migration auf der Suche nach Arbeit. Und es ist auch die immer älter werdende Gesellschaft, die Pflege und Betreuung benötigt. Diese undankbaren Aufgaben übernehmen vor allem Frauen aus den Ländern, in denen der Lebensstandard niedriger ist als in dem ersehnten „Traumland“. Im Roman von Marco Balzano ist Italien dieses Traumland. Danielas Traum vom angeblich besseren Leben in Italien bekommt den Namen „Italienkrankheit“.

Nüchtern und kompromisslos erzählt Balzano von den schlimmen Nebenwirkungen dieser „Krankheit“, über ihre Auswirkung auf die Betroffenen und auf ihre Familien. Er skizziert schonungslose Bilder der harten Realität, bewegt zum Nachdenken und Wiedergutmachung.

Ein bemerkenswerter Roman!

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Veröffentlicht am 03.10.2021

Ein Stück deutscher Geschichte

Der schwarze Winter
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Nach dem Kriegsende müssen Silke und Rosemarie ihre Heimatstadt Danzig verlassen. Zuerst wurden sie als Flüchtlinge einem Bauer zugewiesen, bei dem sie für Kost und Logis arbeiten sollten. Aber als sie ...

Nach dem Kriegsende müssen Silke und Rosemarie ihre Heimatstadt Danzig verlassen. Zuerst wurden sie als Flüchtlinge einem Bauer zugewiesen, bei dem sie für Kost und Logis arbeiten sollten. Aber als sie auch von dort fliehen müssen, entscheiden sie sich für Hamburg, eine Stadt, die Silke während ihres Besuchs vor dem Krieg sehr begeistert hat.

In dem jetzt von Briten besetzten Hamburg kann man nur mit dem Schwarzhandel überleben; die Essensmarken sind knapp, die Rationen unzureichend, die Unterkünfte nicht vorhanden. Nur wer über die nötigen Kontakte verfügt und den Tauschhandel auf dem Schwarzmarkt beherrscht, kann überleben. Mit viel Glück gelingt es den Schwestern in der zerbombten Stadt den Fuß zu fassen, die wahren Freunde und Unterstützer zu finden. Mit deren Hilfe versuchen Silke und Rosemarie ihr Leben neu zu gestalten.

In ihrem Buch „Der schwarze Winter“ erzählt Clara Lindemann über den schlimmsten Winter nach dem Kriegsende im Hamburg. Es sind lange eisigkalten Monate voller Hunger, Leid und Entbehrung. Obwohl der schreckliche Krieg längst zu Ende ist, dauert der Kampf ums Überleben weiter an. Es mangelt am Essen, Kohle und Unterkunft; die Menschen frieren, leiden Hunger und leben in Trümmern. Nur der Stärkste oder der Skrupelloseste hat die besten Chancen.

Besonders Frauen und Kinder leiden unter diesen Umständen. Am Beispiel von zwei mutigen und tüchtigen Protagonistinnen des Romans, Silke und Rosemarie, konnte ich erfahren, wie schwer das Leben und der Kampf um das tägliche Brot damals war. Silke, die vor dem Krieg eine angesehene Geschäftsfrau war, trifft jetzt in Hamburg auf Männer, die Frauen als Geschäftspartnerinnen nicht akzeptieren wollen.

Der Roman von Clara Lindemann ist nicht nur eine spannende Geschichte eines Neuanfangs in einer extrem schwierigen Zeit. Die Autorin befasst sich auch mit der deutschen Vergangenheit, mit der NS-Zeit, mit der Spaltung der Gesellschaft und mit dem Kriegsverbrechen, und liefert traurige Bilder der vergangenen Realität, die zu Herzen gehen.

„Der schwarze Winter“ hat mir ein Stück deutscher Geschichte nähergebracht. Spannend geschrieben! Lesenswert!

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Veröffentlicht am 30.09.2021

Wenn die Ehefrau krank wird

Barbara stirbt nicht
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Jeden Morgen wurde Herr Schmidt vom herrlichen Kaffeeduft geweckt, den seine Frau Barbara für ihn kocht. An diesem Morgen aber fehlt der Kaffeeduft in der Wohnung. Irritiert entdeckt der Rentner seine ...

Jeden Morgen wurde Herr Schmidt vom herrlichen Kaffeeduft geweckt, den seine Frau Barbara für ihn kocht. An diesem Morgen aber fehlt der Kaffeeduft in der Wohnung. Irritiert entdeckt der Rentner seine Ehefrau Barbara im Badezimmer auf dem Fußboden liegend. Die Frau blutet an der Stirn, ist sehr schwach auf den Beinen und muss zurück ins Bett. Ab sofort ist Walter auf sich selbst gestellt, denn Barbara ist offensichtlich sehr krank.

Der Hauptprotagonist dieses kurzweiligen Romans ist unbestritten der Rentner Walter Schmidt, von der Autorin stets Herr Schmidt genannt. Als Mann der alten Schule in der Buchbeschreibung dargestellt, ist er für mich alles andere als das. Er ist unsensibel, unhöflich, stur und irgendwie weltfremd geblieben. Er ruft nicht mal den Arzt, der Barbara untersuchen sollte. Es nur gut, dass diese Eheleute, das vor 52 Jahren geheiratet haben, erwachsene Kinder haben.

Nicht nur vom Kaffeekochen hat der altmodische Walter keine Ahnung. Er weiß nicht mal, wie man die eingefrorenen Produkte auftauen und aufwärmen kann. Erst nach dem seine tüchtige Frau Barbara das Bett hüten muss, lernt er langsam sie als Hausfrau und patente Frau zu schätzen. Die neue Situation stellt ihn auf harte Probe und er muss sich als Ehemann, Vater und Hausmann beweisen.

Auch die übrigen Protagonisten des Romans sind lebendig dargestellt. Hier beweist die Autorin ihre hervorragende Beobachtungsgabe. Sie schreibt fesselnd, liefert tolle Dialoge, die mal schmunzeln lassen, dann wieder die Tränen der Rührung in die Augen drücken.

„Barbara stirbt nicht“ ist ein flüssig geschriebener und scheinbar leicht zu lesender Roman. Das täuscht aber, denn der Roman ist keine leichte Kost. Alle seine Figuren, aber vor allem die Hauptakteure der dramatischen Handlung, zeichnen mit ihren Verhalten und mit ihrer Denkweise großartige Bilder unserer so unterschiedlichen Gesellschaft. Viele aktuelle Probleme kommen in dem Buch zu Sprache und lassen mich, als Leserin, nachdenklich zurück.

Fazit: eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 25.09.2021

Fesselnde Fortsetzung der Doggerland-Krimireihe

Doggerland. Fester Grund (Ein Doggerland-Krimi 3)
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„Fester Grund“ ist ein drittes Buch aus der Doggerland-Krimireihe mit der sympathischen Kommissarin Karin Eiken Hornby. Da ich bereits die zwei ersten Bücher aus dieser Reihe gelesen habe, war ich sehr ...

„Fester Grund“ ist ein drittes Buch aus der Doggerland-Krimireihe mit der sympathischen Kommissarin Karin Eiken Hornby. Da ich bereits die zwei ersten Bücher aus dieser Reihe gelesen habe, war ich sehr auf diesen Krimi gespannt. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand lassen, so spannend ist ihre Handlung.

Bereit der packende Prolog fesselt. Ein hasserfüllter Typ verfolgt im Fernsehen Bilder einer Frau, die ihn wütend machen und Rachegefühle aufsteigen lassen. Wer ist dieser Mann? Was hat er vor?

Spannend und ereignisreich ist auch das Wiedersehen mit Karen Eiken Hornby, die nicht nur Polizistin mit Leib und Seele ist. Inzwischen hat sich auch vieles in ihrem Privatleben verändert. Sie wohnt nicht mehr allein; Sigrid hat sie ins Herz geschlossen und ist bei ihr geblieben. Auch Leo wohnt gerne im Karens Gartenhaus und nimmt aktiv an ihrem Leben teil. Karen ist gesundheitlich ein bisschen angeschlagen, da die letzten dramatischen Ermittlungen deutlichen Spuren bei ihr hinterlassen haben. Und weil demnächst ein Gesundheitscheck für die Angestellten der Polizei bei Karen durchgeführt werden sollte, ist ihre Unruhe umso größer.

Ein bisschen Ablenkung von ihren privaten Problemen bringt ihr der neueste Auftrag ihres Chefs Jonaus Smeed. Karen soll die Recherchen im Falle der vermissten Musikerin Luna übernehmen; keiner darf davon irgendwas erfahren. Denn Jonaus Smeed fürchtet nicht nur um das Leben der berühmten Künstlerin. Er fürchtet auch die Medien, die dieses Ereignis für ihre Schlagzeilen nutzen würden.
In diesem Band wimmert nur so von den verschiedenen Ereignissen, die das Leben von Karen durcheinanderwirbeln. Sowohl in dem beruflichen, wie auch im persönlichen Umfeld. Karen muss wichtige Entscheidungen treffen, die ihre Zukunft bedeutend verändern würden. Bei den Ermittlungen geht sie oft über ihre Kräfte hinaus, riskiert wieder ihre Gesundheit und ihr Leben.

Mir gefällt sehr der Sprachstil von Maria Adolfsson. Sie schreibt extrem anschaulich, fesselnd, flüssig. Sie lässt auch den Leser am Leben der Protagonisten teilnehmen, beschreibt sie sehr gut. Alle Charaktere sind lebendig, glaubwürdig und nachvollziehbar in ihrer Handlung. Karen Eiken Hornby mit ihrer bewegenden Vergangenheit ist wahre Sympathieträgerin. Ich hoffe sehr, dass es weiteren Bücher mit der Kommissarin geben wird.

Ich würde allen Krimifans nicht nur diesen Krimi, sondern die ganze Doggerland-Reihe, wärmstens empfehlen!

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