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Veröffentlicht am 25.01.2017

Blutzwilling

Der Näher
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Das ist der dritte Teil um den Stuttgarter Fallanalytiker Martin Abel und hätte Löffler das Buch bei seinem Hausverlag herausgebracht, wäre es wahrscheinlich auch beim Titel mit Blut- irgendwas weitergegangen. ...

Das ist der dritte Teil um den Stuttgarter Fallanalytiker Martin Abel und hätte Löffler das Buch bei seinem Hausverlag herausgebracht, wäre es wahrscheinlich auch beim Titel mit Blut- irgendwas weitergegangen. So jedoch erscheint das Buch bei Weltbild unter einer anderen Aufmachung und einem abweichenden Namen. Das sollte Thriller-Fans jedoch nicht abhalten, denn geschrieben ist das Buch sehr gut und sehr routiniert, Abel ist meistens sympathisch und sowohl die Dialoge als auch die meisten auftretenden Personen sind authentisch, manchmal sogar witzig (bestes Beispiel Abel - Stange).

Es fängt damit an, dass in Gummersbach eine Joggerin von einem Mann verfolgt wird, der eindeutig nicht nur nach der Uhrzeit fragen will. Auf ihrer Flucht vor ihm stürzt sie in eine Erdspalte, in der sie die Leichen einer Frau und eines neugeborenen Babys findet. Abel, der sich eigentlich erholen soll von seinen letzten Fällen, befindet sich vor Ort und zieht sofort die richtigen Rückschlüsse zu den Vermisstenfällen, die er bearbeitet. Er ist sich sicher, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, und die darauf folgenden Ereignisse geben ihm recht. Der Näher, wie ihn die Kriminalisten nennen, ist grausam. Er entführt Schwangere, schneidet ihnen bei lebendigen Leib ein Loch in den Bauch, näht einen Reißverschluss ein und ... ich formuliere das mal so: Es ist nichts für Zartbesaitete. Abel und die mehr oder weniger abweisende Kriminalistengruppe um Hauptkommissar Borchert haben jedenfalls eine harte Nuss zu knacken, die sie nicht nur im übertragenen Sinne zum Kotzen bringen wird.

Wie erwähnt, sehr gut geschrieben und auch mal was anderes als der übliche Einheitsbrei unter den Thrillern. Warum ich trotzdem "nur" drei Punkte gebe? Mir wurde auf Dauer die Logik zu sehr um des Effekts willen vernachlässigt. Das fängt schon mal mit der Joggerin an. Die überlebt eine Nacht in einem Erdloch. Normalerweise kein Problem, doch es ist Winter. Als sie losgerannt ist, waren es gerade mal 5 ° und nachts wird es noch mal um einiges kälter. Aber weil sie Funktionskleidung trägt ... na ja. Das könnte man noch durchwinken. Aber dann: Abel lässt sich von einem Psycho-Ehemann fast verprügeln, ohne dass es für den auch nur irgendwelche Konsequenzen gibt. Die gefangenen Frauen sind wild entschlossen zu fliehen, eine hat sogar einen metallenen Fuß des Bettes, das sie dem Täter an den Kopf drischt. Überhaupt dieses Metallstück: Würde nicht jeder in so einer Situation zuerst versuchen, mit dieser Waffe seinen Peiniger zu überwältigen? Stattdessen wird eine "Leitung" zur Nachbarin freigeschaufelt. Warum fragt keiner den Täter, woher er die große, blutende Kopfwunde hat? Ein winziger, zehnjähriger Junge killt mit der Routine eines dreimal so alten Serienkillers eine junge Kuh. Die Ermittler finden das Haus des Täters, vor dem ein Betonmischer steht, dessen Motor läuft. Sie wissen genau, wozu dieser Betonmischer benutzt wird, aber kommt irgendwer von denen auf die Idee, mal den Schlüssel abzuziehen und das Teil auszustellen? Natürlich nicht, das würde ja den Showdown versauen. Last but not least. So "originell" die Morde waren, habe ich bis zum Schluss nicht kapiert, was sich genau der Täter dabei erhofft hat zu erreichen. Es war eine wirre Erklärung um Mythologie, die zumindest bei mir nicht gezündet hat. In einem Satz am Ende wurde auch beiläufig erwähnt, dass der Verfolger der Joggerin gefunden wurde, es handelte sich übrigens um einen Typen, der schon mal als Peiniger des Killers aufgetaucht ist - auch da wieder nicht in Charakter. Als Jugendlicher wurde er als ziemlich dumm beschrieben, auf einmal ist er ein clever planender Vergewaltiger, der sein Opfer nur aus einem dummen Zufall heraus nicht erwischt. Noch eines der Dinge, die um des reinen Effekts geschrieben wurden.

Veröffentlicht am 21.01.2017

Wem kannst du trauen?

Chosen 1: Die Bestimmte
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Emma war ihr Leben lang ein bisschen anders, denn sie kann in das Innere eines Menschen tauchen und dessen Emotionen wahrnehmen. Aus diesem Grund hat sie ihre Mutter nicht nur immer wieder angehalten, ...

Emma war ihr Leben lang ein bisschen anders, denn sie kann in das Innere eines Menschen tauchen und dessen Emotionen wahrnehmen. Aus diesem Grund hat sie ihre Mutter nicht nur immer wieder angehalten, mit niemandem darüber zu sprechen, sondern sie auch ein wenig isoliert gehalten. Alles ändert sich an dem Tag, als ihre Mutter bei einem Autounfall stirbt und bei der Beerdigung ein Mann auftaucht, der behauptet, Emmas Vater zu sein. Leider kann er das auch beweisen, und so zieht Emma mit dem Unbekannten nach Irland, wo sie Aidan kennenlernt, den Patensohn ihres Vaters, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt. Und sie kommt auf die Eliteschule Sensus Corvi, an der nur Schüler mit außergewöhnlichen Begabungen sind. Es dauert nicht lange, bis Emma in einen Krieg zwischen zwei verfeindeteten Menschengruppen mit diesen Fähigkeiten gezogen wird; niemand scheint die Wahrheit zu sagen, es wird blutig, es gibt Tote, und irgendwann weiß sie nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen kann.

Natürlich gibt es wieder die üblichen Verdächtigen: der schöne, mysteriöse Aidan, der mit 17 schon so außergewöhnlich ist, dass Superman bei seinem Anblick heulend in der Ecke sitzt. Dazu noch Jared, der fast genauso ungewöhnlich schön und toll ist. Keine Frage, dass beide total in Emma verknallt sind, die selbst aussieht wie Schneewittchen. Das ging mir auf den Zeiger. In der Hinsicht wünsche ich mir echt mal ein bisschen mehr Mut von den JugendbuchautorInnen. Nicht gerade wettgemacht, aber deutlich aufgewertet wurde die Story durch eine wirklich rasante Handlung, die für die Schnulzengedönsanteile wenigstens nicht so übermäßig viel Platz ließ. Emma muss ihre Aufgabe finden, sie muss sich durch die Intrigen schlängeln und dabei ständig auf der Hut sein, ihre Antagonisten sind zwar relativ zeitig klar, aber mit ein bisschen geschicktem Taktieren gelingt es der Autorin, da immer wieder Zweifel aufkommen zu lassen. Das Ende war dann sehr actionreich und auch blutig, allerdings auch ein bisschen abrupt mit diesem Cliffhanger, der auf alle Fälle Interesse für den zweiten, abschließenden Band weckt.

Veröffentlicht am 20.01.2017

Brave new world

Company Town - Niemand ist mehr sicher
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New Arcadia ist eine Ölplattform in naher Zukunft. Sie ist riesig, eine ganze Stadt mitten auf dem Meer, mit Autos, Zügen, Hochhäusern. Die Menschen sind so gut wie alle getuned, genetisch verbessert oder ...

New Arcadia ist eine Ölplattform in naher Zukunft. Sie ist riesig, eine ganze Stadt mitten auf dem Meer, mit Autos, Zügen, Hochhäusern. Die Menschen sind so gut wie alle getuned, genetisch verbessert oder mit Chips geupdatet. Eine der wenigen völlig organischen Menschen ist Hwa, die ausgerechnet als Leibwächterin für die Prostituiertengewerkschaft arbeitet. Sie ist zwar einerseits nicht so stark und schnell wie mögliche Angreifer, hat aber auch den Vorteil, dass ihr Hirn nicht gehackt und sie nicht umprogrammiert werden kann. Diesen Vorteil erkennt auch Daniel Siofra, der Sicherheitschef der Familie Lynch, die New Arcadia neu übernommen hat. Er bietet ihr den Job als Leibwächterin von Joel Lynch, dem 15jährigen Sohn des Firmenchefs und dessen Erbe. Hwa nimmt an und sie gerät in eine Intrige, die größer ist als sie, in der ihre Prostituiertenfreundinnen ermordet werden, herauskommt, wer für den Tod ihres Bruders verantwortlich ist und die wahre Natur von Daniel Siofra und auch des alten Zacharias Lynch, dem Patriarchen der Familie.

Dieses Buch hat mich umgehauen. Okay, die ersten Seiten waren mehr als verwirrend, immer wieder wurden Sachen erwähnt, die man nicht kapiert hat, weil es das so in unserer Zeit nicht gibt, aber die sich dann nach und nach erklärt haben. Die Autorin ist Zukunftsforscherin, und die Erfindungen und Entwicklungen, die sie anspricht und beschreibt, sind teilweise genial, teilweise mehr als erschreckend, wirken aber fast durchweg authentisch. Mit Hwa, Siofra und Joel hat sie sehr sympathische Personen geschaffen, denen sie mit diversen Mördern, Superreichen und Freaks eine Menge Antagonisten entgegenstellt. Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt, selbst wenn es Zeitsprünge gab oder ich mal wieder etwas nicht ganz verstanden habe. Die Story ist komplex, man muss konzentriert am Ball bleiben, was aber auch einfach ist, denn sie nimmt mit und fesselt. Es ist aber auch eine Art Dystopie für Erwachsene, wer großartiges Liebesgedöns erwartet, wird enttäuscht werden (ich wurde sehr, sehr gern enttäuscht in dieser Hinsicht!). Ich hoffe, es wird einen Nachfolger geben, auch wenn die Story für sich allein bestehen kann, auch werde ich das Buch in naher Zukunft noch mal lesen, um wirklich durch alles durchzusteigen. Dieses Buch ist wie das erste Mal Sex: Wer sich drauf einlassen und fallen lassen kann, für den klappt's auch mit dem Orgasmus. ;)

Veröffentlicht am 16.01.2017

Blum und die Toten

Totenrausch
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Die Kinder und Blum. Auf dem Weg nach Norwegen. Wieder zurück. Nach Hamburg. Blum und Schiele. Der Zuhälter. Er besorgt Papiere. Will eine Gegenleistung. Blum und die Todesliste. Blum will nicht. Schiele ...

Die Kinder und Blum. Auf dem Weg nach Norwegen. Wieder zurück. Nach Hamburg. Blum und Schiele. Der Zuhälter. Er besorgt Papiere. Will eine Gegenleistung. Blum und die Todesliste. Blum will nicht. Schiele doch. Schiele entführt ihre Kinder. Blum tötet. Mal den, mal den. Blum ist sauer. Und traurig. Und bekommt Hilfe. Immer wieder. Auch wenn's brenzlig wird. Buch ist aus. Buch über Blum. Ende gut. Alles gut.

Ihr findet meinen Schreibstil komisch? So schreibt der Aichner. Bei ihm ist das wohl cool. In der Schule wurden wir für so einen schrottigen Stil gnadenlos abgestraft, und zu Recht, wenn ich das so im Nachhinein sagen darf. Bei diesem "Krimi" gibt es so viel, dass einfach nur dumm war, allen voran Blum. Die hat aber auch immer ein Glück. Immer wenn es eng wird, kriegt sie Hilfe. Von einem türkischen Lastfahrer, einer Nutte, einem Bestattungsunternehmer, Reza, selbst einem Polizisten. (Nicht der erste, ihr toter Ehemann gehörte ja auch dieser besonderen Aichner-Spezi an, der mehrfache Mörderinnen total toll findet.) Schiele wird als der miese Zuhälterkönig beschrieben, obwohl er sich nur an den von ihr angebotenen Deal hält, bei dem sie Mord gegen Papiere versprach. Er will nicht mal mit ihr schlafen, jedenfalls nicht ohne ihre Zustimmung. Er bringt sie in einer super Gegend in einem super Haus unter, unter der Voraussetzung, dass sie für ihn mordet, wie sie es angeboten hat. Doch plötzlich, nachdem sie sowieso ein halbes Dutzend Leute gekillt hat, meldet sich ihr Gewissen und sie verweigert. Und wundert sich dann, dass der Zuhälterboss sauer ist? Die Message dieser Bücher ist die: Wenn Blum killt, ist es entweder ein dummer Ausrutscher (und daher nicht schlimm) oder die Leute hatten es eh verdient (und daher nicht schlimm). Wenn andere Leute killen, ist das verwerflich. Tolle Message.
Nicht.
Der eine Punkt ist übrigens nicht, weil ich einen geben muss. Der ist für die geile Haptik des Covers. Soll keiner sagen, ich finde nicht was Positives zu dem Buch zu sagen.

Veröffentlicht am 15.01.2017

Frozen

Minus 18 Grad
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Ein Mann liefert sich eine Wettfahrt ausgerechnet mit der Leiterin der Mordkommission von Helsingborg (Schweden), rast ins Hafenbecken und stirbt. So was passiert, kein Grund zur Aufregung bei der Polizei. ...

Ein Mann liefert sich eine Wettfahrt ausgerechnet mit der Leiterin der Mordkommission von Helsingborg (Schweden), rast ins Hafenbecken und stirbt. So was passiert, kein Grund zur Aufregung bei der Polizei. Nur dass er schon Monate tot ist, wie der Gerichtsmediziner herausfindet. Eingefroren. Wie kann das sein, dass ein Toter Auto fährt? Die Ermittlungen beginnen und immer öfter fallen dem Team um Risk und Tuvasson ähnliche Vorfälle auf. Zur gleichen Zeit ist Dunja Hougaard in Dänemark mit brutalen Überfällen auf Obdachlose beschäftigt - eine Gruppe mit Smileygesichtern Maskierter tritt und schlägt so lange auf die Wehrlosen ein, bis diese sterben, wobei sie das Ganze filmen.

Es wurde groß damit geworben, dass es zwei Länder, zwei Ermittler, ein Fall wären. Dem ist nicht so, zumindest haben die Fälle null miteinander zu tun. Das kann ich sagen, ohne zu spoilern. Es bleibt die Tatsache bestehen, dass sich die Ermittler wieder mal über die Füße laufen, weil extrem Familiäres in die Fälle konstruiert wurde. Dass dabei die Logik zugunsten der Dramatik über den Haufen geworden wurde, ist bedauerlich. Wobei mir der dänische Fall fast noch interessanter vorkam, denn der erschien mir nicht ganz so absurd konstruiert. Was mich auch immer wieder übelst stört sind die familiären Hintergründe. Müssen eigentlich alle Ermittler kaputt sein, versoffen, getrennt, in Trennung lebend und damit nicht klar kommend, unsympathisch, rachsüchtig etc oder ist das für die Skandinavier reserviert? Natürlich kann man dadurch unzählige Inkompetenzen einbauen, um die Fälle zu erschweren. Und die Täter ... Zumindest was die Lösung der schwedischen Morde angeht, ist das nur noch lächerlich. Da gibt es einen schwedischen Baron, der 1978 (nein, nicht 1378 oder meinetwegen auch noch 1778) reihenweise Frauen vergewaltigt, ohne dass sich jemand wehrt oder ihn anzeigt, da wachsen Kinder außerhalb des Systems und ohne Schule auf, sind aber hinterher cleverer als alle anderen und tricksen permanent alle anderen aus - der nicht nachvollziehbaren Dinge in diesem Buch gibt es viele. Zum Schluss wird noch mal etwas aus dem Hut gezaubert, das auf das nächste Buch verweist und als Cliffhanger dienen soll, was erwartungsgemäß auch tut. Der Schreibstil ist gut, und der Handlungsstrang um Dunja auch relativ authentisch (mit Abstrichen, was Kim Sleizner angeht), aber ansonsten hätte ich mir mehr logische Zusammenhänge gewünscht. 2,5/5 Punkten.